Host-Info
Karin Steiner
Forschungsinstitut abif (Analyse Beratung und interdisziplinäre Forschung)
 
ORF ON Science :  Karin Steiner :  Medizin und Gesundheit .  Gesellschaft 
 
Pflegekräfte zwischen Überalterung und Burnout  
  "Pflegenotstand" klingt alarmistisch und ist doch kaum übertrieben. In Österreich können sowohl in Krankenanstalten als auch in Alten- und Pflegeheimen sowie im mobilen Bereich nicht alle offenen Stellen besetzt werden. Dieser Arbeitkräftemangel wird sich weiter verschärfen: Bis zum Jahr 2010 rechnen ExpertInnen mit einem Zuwachs von bis zu 6.000 Stellen im Pflegebereich.  
In der Vergangenheit wurde die Personallücke vor allem mit ausländischem Personal gestopft, das mittlerweile rund ein Drittel der PflegerInnen ausmacht. Doch wird dies bei weitem nicht ausreichen.

So lange sich die Arbeitsbedingungen, sprich: Nacht- und Wochenenddienste, hohe physische und psychische Belastung, schlechtes Image und miserable Bezahlung sich nicht grundlegend bessern, wird sich der Personalmangel weiter verschärfen.
Motiv: Helfen wollen
Angesichts der schlechten Arbeitsbedingungen verwundert es kaum, dass für die Mehrheit der PflegerInnen idealistische Ziele bei der Berufswahl eine Rolle spielen. So geben in einer Studie des Forschungsinstituts abif zwei Drittel als Hauptmotiv für die Berufwahl an, "anderen helfen zu wollen".

Für über 90 Prozent steht der Sinnaspekt der Arbeit im Vordergrund. Doch gerade ihr persönliches Engagement macht die PflegerInnen für Burnout besonders anfällig.
->   Die Studie (pdf-Datei)
Praxisschock: Viertel beendet Ausbildung nicht
Denn schon beim Berufseinstieg folgt der "Praxisschock". Mit Leid und Tod konfrontiert wirft ein Viertel der PflegeschülerInnen das Handtuch und beendet ihre Ausbildung nicht. Vielfach wird daher eine Altersanhebung für die an einer Pflegeausbildung Interessierten gefordert. So wird heuer erstmals ein Bachelor-Studium "Gesundheits- und Krankenpflege" mit entsprechender Berufsberechtigung am Campus Wien angeboten.

Ob die dort Graduierten sich jedoch für die Arbeit mit den Pflegebedürftigen interessieren und sich nicht viel mehr zu Höherem (sprich: Management-Tätigkeiten) berufen fühlen, bleibt abzuwarten. Zwar erwartet man sich von einer Akademisierung der Pflege eine Aufwertung des Berufs, an den vielfach prekären Arbeitsbedingungen ändert dies jedoch nichts.
->   Bachelor-Studium "Gesundheits- und Krankenpflege"
Pflege ist weiblich
Rund zu ein Fünftel der in der abif-Studie befragten Pflegekräfte will den Aufstieg in eine höhere berufliche Position schaffen. In der Realität gelingt das vor allem Männern. Neun von zehn PflegerInnen sind Frauen. Also bekommen insbesondere Frauen mit Kinderbetreuungspflichten die Doppelbelastung in besonderem Maße zu spüren.

So sollten Teilzeitangebote den Wiedereinstieg trotz eingeschränkter Zeitflexibilität erleichtern. Doch macht das derzeitige Besoldungssystem, das eine Bezahlung nur mit Nacht- und Wochenenddienstzuschlägen einigermaßen attraktiv macht, Teilzeit auf Dauer kaum möglich.
Belastungen für Ältere besonders hart
Da Jüngere immer seltener den Pflegeberuf ergreifen wollen, steigt der Anteil der Älteren im Pflegepersonal. Im Krankenhaus Hietzing ist die Hälfte der Belegschaft bereits älter als 45 Jahre.

Da die physische Belastbarkeit im Alter nachlässt, sind insbesondere ergonomische Hebehilfen und eine Berücksichtigung des Alters bei der Organisation der Nachtdienste, die Ältere schwerer als Jüngere verkraften, vonnöten.
Lösungen: Burnout- und Stressprävention
Um die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten und die Fluktuation zu reduzieren, setzen die Arbeitgeber neben der Förderung des individuellen Gesundheitsverhaltens insbesondere auf die Schaffung von Räumen für Kommunikation und Austausch der Beschäftigten, auf gesundheitsförderliches Führungsverhalten sowie Burnout- und Stressprävention.

Im Wiener Seniorenwohnheim Neumargareten gibt es zum Beispiel einen "Methusalem-Raum" mit Liegemöglichkeit, in den sich Beschäftige zurückziehen können, wenn es ihnen nicht gut geht und sich entspannen wollen.
Ausbildungsförderungen
Mehr diplomierte PflegerInnen könnten durch gezielte Ausbildungsförderungen für bereits als PflegehelferInnen Tätige bzw. für die Pflegehilfeausbildung rekrutiert werden.

In beiden Fällen müssen Interessierte (trotz inkludierter öffentlicher Förderung) immer noch mit Kosten von ca. 4.000 Euro rechnen - ein Betrag, den in der Krankenpflege Tätige oft nicht aufbringen können.

Vor allem aber müssen die prekären Beschäftigungsbedingungen schleunigst beseitigt werden, will man Pflegenotstand in den Griff kriegen. Den Pflegenden zuliebe - und den zu Pflegenden.

[25.6.08]
->   Tagung: "Gesund pflegen und gesund bleiben!"
 
 
 
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