Host-Info
Franz Seifert
Freier Sozialwissenschaftler in Wien
 
ORF ON Science :  Franz Seifert :  Leben .  Wissen und Bildung 
 
Meinungswandel zur Gentechnik?  
  Die jüngste IMAS-Umfrage deutet auf einen Rückgang der Gentechnik-Kritik. Was steckt dahinter?  
Sieg der Vernunft?
Die Zahlen der Meinungsforschung scheinen für sich zu sprechen: War die Gentechnik 1997 noch für 47 Prozent der Befragten Fluch, sind es nunmehr bloß 31 Prozent, neigten damals 37 Prozent zu einer abwägenden Haltung, so sind es jetzt bereits 51 Prozent.

Es scheint, als sei die feindselige öffentliche Meinung, wie sie sich vor vier Jahren in dem mit 1,2 Millionen Unterschriften äußerst erfolgreichen Gentechnik-Volksbegehren manifestiert hatte, einer differenzierteren Einschätzung gewichen.

Aber ist sie das wirklich? Ist die vor Kurzem noch so polarisierte Auseinandersetzung um die Gentechnik endlich in die ruhigen Wasser der Vernunft gelangt? Wie korrekt ist das Bild, das uns die Demoskopie von der öffentliche Meinung liefert?
Die wankelmütige öffentliche Meinung
Die IMAS-Darstellung dürfte den Meinungswandel zumindest erheblich überbetonen. Denn die frühere Vergleichsbefragung vom März 1997 hatte die Bevölkerungsmeinung gerade in jenen kritischen Wochen vor dem Volksbegehren abgefragt, in denen die mediale Auseinandersetzung in die heiße Phase getreten war.

Das damalige Meinungsbild spiegelt also einen kurzfristigen Extremwert wider, demgegenüber die jetzige "Entspannung" besonders augen-fällig werden muß.

Diese technische Verzerrung des Meinungsbildes illustriert zwei Punkte. Einerseits zeigt sie die Sensibilität, mit der die breite Bevölkerung auf die momentane Politisierung eines Themas reagiert, andererseits aber auch ihre Tendenz zur "Normalisierung", nachdem die öffentlichen Konroverse verebbt ist.
Normaler Zyklus
In der Tat ist diese politische Auseinandersetzung zu einem (vorläufigen) Ende gelangt. Analysen zeigen zwar die unverändert hohe Medienpräsenz der Gentechnik seit Mitte der Neunziger. Der konflikthafte Rahmen aber, in den sie etwa durch den Streit um Lebensmittelkennzeichnung und Freisetzungen genetisch veränderter Pflanzen geraten war, ist weggefallen.

Daß öffentliche Kontroversen in Zyklen verlaufen, ist ein seit den frühen Siebzigern bekanntes Phänomen. Der österreichische Gentechnikkonflikt ist vor einiger Zeit offenkundig in die Abschwungphase getreten.
Die öffentliche Meinung bleibt unwägbar
Ob dieser Zustand von Dauer ist, bleibt indes ungewiß. Die Erfahrung aus dem bisherigen Gentechnik-Konflikt lehrt, daß akute Kontroversen unter bestimmten kritischen Bedinungen (wie Lebensmittelkrisen oder Freisetzungsexperimente) erneut aufbrechen können.

Nur in wenigen Ländern wie Dänemark oder den Niederlanden gibt es Hinweise dafür, daß vorangegangene Kontroversen gewissermaßen als "Schulen der Demokratie" fungierten und zur konstruktiven Bewältigung späterer Konflikte beitrugen.

Die ersten Freisetzungensexperimente, die über kurz oder lang auch in Österreich stattfinden werden, werden wohl zum Testfall, ob auch hierzulande aus vergangenen Konflikten gelernt wurde.
Mehr über die IMAS-Umfgrage lesen Sie in science.orf.at:
->   Genforschung: Wachsende Zustimmung in Österreich?
 
 
 
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