Host-Info
Franz Seifert
Freier Sozialwissenschaftler in Wien
 
ORF ON Science :  Franz Seifert :  Leben .  Wissen und Bildung 
 
Zur Funktion von Bioethik-Komitees  
  Die Ankündigung einer Kommission für Bioethik kommt wie die angemessene Antwort auf jüngste, aufsehenerregende Initiativen in der Klon-Technologie. Aber welche Funktion haben solche Komitees?  
Die Bändigung technologischer Machbarkeit
Auf den ersten Blick scheint die Antwort klar: Die moderne Biologie macht die menschliche Natur wählbar. Einst unwandelbare Tatsache des Lebens, ist diese nunmehr der Verfügungsgewalt der Technik und damit des Menschen selbst unterworfen.

Die Reproduktionsmedizin entkoppelt die Zeugung von Kindern von Abstammung und Sexualität, Hormone und Prothesen sprengen bisher unverrückbare körperlichen Grenzen. Die menschliche Natur wird zum Projekt des menschlichen Willens.

Ethik-Komitees sollen dieser technologischen Ausweitung des Machbaren einen Riegel vorschieben. "Missbräuche" und "Verstöße" sollen identifizierbar, Grenzen des "Erlaubten" gezogen werden. Was durch die Technologie disponibel gemacht wurde, soll durch die Ethik wieder unverfügbar gemacht werden.
Suggestionen
Aber auch wenn an der Richtigkeit dieses Ziels kein Zweifel bestehen dürfte, sollte der problematische Charakter von Ethik-Komitees selbst nicht aus dem Blick geraten.

Dieser beruht weniger auf der bekannten Tatsache, dass Ethik-Komitees Ratschläge, aber keine Weisungen erteilen, und somit gegenüber Politik und organisierten Interessen letztlich machtlos bleiben. Vielmehr rührt er aus einer Reihe von Suggestionen, die solche Komitees mit sich bringen.

Die erste Suggestion besteht darin, dass Konsens darüber, was ethisch richtig oder falsch ist, in modernen Gesellschaften überhaupt erzielbar wäre. Gremien, zusammengesetzt aus einer kleinen, wiederholt zusammentretenden Gruppe von Experten, neigen in ihren Entscheidungen tatsächlich zum Konsens. So auch Ethik-Komitees.
Tun, als ob
Moderne Gesellschaften tun das allerdings ganz und gar nicht. Moralischer Konsens ist knapp geworden und, abgesehen von Verfassungsgrundsätzen, stets neu auszuhandeln. Ob es sich nun um den Zuzug fremdsprachiger Minderheiten, Wehrdienstverweigerung oder Abtreibung handelt, die Frage nach dem ethisch Richtigen bleibt strittig. Die Einrichtung von Ethik-Komitees tut nun, als ob es dieses unstrittig Richtige gäbe. Damit verdeckt sie verbleibende Widersprüche.

Eine weitere Suggestion speziell von Bioethik-Komitees betrifft die Abgrenzung eines definierten Zuständigkeitsbereichs. Warum werfen gerade die Humananwendungen der Biotechnologien ethische Fragen auf, nicht aber, sagen wir, die Zunahme des Straßenverkehrs?

Indem bestimmte Bereiche der ethischen Reflexion für würdig befunden werden, werden andere ausgeklammert. Ihnen wird gewissermaßen Normalität und Unbedenklichkeit attestiert.
Zur politischen Funktion von Bioethik-Komitees
In der Tat mag es u.a. aus diesen Gründen für Entscheidungsträger interessant sein, solche Gremien einzurichten. Bioethik-Komitees sind keine neue Erfindung. Seit mehr als einem Jahrzehnt erfreuen sie sich international größter Beliebtheit. Nicht selten sind sie mit einer Politik verknüpft, welche die Entwicklung der Biotechnologie dem freien Spiel des Marktes überlassen und ihr nur ein Minimum rechtlicher Zügel anlegen will.

Bioethik-Komitees können für eine solche Politik funktional sein. Sie suggerieren Einhelligkeit in ethischen Fragen und stellen daneben weite, privaten Interessen offene Handlungsbereiche bereit.

In Bereichen, deren Restriktion wirtschaftliche Interessen unberührt lässt, was beispielsweise für das Verbot des Klonens von Menschen gelten dürfte, lassen sich auf diese Weise populäre ethische Sperren errichten. Andere Entwicklungsfelder, von denen tiefgreifende, für manche schmerzhafte gesellschaftliche Wandlungen zu erwarten sind, bleiben demgegenüber unbehelligt.
Bioethik-Komitees reichen nicht
Eine über technische und wirtschaftliche Kriterien hinausreichende Reflexion über den technologischen Fortschritt ist zweifellos notwendig. Dies auch und besonders in der Form von Bioethik-Komitees. Ethisch problematisch wäre es allerdings, bliebe diese Reflexion allein auf diese und ihren Gegenstandsbereich beschränkt.
 
 
 
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