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Helge Torgersen
Institut für Technikfolgen - Abschätzung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
 
ORF ON Science :  Helge Torgersen :  Medizin und Gesundheit 
 
BSE-Diagnose am lebenden Tier möglich -- aber nur theoretisch  
  Manfred Eigen, Nobelpreisträger für Chemie, schlägt eine Verbesserung für BSE-Tests vor, die den Nachweis am lebenden Tier ermöglichen würde. Allerdings würde man dazu Rückenmarksflüssigkeit benötigen - in der Praxis fast unmöglich.  
BSE-Tests: Bisher nur am toten Tier
Bisher konnten BSE-Tests nur an Geweben aus toten Tieren durchgeführt werden, die bereits Anzeichen der Krankheit zeigten. Infizierte, aber noch symptomlose Tiere können aber die Erkrankung möglicherweise schon weitergeben. Ein Test am lebenden Tier wäre also dringend nötig. Außerdem könnten so unnötige Notschlachtungen verhindert werden.
Probleme mit der Empfindlichkeit
Bisherige Tests benötigen eine große Zahl an infektiösen Protein-Partikeln (den sog. Prionen) für den Nachweis. Dabei ergeben sich zwei Schwierigkeiten. Einerseits gibt es ein Eiweiß in der Zelle, das in seiner Aminosäurefolge dem Prionenprotein genau entspricht. Die Unterscheidung zwischen der krankmachenden Prionen-Version und der normalen zellulären Version in einer Probe ist nur dadurch möglich, dass zunächst das normale Protein zerlegt wird, und zwar mit einem proteinverdauenden Enzym, das die Prionen-Version nicht angreift. Andererseits ist die Methode der Immunfluoreszenz, mit der das Prionenprotein dann nachzuweisen ist, in ihrer Empfindlichkeit beschränkt.
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Immunfluoreszenz
Bei dieser bereits seit Jahrzehnten angewandten Methode wird ein spezifischer Antikörper, der genau auf das zu diagnostizierende Protein "passt", mit einem Farbstoff gekoppelt, der im Licht einer bestimmten Wellenlänge aufleuchtet. Im Mikroskop (oder einer geeigneten Apparatur) kann anhand der auftretenden "Lichtblitze" die Konzentration des zu untersu-chenden Proteins gemessen werden. Zur Erhöhung der Treffsicherheit können auch mehrere Antikörper, die verschiedene Stellen des Proteins erkennen, mit jeweils unterschiedlich "gefärbten" Farbstoffen beladen werden.
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Erhöhung der Empfindlichkeit
Eigens Vorschlag betrifft ein Problem, das die Immunfluoreszenz in Ihrer Empfindlichkeit einschränkt. Mit Hilfe der neuen SIFT-Methode (Scanning for Intensely Fluorescent Targets) soll die Empfindlichkeit um das 10- bis 100-fache gesteigert werden, bis hin zu einer Konzentration von nur einer Milliarde Teilchen pro Liter.
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SIFT
Bisher wird die Empfindlichkeit des Tests dadurch eingeschränkt, dass viele unspezifische Lichtblitze in einer Probe auftreten, also der "Hintergrund" relativ hoch ist, insbesondere bei Verwendung von mehreren Antikörpern.

Das soll dadurch behoben werden, dass nur ein kleiner Bereich der Probe in einem dünnen Röhrchen mit Hilfe eines Lasers untersucht wird. Man betrachtet also nicht die ganze Probe und mißt die auftretenden Lichtblitze. Vielmehr legt man sich - im Prinzip - auf die Lauer hinter einer Tür, die nur eine Spalt geöffnet ist, und wartet, bis ein Molekül vorbeikommt und einen (zweifarbigen, weil von zwei verschiedenen Antikörpern hervorgerufenen) Lichtblitz abgibt. Der störende Einfluss des Hintergrunds wird damit gering gehalten.
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Praktische Probleme
Allerdings reicht die Empfindlichkeit nicht für einen Test an einer Blutprobe. Nur in der Hirn/Rückenmarksflüssigkeit sind genügend Prionen vorhanden, um eine Diagnose zu ermöglichen. Die Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit am lebenden Rind erfordert allerdings meist eine Vollnarkose. Das ist eine Bedingung, die in der Praxis die Verwendbarkeit des Tests stark einschränken würde.

Außerdem würde auch der empfindlichere Test erst einige Wochen vor Ausbruch der ersten Symptome ein positives Ergebnis liefern. Da die Inkubationszeit aber Jahre beträgt ist nicht auszuschließen, dass Gewebe von einem infizierten Tier bereits vor der Nachweismöglichkeit auch mit dem neuen Test infektiös sein könnte. Obwohl ein Fortschritt, bietet ein neuartiger Test nach dieser Methode also keine Lösung des Problems.
Früherkennung ist Zukunftsmusik
Wirkliche Sicherheit würde erst ein Früherkennungstest aus einer Blutprobe liefern, wie es ihn für manche Bakterien und Viren gibt. Diese enthalten allerdings genetisches Material (Nukleinsäuren), das man heute aus einer Blutprobe im Reagenzglas blitzartig vermehren kann. Prionen enthalten hingegen keinerlei Nukleinsäuren. Erst wenn es gelänge, auch die wenigen Prionenproteine, die in einer Blutprobe vorkommen, ähnlich schnell bis zu einer Konzentration anzureichern oder zu vermehren, die für den Nachweis erforderlich ist, wäre ein Test zur Früherkennung in Reichweite. Obwohl theoretische Vorstellungen dazu existieren, ist ein praktikabler Test noch weit entfernt.

(HT)
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