Host-Info
Karin Steiner
Forschungsinstitut abif (Analyse Beratung und interdisziplinäre Forschung)
 
ORF ON Science :  Karin Steiner :  Wissen und Bildung 
 
Weiche Wissenschaften - harte Landung?
Der Berufseinstieg von Geistes- und Sozialwissenschaftlern
 
  Die Zeiten, in denen auf den Studienabschluss der auf Lebenszeit sichere Beamtenjob folgte, sind längst vorbei. Viele Jungakademiker erwartet erst einmal prekäre Beschäftigung und schlechte Bezahlung. Es bläst der raue Wind magerer Förderungen in der Forschung, im Sozial- und Weiterbildungswesen, in der Kreativwirtschaft und im Kulturbetrieb.  
Viele frischgebackene Magister und Magistras haben sich jahrelang vor allem aufs Studieren konzentriert, um nach der Sponsion ernüchtert zu erwachen. Was jetzt zählen würde, sind Kontakte und praktische Erfahrung im gewünschten Tätigkeitsbereich und damit auch Kenntnisse von den Usancen und Anforderungen dieser Branche. Doch darüber verfügen die wenigsten, da auf der Uni nur die Standards für den Studienabschluss, nicht aber für einen erfolgreichen Eintritt ins Berufsleben vermittelt werden.
Bis zu einem Drittel atypisch beschäftigt
Zahlreiche Jungakademiker erhalten lediglich einen (zeitlich befristeten) Werkvertrag, einen freien Dienstvertrag, eine geringfügige oder Teilzeitanstellung. Je nach Fach ist der Anteil der atypisch Beschäftigten aber sehr unterschiedlich, wie eine aktuelle Studie zeigt. Zwischen 20 und 30 Prozent sind es bei den Geistes- und Sozialwissenschaftlern.

In den typischen Karrierestudienrichtungen BWL und Jus arbeiten hingegen nur unter zehn Prozent atypisch. Bei den Informatikern sind es mit 16 Prozent mehr, da Programmierer traditionell selbstständig und als Leiharbeitskräfte über EDV-Personalleasingfirmen tätig sind.
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Vortrag in Wien
Im Rahmen der FORBA-Fachgespräche zur Arbeitsforschung findet am 18.11.2008 ab 16.30 Uhr ein Vortrag zum Thema "Blitzstart oder Warteschleife? Die ersten Berufsjahre von Universitätsabsolventen" von Brigitte Mosberger (abif) und Ingrid Putz (SORA) statt.
->   Details zum Vortrag (.pdf)
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Schlechte Bezahlung keine Seltenheit
Auch bei der Bezahlung fragen sich viele Geistes- und Sozialwissenschaftler, ob sich das Studium gelohnt hat. So verdienen 14 Prozent in den ersten Berufsjahren weniger als 1.000 Euro netto pro Monat. Bei Betriebswirten, Juristen und Informatikern verdienen lediglich zwischen drei bis sieben Prozent so wenig.

Höhere Gehälter beziehen die "weichen Wissenschaftler" in den ersten Berufsjahren weit seltener als die Absolventen klassischer Karrierefächer wie BWL, Informatik und Jus. So erhält nur rund jeder zehnte ein Gehalt von 2.500 Euro netto pro Monat. Bei den Juristen und Informatikern ist es jeder fünfte, bei den Betriebswirten sogar jeder vierte.
Hoher Anteil an fachfremden Tätigkeiten
Dass Geistes- und Sozialwissenschaftler Probleme haben, in ihren Berufsfeld Fuß zu fassen, schlägt sich auch beim Anteil der facheinschlägig Beschäftigten nieder. So ist etwa nur die Hälfte der Dolmetscher, drei Viertel der Psychologen, der Publizisten und der Historiker in ihren Beruf beschäftigt.

Von den Betriebswirten ist nahezu jede/r facheinschlägig beschäftigt, ebenso unter den Informatikern. Gerade einmal unter den Juristen sind es nur 87 Prozent, was vor allem auf den Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst zurückzuführen sein dürfte.
->   AbsolventInnenstudie 2007
->   AbsolventInnenstudie 2008
Schlecht informiert drauf los studiert
Die Krise der Akademikerbeschäftigung ist in Wirklichkeit eine Krise der mangelnden Berufsorientierung vor Beginn des Studiums. Dies betrifft insbesondere Frauen, die selbst in der 8. Schulstufe der AHS noch sehr diffuse Berufswünsche haben. Bis heute gibt es in den AHS kaum eine Berufsberatung.

Und auch nach der Matura müssen sich die jungen Menschen häufig alleine durch einen kaum zu überblickenden Wust an Berufsinformation "wurschteln". So studieren viele einfach etwas, das sie interessiert, ohne dabei zu bedenken, welcher Arbeitsmarkt sie nach dem Studienabschluss erwartet.

Seit den Siebzigerjahren studieren immer mehr Frauen. Nur liegt der Anstieg einseitig bei genau den Fächern, die wenig Erfolg am Arbeitsmarkt versprechen. Auch werden auf der Uni wenige berufspraktische Fähigkeiten, wenig Wissen über den Arbeitsmarkt und kaum Strategien für die Jobsuche vermittelt. Ganz zu schweigen von der Scheu der Jungabsolventen das Risiko einer beruflichen Selbstständigkeit (freiwillig) einzugehen.
Auswege aus der Akademikerkrise
Mit folgenden Maßnahmen sollte dieser Schieflage gegengesteuert werden: In den AHS muss die Berufsorientierung deutlich ausgebaut werden. Die Unis müssen endlich die Fiktion aufgeben, ausschließlich Wissenschaftler auszubilden und ihre Absolventen entschieden besser auf den Berufseinstieg vorbereiten.

Und schließlich gilt es, Berufe in der Technik vor allem für Frauen attraktiver zu machen. Dadurch würde der dringende Bedarf etwa an Ingenieuren gedeckt und die Akademikerschwemme in den Geistes- und Sozialwissenschaften reduziert.

[17.11.08]
->   Tagung zum Thema am 28.9.2008
->   Alle Beiträge von Karin Steiner in science.ORF.at
 
 
 
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