Host-Info
Franz Seifert
Freier Sozialwissenschaftler in Wien
 
ORF ON Science :  Franz Seifert :  Leben .  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Gentechnik und Globalisierung  
  Was haben die Kunstgriffe im Inneren des Zellkerns mit Globalisierung zu tun? Mehr als man denkt.  
Global agierende Betreiber - und Gegner
Und das gilt sowohl für die großen Triebkräfte hinter der Entwicklung der Gentechnik, die heute schon lange nicht mehr in Universitätslabors, sondern in den Vorständen global dispo-nierender Life Science Konzerne wie Pioneer, AgrEvo, Monsanto, Rhône-Poulenc oder No-vartis sitzen.

Das gilt allerdings ebenso für den Widerstand gegen die Globalisierung, der mit der Einset-zung der WTO 1995 zu einer beispiellosen Intensität gelangt ist.
Globale Konzernstrategien
Seit gut zwei Jahrzehnten ist - wie in so gut wie allen industriellen Domänen - im Biotechnologiesektor ein rapider Konzentrations- und Expansionsprozess im Gang. Um Entwicklungsprojekte zu finanzieren, rücken kleine Biotechnik-Unternehmen in die Obhut großer, kapitalstarker Konzerne.

Für diese sind die HighTech-Akquisitionen aber nur ein Baustein einer umfassenderen Expansionsstrategie. Denn um die Forschungsinvestitionen auch in Gewinne zu verwandeln, gilt es, die hoffnungsvollen Märkte der südlichen Hemisphäre zu erobern, wo Produktions- und Vertriebsnetze aufgekauft, mittels Patenten Eigentumsrechte gesichert werden.
Lokale Konsequenzen
Auch den Bauern vor Ort ist eine Rolle in diesen Strategien zugewiesen. Sie sollen auf das Produktionsziel der Konzerne verpflichtet, zu "Anwendern" des produktiven Saatguts werden. Dies soll über Eigentumsrechte, individuelle Verträge oder auch neue Technologien, wie das "Terminator-Gen" bewerkstelligt werden.

Aber nicht alle wollen diese Rolle spielen. Bereits die "grüne Revolution" der sechziger Jahre hatte soziale Verheerungen nach sich gezogen, Massen von Kleinbauern in Abhängigkeit und Ruin getrieben. Von den neuen Staatgut-Techniken ist in zahlreichen Regionen des Südens kaum mehr als die Fortsetzung und Verschärfung dieses Prozesses zu erwarten.
Multi-lokaler Widerstand
Die aktuellen Auflehnung brasilianischer Bauern ist nur eine Episode einer Welle des Wider-standes, die unter Bauern bereits vor einigen Jahren eingesetzt hat.

1997 etwa vernichteten französische Kleinbauern aus den USA importierten gentechnisch veränderten Mais, 1998 verwüsteten indische Bauern Felder der Firma Monsanto. Vergleichsweise moderat mutet demgegenüber das Lobbying hiesiger Biobauern um "gentechnikfreie Zonen" und Kennzeichnung an.
Die Vielschichtigkeit des Widerstands
Während Gruppen von Bauern in den ärmsten Ländern der Welt zu den Leidtragenden einer weiteren grünen Revolution durch die Biotechnologien gehören werden, zählen ihre verzweifelten Proteste wohl zu den schwächsten Flämmchen des weltweiten Gentechnik-Widerstandes.

Schon effektiver ist eine Schicht gutausgebildeter Aktivisten, die in internationalen Foren und Verhandlungen wie jenen der UN ebenso geschickt agieren wie in westlichen Medienöffentlichkeiten.

Den größten Rückschlag mußte die landwirtschaftliche Gentechnik indes durch die Mobilisierung der Europäischen Konsumenten im Laufe der vergangen Jahre hinnehmen. Lebensmittelkrisen, v.a. jene um BSE, haben die schweigende Masse der Satten in eine gefürchtete politische Kraft verwandelt, welche in ihrer Ablehnung der Großkonzerne nun in eine - allerdings ungewollte Allianz - mit den Ärmsten der Welt tritt.
Gentechnik als Metapher
In erster Linie dieses Potential der Gentechnik in breiten westlichen Bevölkerungen Ablehnung zu erregen, hat sie zu einem der wirkmächtigsten Werzeuge auch der Globalisierungsgegner gemacht. Von Seattle bis Davos, stets trugen diese das Feindbild Gentechnik auf ihren Bannern, wenngleich ihre Ablehnung etwas ganz anderem, nämlich einer allein auf Freihandel beruhenden Weltordnung gilt.

Mittlerweile ist die Gentechnik (nicht ganz zu Unrecht) zur Metapher für diesen weltumfassenden Prozeß geworden, dessen glücklicher Ausgang in der Tat alles andere als gewiß ist.
 
 
 
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