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Helge Torgersen
Institut für Technikfolgen - Abschätzung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
 
ORF ON Science :  Helge Torgersen :  Technologie .  Wissen und Bildung 
 
Umfrage: Europäer und Biotechnologie 2005
von Wolfgang Wagner und Nicole Kronberger, Universität Linz und Helge Torgersen, ITA
 
  Europäer stehen technologischen Entwicklungen zunehmend optimistisch gegenüber und sind immer besser über Biotechnologie informiert. Gentechnisch veränderte Nahrungsmittel werden in vielen Ländern und insbesondere in Österreich aber weiter abgelehnt - hier zu Lande wird auch für mehr Mitbestimmung der Öffentlichkeit bei diesen Zukunftsfragen plädiert als im EU-Schnitt. Das sind einige der Resultate einer repräsentativen Umfrage in der Europäischen Union.  
Aufgeschlossen gegenüber Risiken ist man vor allem dann, wenn technologische Neuerungen einen Nutzen für viele versprechen.

Medizinische Anwendungen und industrielle Produkte der Biotechnologie werden weitgehend befürwortet. Auch embryonale Stammzellforschung wird bejaht, wenn sie streng geregelt wird.
Für mehr Mitbestimmung
Sollen bei Entscheidungen über Biotechnologie eher wissenschaftliche Beweise oder moralisch/ethische Kriterien maßgebend sein? Und sollen Entscheidungen eher von Experten oder von der Öffentlichkeit getroffen werden?

Im europäischen Schnitt befürworten knapp 60 Prozent eine Entscheidung nach wissenschaftlichen Kriterien und die Abtretung an Experten. In Österreich kann sich hierfür nur ein gutes Drittel (36 Prozent) erwärmen, während nicht viel weniger (31 Prozent) Entscheidungen nach moralisch-ethische Kriterien und die Öffentlichkeit als Entscheidungsträger bevorzugen.

Die Delegation an Experten, die nach moralischen Kriterien entscheiden, findet bei fast einem Viertel der Österreicher (24 Prozent) Anklang.
Wenig Vertrauen in Gen-Datenbanken
Europäer befürworten - eingeschränkt - die Nutzung genetischer Daten für die persönliche medizinische Diagnose. Zugang für Behörden und Versicherungen gilt hingegen als inakzeptabel.

58 Prozent würden ihre Daten auch in einer Datenbank der Forschung zur Verfügung stellen. Dabei gibt es starke Länderdifferenzen: In Skandinavien und den Niederlanden wären dazu 70 Prozent bereit, in Deutschland oder Griechenland nur um die 40 Prozent. Österreich liegt mit 37 Prozent an letzter Stelle.
Mehrheit für embryonale Stammzellforschung
Zwischen embryonalen (59 Prozent Zustimmung) und nichtembryonalen Quellen (65 Prozent) wird bei der Stammzellforschung recht wenig unterschieden. Die größte Unterstützung findet sich in Belgien, Schweden, Dänemark, Holland und Italien; die niedrigste in den baltischen Staaten, Slowenien, Malta, Irland und Portugal, wobei in letzteren ca. ein Drittel mit "Weiß nicht" antworten.

Österreich befindet sich im Drittel der eher kritischen Länder. Stammzellenforschung wird auch von denjenigen mehrheitlich befürwortet, die den Embryo von der Empfängnis an als menschliches Wesen ansehen. Allerdings wünschen sich die Meisten auch, dass diese Forschung streng kontrolliert wird.

Im Allgemeinen gilt aber der medizinische Nutzen mehr als moralische oder religiöse Bedenken. Dementsprechend interessieren sich die Meisten auch eher für Nutzen- und Risikofragen als für wissenschaftliche Details.
Biotech-Optimismus "erholt sich"
Seit 1991 ist die europäische Öffentlichkeit gleich bleibend optimistisch in Bezug auf neue Technologien wie Computer- und Informationstechnologie sowie Solarenergie.

Der Optimismus bezüglich Biotechnologie hingegen fiel von 1991 bis 1999 stark und erreicht 2005 erst wieder den Wert von 1991. Junge Leute sind im Schnitt genauso optimistisch wie der Schnitt der Bevölkerung, lediglich die über 65-Jährigen sind kritischer.

