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Helge Torgersen
Institut für Technikfolgen - Abschätzung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
 
ORF ON Science :  Helge Torgersen :  Wissen und Bildung .  Technologie 
 
Cyber-Kooperation in der Wissenschaft
von Michael Nentwich, ITA
 
  Das Internet erleichtert und fördert wissenschaftliche Zusammenarbeit und das nicht nur auf Distanz. Dieser Kurzbericht aus einem laufenden Forschungsprojekt des ITA erläutert warum und gibt einige Beispiele.  
Drei Eigenschaften der neuen Kommunikationsmöglichkeiten im Internet dürften der Grund dafür sein, weshalb die Forschenden immer öfter im Cyberspace kooperieren: Schnelligkeit, Asynchronität und verteilte Zugriffsmöglichkeiten.
Schnelligkeit
Während der traditionelle Brief zumeist tagelang unterwegs war und sogar das Fax aus organisatorischen Gründen nicht sofort den Empfänger erreicht, ermöglicht es die elektronische Post (E-mail), die Kommunikationspartner innerhalb von Sekunden direkt zu erreichen.

Dazu kommt noch, dass man über E-mail auch beinahe unbegrenzte Text-, Bild- und Datenmengen in bester Originalqualität als Beilage versenden kann, während man bei langen Faxen oft auch auf technische Hürden stieß.
Asynchronität
Noch wichtiger als die Raschheit des Mediums ist aber eine Eigenschaft, die man als Asynchronität bezeichnet: Während man beim Telefonieren gleichzeitig (an verschiedenen Orten) kommunizieren muss (synchrone Kommunikation), ist dies bei E-mail nicht notwendig.

Die elektronische Post kann auch im Briefkasten warten, die Kommunikation wird den Bedürfnissen der beiden Partner entsprechend unterbrochen und wieder aufgenommen. Damit entwickelte sich E-mail zu einer Zwischenform zwischen Telefon und Brief: ähnlich rasch, aber asynchron.

Nun werden etwa Formen wissenschaftlicher Kooperation denkbar, bei denen es zu einer über Zeitzonen aufgeteilten Projektarbeit kommt - "the project that never sleeps": Während das eine Team Freizeit hat, arbeitet das nächste daran weiter und übergibt das Projekt nach einigen Stunden wieder...
Synergien
Neben der direkten Kommunikation über E-mail erleichtert das Internet, insbesondere das World Wide Web aber auch die indirekte Kommunikation zwischen den Kooperationspartnern.

So ist es heute einfach, allen MitarbeiterInnen dieselben Ressourcen (Daten, Texte, Archive) zur Verfügung zu stellen, auch wenn diese verteilt lagern.

Über WWW-Plattformen und so genannte Groupware-Anwendungen kann auch auf dezentrale Ressourcen anderer Teilteams zugegriffen werden. Dadurch können Synergieeffekte entstehen, die ohne Vernetzung kaum zu erzielen wären.
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Auch lokale Kooperationen profitieren
Diese Eigenschaften bieten übrigens auch Vorteile für lokale Forschungsteams: Asynchronität bedeutet, dass der eigene Arbeitsfluss nicht durch Telefonate unterbrochen wird und dass unterschiedliche Gewohnheiten hinsichtlich der Arbeitszeit der Projektmitarbeiter leichter berücksichtigt werden können.

Auch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen über (lokale) Netzwerkcomputer ist in der Regel für die (lokale) Gruppe effizient.
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Projektbesprechungen im Cyberspace?
Noch wenig durchgesetzt haben sich bislang in der Wissenschaft elektronische Konferenzen, bei denen während Projektbesprechungen etwa auch Videobilder der beteiligten ForscherInnen ausgetauscht werden.

Bislang treffen sich die WissenschafterInnen noch lieber persönlich. Dies insbesondere dann, wenn es Heikles zu besprechen gibt, und oft auch in der Startphase eines Projekts, wenn es gilt, die nötige Vertrauensbasis für die Zusammenarbeit aufzubauen.
Zunahme von Kooperation
Fast alle im Rahmen des ITA-Projekts "Cyber-Wissenschaft" interviewten WissenschafterInnen gaben zu Protokoll, dass wissenschaftliche Zusammenarbeit in den letzten Jahren zugenommen hat.

