Host-Info
Helge Torgersen
Institut für Technikfolgen - Abschätzung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
 
ORF ON Science :  Helge Torgersen :  Medizin und Gesundheit 
 
Diabetologen tagten zu ''Evidenz-basierter Medizin''  
  Nicht nur in der klinischen Diabetologie, der Erforschung der Zuckerkrankheit, sondern in allen medizinischen Fächern ist der jährliche Erkenntniszuwachs enorm."Evidenz-basierte Medizin" diente als Anlass, um eigene Fachgrenzen und Expertenfixierung zu hinterfragen.  
In deutlichem Gegensatz zu herkömmlichen Experten-orientierten Medizinertagungen stand die jüngste internationale Fortbildungsveranstaltung in klinischer Diabetologie (15.-18. März in Loipersdorf/Stmk). Unter dem Titel "Evidenz-basierte Medizin" suchten 150 Diabetologen und anderes klinisches Personal die engen Fachgrenzen durch eine breitere Perspektive und durch Transparenz in der Wissensvermittlung zu überwinden.
Enormer Wissenszuwachs in der Medizin
Entsprechend der Cochrane Collaboration, einer wissenschaftlichen Vereinigung, die weltweit systematisch an Studien zur Überprüfung der tatsächlichen Wirksamkeit medizinischer Interventionen arbeitet, verdoppelt sich das medizinische Wissen etwa alle fünf Jahre. Das im Medizinstudium erlernte Wissen veraltet rasch.
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Evidenz-basierte Medizin als Methode des Wissensmanagements
Expertenwissen ist vor allem durch persönliche Erfahrung und Konsens mit Kollegen geprägt. Die Methode der "Evidenz-basierten Medizin" sucht im Gegensatz dazu ausschließlich in kontrollierten klinischen Studien nach Wirksamkeitsnachweisen für verschiedene Indikationen. Bei einer systematischen Suche bleibt ein Nachweis aber zuweilen aus; die Methode ist so als kritisches Überdenken zu werten, ob wirklich jede medizinische Innovation auch einen Nutzen für den einzelnen Patienten und für die Gesundheitsversorgung im allgemeinen hat. Mit ihrer Hilfe lassen sich aber auch teure medizinische Leistungen rechtfertigen, sofern sie dem Patienten nützen.
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Aufbruchstimmung
Die viertägige Fortbildungsveranstaltung war durch Aufbruchstimmung geprägt. Die Teilnehmer wollten sich selbst in der Vielfalt der Informationen zurechtfinden und nicht alles, was gedruckt und von Experten verkündet wird, für bare Münze nehmen.

Die einführende Plenarveranstaltung hinterfragte systematisch das einschlägige medizinische Wissen und die Art und Weise, wie es zu Stande kommt, z.B. den Einfluss der Finanziers klinischer Studien -- meist der Pharmaindustrie - auf die Studienergebnisse. Außerdem wurden Methoden präsentiert, um den tatsächlichen Nutzen für den Patienten und nicht nur physiologische Messergebnisse zu bewerten.
Abgesichertes Wissen neben Unsicherheit
Ziel der äußerst transparenten Präsentationen war es auch, Wissensmängel und Unsicherheit zu erkennen. So wurde der gesicherte Wissensstand z.B. zur kombinierten Pankreas- und Inselzell-Transplantation oder zu Behandlungsmöglichkeiten des diabetischen Fußes dargestellt.

Daneben konnten die Teilnehmer ihr Erfahrungswissen und Unklarheiten in konkreten Behandlungssituationen in Workshops diskutieren und lernen, mit Methoden der Evidenz-basierten Medizin abgesichertes von nicht abgesichertem Wissen zu unterscheiden.

(CW)
 
 
 
ORF ON Science :  Helge Torgersen :  Medizin und Gesundheit 
 

 
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