Pharmakogenetik, Gentherapie und Nanotechnologie finden im Allgemeinen Unterstützung und werden als nutzbringend und moralisch akzeptabel angesehen. Weder Nanotechnologie noch Pharmakogenetik werden für riskant gehalten. Gentherapie erscheint riskanter, wird aber wegen ihres potentiellen Nutzens akzeptiert.
Zustimmung zu "weißer" Biotechnologie
Biotechnologie zur Herstellung von Treibstoff, Plastik sowie "Biopharming" (Gewinnung von Pharmazeutika aus gentechnisch veränderten Pflanzen) wird von einer Mehrheit in Europa befürwortet und sollte nach der Meinung von 70 Prozent der Befragten gefördert werden.

Von der Politik wird erwartet, dass sie insbesondere Biopharming streng reguliert. Im Gegensatz zu allen anderen EU-Staaten ist in Österreich eine Mehrheit der Befragten gegen Biopharming.
Gentech-Nahrung wird abgelehnt
Im europäischen Schnitt lehnen 58 Prozent derjenigen mit einer dezidierten Meinung gentechnisch veränderter Nahrungsmittel ab - sie halten sie für nicht nützlich, moralisch inakzeptabel und riskant. Nur in Spanien, Portugal, Irland, Italien, Malta, Tschechien und Litauen gibt es mehr Befürworter als Gegner.

Gründe, weshalb man solche Nahrungsmittel doch kaufen würde, sind vor allem mögliche Gesundheits- oder Umweltvorteile oder die Vermeidung von Spritzmitteln. Der Preis oder die Zulassung durch die Behörden spielen kaum eine Rolle.

Innerhalb der EU gibt es große Unterscheide in der Zahl derjenigen, die solche Produkte unter keinen Umständen kaufen würden (fünf Prozent bis 55 Prozent). Österreich ist hier Spitzenreiter neben Griechenland, Ungarn, Deutschland und Lettland.
Wissensstand steigt
Der Wissensstand ist im Schnitt gestiegen; wichtiger erscheint aber die Bereitschaft, sich zu informieren. Eine Mehrheit in Europa ist an Themen aus Wissenschaft und Technik interessiert, über 70 Prozent sind bereit, Sendungen über Biotechnologie anzuschauen oder Artikel zu lesen, ein Drittel würde zu Info-Veranstaltungen gehen.

Anhand des Informationsverhaltens lassen sich "Aktive" (zehn Prozent), die über solche Themen gesprochen haben, im Internet recherchieren und schon bei Veranstaltungen waren, und "Aufmerksame" (15 Prozent) unterscheiden. Die Mehrheit bilden "Zuschauer" (35 Prozent) und "Gleichgültige" (40 Prozent).
Neue Mitgliedsstaaten etwas techno-optimistischer
Die Umfrage erfasst erstmals alle 25 EU-Mitgliedsstaaten. Die Erwartung, dass es bei den "Neuen" Gemeinsamkeiten in der Einschätzung der Biotechnologie gibt, bestätigt sich nicht, die Unterschiede innerhalb dieser Gruppe sind so groß wie die zwischen den "alten" Mitgliedern.

Im Schnitt besteht ein aber etwas größerer allgemeiner Technologie-Optimismus und es gibt weniger Unterschiede zwischen "grüner" und "roter" Biotechnologie.

[22.6.06]
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Der Text fasst einen Bericht einer internationalen Arbeitsgruppe an die Europäische Kommission, DG Forschung, zusammen. ("Eurobarometer 64.3"). Die sechste Repräsentativumfrage zur Biotechnologie seit 1991 in der EU stand unter der Leitung von G. Gaskell, London School of Economics, und wurde unter Mitarbeit der Abteilung Sozial- und Wirtschaftspsychologie der Universität Linz (N. Kronberger, W. Wagner) und des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (H. Torgersen) gemacht.
->   Eurobarometer 64.3 (pdf-Datei)
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->   Presseaussendung des ITA (inkl. Grafiken)
->   Institut für Technikfolgen-Abschätzung
->   Abt. f. Sozial- und Wirtschaftspsychologie, Uni Linz
->   LSE/BIOS
 
 
 
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