Host-Info
Helge Torgersen
Institut für Technikfolgen - Abschätzung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
 
ORF ON Science :  Helge Torgersen :  Medizin und Gesundheit 
 
Kostendämpfung ohne Qualitätsverlust in der Medizin?  
  Evaluationen sollen die Sinnhaftigkeit der vielen neuen medizinischen Interventionen beurteilen, die in die Krankenhäuser und Arztpraxen drängen. Welche gesundheitspolitischen Auswirkungen hat es, den Nutzen medizinischer Maßnahmen nach wissenschaftlichen Kriterien zu hinterfragen?  
Health Technology Assessment als Steuerungsinstrument
Hintergrund solcher Evaluationen ist einerseits der zunehmende Kostendruck, dem die staatliche Gesundheitsversorgung ausgesetzt ist, andererseits das Bestreben, die Leistungskataloge der Krankenversicherungen ohne Qualitätsverlust zu straffen. Ein Instrument für solche Untersuchungen ist das Health Technology Assessment (HTA).

Viele Industrieländer, darunter auch EU-Beitrittskandidaten wie Ungarn und Polen geben bereits erhebliche Mittel für HTA als Steuerungsinstrument aus. Andere Länder, die (noch) nicht in HTA investieren, stellen die berechtigte Frage nach dem "Impact", also den realen Auswirkungen von solchen Evaluationen auf die Gesundheitsversorgung.
Zwei neue Studien
Die Frage nach dem Impact bekommt nun durch zwei neue empirische Untersuchungen eine auf Fakten begründete Antwort: HTA zeigt erhebliche Wirkung -- allerdings nur unter der Bedingung, dass es als Steuerungsinstrument von der Gesundheitspolitik auch ernst genommen wird.

Während die eine Studie auf einer Erhebung nach Ländern beruht, arbeitet die andere die Rahmenbedingungen für einen möglichen Impact von HTA systematisch und analytisch auf. In ihren Aussagen ergänzen sie einander.
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Vergleiche nach Ländern und Regulierungsebenen
Die Ländererhebung (INAHTA-Newsletter 2001:4) zählt tabellarisch auf, welche konkreten Untersuchungen in welchen Ländern welche Auswirkungen hatten. Dabei werden die Unterschiede zwischen den jeweiligen Gesundheitssystemen berücksichtigt.

Die andere (Gerhardus 2002, in Review) analysiert den Bedarf nach Wissen aus HTA-Evaluationen in den unterschiedlichen Ebenen der gesundheitspolitischen Regulierung, etwa der Zulassung bzw. dem Marktzutritt, der Aufnahme in den Leistungskatalog und der Gestaltung der Kriterien, nach denen eine medizinische Intervention angewandt wird. Diesem Bedarf wird die tatsächliche Verwendung von HTA für gesundheitspolitische Entscheidungen gegenübergestellt.
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Politikinstrumente haben große Bedeutung
Die Ergebnisse zeigen, dass Evaluationen dort "Impact" haben, wo sie nicht nur von den Entscheidungträgern als Unterstützung für ihre gesundheitspolitische Entscheidungen ernst genommen werden, sondern wo auch entsprechende politische Instrumente für die Umsetzung zur Verfügung stehen.
Gute Voraussetzungen in Österreich
Länder mit staatlicher Sozialversicherung wie Österreich haben also optimale Voraussetzungen für einen großen "return of investment" für die Kosten derartiger Evaluationen.

Immerhin gibt es hier seit langem schon Instrumente zur Umsetzung, wie etwa Leistungsverzeichnisse und Tarife im extramuralen Bereich (d.h. für die niedergelassenen Ärzte) und fallbezogene Abgeltungen im intramuralen Sektor (d.h. in den Krankenhäusern).
Modelle Schweiz und die Niederlande
Interessant für Österreich sind aber auch jene Länder, in denen völlig neue Politikinstrumente entwickelt werden. Das bedeutet, dass das Steuerungsinstrument Evaluation nicht nur als Mittel zur Abwehr von immer neuen Anforderungen an die Kassen verstanden wird, neuartige Behandlungen zu bezahlen.
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Zwei Beispiele
Das Schweizer Evaluationsregister und Bewertungshandbuch sieht eine beschränkte Anwendung neuartiger Interventionen vor und ermöglicht es damit, unter realen, aber kontrollierten Bedingungen und unter Einbindung der Anwender (nämlich der Ärzte) praktisches Wissen über neue medizinische Interventionen zu gewinnen.

Das Forschungsbudget der Niederländischen Sozialversicherungen ermöglicht Studien aus der Perspektive sowohl der Patienten wie auch der Kostenträger (das heißt der Kassen). Das ermöglicht einen Vergleich von realen Alternativen und eine Bewertung von Ergebnissen anhand von innovativen Kriterien wie "Quality of Life", Alltagsfunktionalität etc.
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Rolle in Österreich?
Angesichts der nicht ungünstigen Rahmenbedingungen für Evaluationen einerseits und des ökonomischen Drucks, dem auch das österreichische Gesundheitssystem andererseits ausgesetzt ist, werden derartige Modelle in der künftigen österreichischen Diskussion gewiss eine Rolle spielen.
INAHTA
HTA makes a difference: Impact on Policy and Practice. (unter publications/newsletter/2001:4)
->   INAHTA
Gerhardus
Gerhardus, Ansgar: Der Einfluss von HTA-Berichten auf die gesund-heitspolitische Entscheidungsfindung - eine systematische Übersichtsarbeit. 2002, in Review.
 
 
 
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