So heißt es oft, dass einzelne Projekte (z. B. Buchprojekte) kaum in Angriff genommen worden wären, wäre die Koordination der Mitarbeitenden via Internet nicht so viel einfacher als früher. Viele sprechen auch von einer Intensivierung der Distanzkooperationen durch die neuen Möglichkeiten der Cyber-Kooperation.
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Internationalere Wissenschaft
Wissenschaft dürfte auch internationaler geworden sein, da es leichter ist Kooperationspartner weltweit zu finden und zu kontaktieren. Ebenso ist in fast allen Bereichen ein deutlicher Trend zu wissenschaftlichen Arbeiten mit mehreren AutorInnen zu verzeichnen.
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Andere Gründe ...
Es soll freilich nicht übersehen werden, dass es dafür noch andere Gründe gibt. Etwa die Gestaltung der Förderbedingungen der wichtigen Geldgeber (z.B. der EU-Kommission), die Kooperationen über Grenzen hinweg einfordern.

Aber auch der vielfach zu spürende Publikationsdruck wird seinen Teil dazu beitragen, dass Forschende mit anderen kooperieren, um damit ihren Output zu erhöhen. Nichtsdestotrotz dürfte das Internet eine entscheidende Rolle bei der Ermöglichung und Verstärkung dieser Entwicklungen spielen.
Drei innovative Beispiele für wissenschaftliche Cyber-Kooperation
Während E-mail-Zusammenarbeit für die allermeisten WissenschafterInnen mittlerweile fast schon zum täglichen Brot gehört, gibt es einige besonders innovative Beispiele, die möglicherweise richtungsweisend auch für andere Bereiche der Wissenschaft sein könnten.
OpenTheory
Dieses ursprünglich deutsche Projekt versucht, die gemeinsame (sozial)wissenschaftliche Textproduktion zu erleichtern. Hier werden nicht Texte als Anhänge zu E-mails ausgetauscht und überarbeitet. Die AutorInnen geben ihre Texte (Ergänzungen, Ausbesserungen) direkt in ein Formular im WWW ein.
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Details der OpenTheory
Langsam wächst der gemeinsame Text auf einem zentralen Server. Hin und wieder wird der Text vom Leiter des Projekts (Moderator) konsolidiert, also in eine neue Version gegossen, die tunlichst alle bisherigen Anmerkungen, Ausbesserungen und Ergänzungen berücksichtigt.

Die neue Version wird dann wieder weiterdiskutiert und ergänzt, neuerlich konsolidiert usw., bis sich die AutorInnen einig sind, dass der Text nun vollendet ist.
->   www.opentheory.org
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Cyber-Papyrologie
In einem Fachgebiet, wo man als Laie zunächst nicht unbedingt damit rechnen würde, intensiver Internetnutzung zu begegnen, wird man rasch eines besseren belehrt: Die PapyrologInnen sind weltweit in einem dichten Kooperationsnetz verbunden, in dem insbesondere der online-Zugriff auf verteilte Archive eine Rolle spielt.

So sind praktisch alle Papyrus-Archive mit ihren Texteditionen im WWW erreichbar. Ein ausgeklügelter Suchmechanismus ermöglicht es den Forschenden, im Volltext aller Archive weltweit gleichzeitig zu suchen, was die mühsame Kleinarbeit in den früheren nicht-elektronischen Archiven zwar nicht vollständig ersetzt, aber doch erheblich reduziert und erleichtert.
->   Advanced Papyrological Information System (APIS)
Cyber-Kulturwissenschaften
Ein letztes Beispiel sei aus dem Bereich der Kulturwissenschaften angeführt, nämlich das virtuelle Forschungsinstitut oder, in der Selbstbeschreibung, online-Institut INST, das Institut zur Erforschung und Förderung österreichischer und internationaler Literaturprozesse.

Die Postadresse in Wien bezeichnet wenig mehr als den Computer des Direktors und den einer ständigen Mitarbeiterin. Der eigentliche Ort, an dem das INST gefunden werden kann, ist das Internet.

Auf der Webseite werden Ressourcen für eine weltweite Gemeinschaft von KulturwissenschafterInnen angeboten: eine online-Zeitschrift, Datenbanken, einschlägige Linklisten und die Informationen zu den gerade in Planung befindlichen internationalen Konferenzen an unterschiedlichen (nicht-virtuellen) Orten.
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Website als Austauschzentrum für Projekte
Die Webseite dient als Austauschzentrum für Projekte, als Ideenbörse und Kommunikationsplattform der PartnerInnen genannten Forschenden, die hier mehr oder weniger intensiv kooperieren.
->   INST-Homepage
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Diese und viele andere innovative Beispiele der Cyber-Kooperation finden Sie auch in der Rubrik "Thematic Examples" der interaktiven Linksammlung zum Thema Cyber-Wissenschaft unter:
->   Cyberlinks
 
 
 
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