Host-Info
Helge Torgersen
Institut für Technikfolgen - Abschätzung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
 
ORF ON Science :  Helge Torgersen :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung .  Leben .  Technologie 
 
Europaweite Umfrage zur Biotechnologie
Wolfgang Wagner und Nicole Kronberger, Universität Linz
Helge Torgersen, ITA
 
  Kommt es zu einer Trendwende in der Haltung der Europäer zur Biotechnologie? Die jüngsten europaweiten Umfragedaten zeigen einen leichten Hoffnungsschimmer für die Befürworter der Technik. Allerdings bleibt die Skepsis gegenüber Gentechnik in der Landwirtschaft.  
Österreicher weiter skeptischer als EU-Durchschnitt

Abbildung 1: Anteil von Personen, die technische Entwicklungen als Verbesserungen des Lebens ansehen
Einige der Ergebnisse aus der jüngsten repräsentativen Eurobarometer-Untersuchung im Auftrag der Europäischen Kommission Ende 2002 in allen Ländern der EU zeigen, dass der negative Trend in der öffentlichen Meinung zur Gentechnik zumindest gestoppt zu sein scheint: Nachdem 1999 die Erwartungen deutlich niedriger lagen als in der vorherigen Umfrage im Jahre 1996, glauben 2002 wieder mehr Befragte, dass Biotechnologie und Gentechnik das Leben verbessern werden.

Die Österreicher sind allerdings, obwohl etwas positiver eingestellt als 1999, im Jahre 2002 immer noch deutlich weniger angetan von Biotechnologie und Gentechnik als der Durchschnitt der Europäer. Bemerkenswerterweise hat gleichzeitig der generelle Optimismus in Bezug auf andere neue Technologien (Mobiltelefone, Internet, Computer, Raumfahrt etc.) überall leicht abgenommen (Abb.1).
Rote Gentechnik hui, grüne Gentechnik pfui
Bei der Beurteilung der Biotechnologie und Gentechnik wird aber, ebenso wie 1999, zwischen medizinischen und landwirtschaftlichen Anwendungen deutlich unterschieden: Gentechnisch veränderte Lebensmittel finden nach wie vor keine Mehrheit an Befürwortern, während medizinische Anwendungen, auch das Klonen menschlicher Zellen, großteils gut geheißen werden.
Nutzen von Gentech-Nahrung und Klonen bezweifelt

Abbildung 2: Vergleich EU-Österreich 2002
Fragt man eine repräsentative Stichprobe, ob etwas nützlich, riskant oder moralisch akzeptabel ist und unterstützt werden sollte, findet man sehr unterschiedliche Antwortmuster für landwirtschaftliche und medizinische Anwendungen der Biotechnologie und Gentechnik.

Insbesondere bei gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln wird der Nutzen in Österreich geringer eingeschätzt als im EU-Durchschnitt und die Unterstützung ist entsprechend niedriger, obwohl die Risikowahrnehmung nicht höher ist.

Auch der Nutzen beim Klonen menschlicher Zellen wird anderswo offenbar höher eingeschätzt als in Österreich, ebenso die moralische Vertretbarkeit (Abb.2).
Weniger Risikobewusstsein bei Nahrungsmittel und Nutzpflanzen
Dennoch gibt es in Österreich Unterschiede zu 1999: Das Risikobewusstsein in Bezug auf Nahrungsmittel und Nutzpflanzen hat abgenommen und der Nutzen und die moralische Akzeptabilität werden höher eingeschätzt.

Die Einstellungen zu genetischen Tests und zum Klonen, Anwendungen, die ja auch als nicht ganz unumstritten gelten, haben sich dem gegenüber kaum geändert (Abb.3).

 


Abbildung 3: die Mittellinie gibt eine neutrale Einstellung an, Werte darüber bedeuten Zustimmung, darunter Ablehnung.
Kein Anstieg von "Bio-Wissen"
Wodurch wird diese etwas positivere Einstellung hervorgerufen? Mehr Wissen, wie vor allem Naturwissenschaftler gerne vermuten, kann es nicht sein - die Werte für den "Biotech-Quiz", der in der Umfrage enthalten war und in dem grundlegendes biologisches Wissen überprüft wurde, veränderten sich gegenüber früher kaum.
"Industrie macht gute Arbeit"
Fragt man allerdings, ob verschiedene Institutionen, die etwas mit Biotechnologie oder Gentechnik zu tun haben, gute Arbeit für die Gesellschaft auf ihrem Gebiet geleistet haben, ergibt sich in ganz Europa ein deutlicher Zugewinn für die Industrie.

Dieser ist in Österreich besonders groß, wohingegen alle anderen Institutionen (auch Konsumenten- und Umweltorganisationen) eine deutliche Einbuße hinnehmen mussten (Abb. 4).

 


Abbildung 4: Anteil der Personen, die meinen, dass diese Institutionen gute Arbeit in Bezug auf Biotechnologie leisten.
Veränderte Akzeptanz
Eine Erklärung findet dieses Phänomen möglicherweise im Akzeptanz-Unterschied zwischen medizinischen und landwirtschaftlichen Anwendungen: Heute stehen in erster Linie Pharmafirmen im Zentrum der Aufmerksamkeit, während sich 1999 eher Saatgutkonzerne in der Schusslinie befanden.

Offenbar ist der Unterschied zwischen Biotechnologie/Gentechnik in der Medizin und in der Landwirtschaft für die Akzeptanzfrage entscheidend. Wie sieht daher die Haltung gegenüber gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln im Detail und im Vergleich zwischen Österreich und dem EU-Durchschnitt aus?
Argumente gegen Gentech: Keine Wahlfreiheit ...
Fragt man genauer, entsteht ein Bild, das in Österreich einen mangelnden Nutzen für den Konsumenten und eine etwas geringere Zuversicht zeigt, dass Wahlfreiheit gewährleistet ist; hingegen schätzen die Österreicher die Rolle der Biotechnologie im Kampf gegen den Welthunger etwas größer ein.
... Bedrohung "natürlicher Ordnung"
Andererseits werden offenbar bestehende Regelungen als nicht ausreichend angesehen, ebenso wenig die Sicherheit für den Konsumenten - obwohl Gesundheit und Umwelt den Österreichern weniger gefährdet scheinen als anderen Europäern.

Am deutlichsten wird allerdings sowohl in Österreich als auch anderswo in der EU, dass gentechnisch veränderte Nahrungsmittel eine Bedrohung für künftige Generationen darstellen und vor allem der natürlichen Ordnung widersprechen (Abb. 5).

 


Abbildung 5: Einschätzung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln
Risikoabschätzungen ändern Akzeptanz nur wenig
Damit ist aber auch klar, dass auch noch so genaue wissenschaftliche Risikoabschätzungen wenig an der Akzeptanz werden ändern können. Vorstellungen von der Natur und von dem, was langfristig als natürlich gelten soll, lassen sich mit molekularbiologischen Methoden nun einmal schwer beeinflussen.
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Die Studie im Internet
Weitere Details und eine Auswertung der gesamten Umfrage ist auf der Website der Europäischen Kommission unter http://europa.eu.int/comm/public_opinion/archives/eb/ebs_177_en.pdf (pdf-Datei) zu finden.
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