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Heinz Slupetzky
Fachbereich für Geographie und Geologie der Universität Salzburg
 
ORF ON Science :  Heinz Slupetzky :  Umwelt und Klima 
 
Gletschertagebuch 2008: Die Eisabschmelzung hat begonnen  
  Auch heuer verfolgt ein Tagebuch den Zustand der österreichischen Gletscher. Schon vor dem meteorologischen und astronomischen Sommerbeginn setzte auf den tief herabreichenden Gletscherzungen die Eisabschmelzung ein. Der winterliche Schneezuwachs im Spätfrühjahr mit relativ großen Schneehöhen hatte zu einer besseren Ausgangsposition der Gletscher vor dem Sommer geführt.  
Doch aufgrund der warmen Witterung in jüngerer Zeit hat die Schneeschmelze auf den Gletschern voll eingesetzt. Die Schafskälte brachte nur eine kurze Unterbrechung.
Überdurchschnittliche Schneehöhen am 1. Mai
 
Grafik: Heinz Slupetzky

Schneehöhen am Stubacher Sonnblickkees, jeweils am 1. Mai, Schneehöhe in cm

Am 1. Mai lagen am Stubacher Sonnblickkees in der Granatspitzgruppe der Hohen Tauern in 2.505 Meter Seehöhe 5,30 Meter Schnee, das waren im Vergleich zum langjährigen Mittel (1964 bis 2007) um 0,73 Meter mehr.

Dies stand ganz im Gegensatz zu 2007, als um zwei Meter weniger gemessen wurden; im Vorjahr war mit nur 2,20 Meter der Negativrekord der Messreihe.
Starke Schneeschmelze danach
 
Grafik: Heinz Slupetzky

Schneehöhen am Stubacher Sonnblickkees, jeweils am 1. Juni, Schneehöhe in cm

Der warme Monat Mai war Ursache für eine frühe, starke Schneeschmelze, die Schneehöhe sank bis zum 1. Juni um 2,20 Meter (!) auf nur mehr durchschnittliche Werte für Anfang Juni. Was könnte das für die nahe Zukunft bedeuten?

Die Schneehöhe am Stubacher Sonnblickkees am 1. Juni war im vergangenen Jahrzehnt (ausgenommen das Vorjahr) immer mehr oder weniger drei Meter.

Damit waren die Ausgangspositionen vor dem Sommer für den Gletscher, was den winterlichen "Bruttomassenzuwachs" durch den Schnee betrifft, immer sehr ähnlich.
Gletscherschmelze schon vor Sommerbeginn
 
Bild: Heinz Slupetzky

Pasterzenzunge am 7. Juni 2008: Die Eisabschmelzung hat heuer wieder früh begonnen.

Wenn auch bei weitem nicht so früh wie 2007, so begannen auch heuer die tiefer herabreichenden Gletscher bald auszuapern, erste Eisflecken tauchten an der Pasterzenzunge Ende Mai auf.

Der Mai war übernormal warm (ZAMG), sodass der Abbau der winterlichen Schneedecke früh einsetzte. Das Schlechtwetter der "Schafskälte" mit Neuschnee bis 1.500 m herab hat die Ausaperung nur kurz unterbrochen.
Die Ausgangsposition für die Massenbilanz 2008
Bild: Heinz Slupetzky
Obersulzbachkees bei der Kürsingerhütte (Venedigergruppe) am 10. Juni. Erste blanke Eisstellen an der Gletscherzunge.
Rund drei Meter Schnee am 1. Juni seit 1998 war nie eine Garantie dafür, dass am Ende des Sommers davon noch genügend im Nährgebiet zurückblieb, um die Eisabschmelzung auszugleichen. Kein Haushaltsjahr endete in dieser Zeit positiv, zwei Bilanzen waren ausgeglichen, alle anderen negativ.

Auch mehr Schnee "nützt nichts". Im Jahr 1997, als am 1. Juni sogar noch 4,80 Meter Altschnee lag, hatte das Sonnblickkees schließlich einen Verlust von über drei Millionen Kubikmeter. Es hätten ca. acht Meter (!) liegen müssen, um eine negative Jahresbilanz zu verhindern.

Die bisher größte Schneehöhe am 1. Juni 1974 war sechs Meter, erst dadurch endete damals das Haushaltsjahr mit einem Zuwachs von einer Million Kubikmeter.

Es muss wieder einmal hervorgehoben werden: Entscheidend für das "Wohl oder Weh'" der Gletscher sind die Sommer. Wenn auch noch so viel "Bruttoeinnahme" an Schnee im Mai/Juni am Gletscher liegt, in einem heißen Sommer kann alles wieder weg schmelzen.
Massenverlust der Gletscher auch heuer?
 
Bild: Heinz Slupetzky

Gletscherbach vom Obersulzbachkees: Die Gletscherbäche haben immer wieder eine hohe Wasserführung, die rein auf die Schneeschmelze zurückzuführen ist.

Die heißen Sommertage in der zweiten Junihälfte mit einer Nullgradgrenze immer wieder über 4.000 m sind erst der Beginn der Eisabschmelzung während der sommerlichen Gletscherschmelze.

Die Langfristprognosen deuten auf einen im Durchschnitt eher warmen, aber nicht außergewöhnlich heißen Sommer hin. Die für die Gletscher ungünstige Kombination - wie im Vorjahr - als am Sommeranfang extrem wenig Schnee lag und der Sommer zu warm war, ist heuer nicht der Fall.

Trotzdem: Nur einige Wochen mehr mit warmen bis heißen Witterungsphasen und die Gletscher sind auch heuer wieder auf der Verliererstraße.

[30.6.08]
->   Die Gletschertagebücher der vergangenen Jahre
 
 
 
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