Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Bei uns studiert man am längsten
Kronen-Zeitung Schlagzeile vom 14.6.2001
 
  Nur selten findet das Universitätswesen eine Schlagzeile in der Kronen-Zeitung; heute berichtet sie aufgrund eines OECD-Berichtes über den Zustand der österreichischen Universitäten. Die darin zusammengestellten Angaben bedürfen eines Kommentares.  
Kronen-Zeitung versus Universität
Nur selten verliert sich das Universitätswesen in die Kronen-Zeitung; zu Fronleichnam (Nomen est Omen?) erhielt es sogar eine Schlagzeile. Auf Seite 3 wurde dann in einem Artikel von Dieter Kindermann über Österreichs "traurigen Rekord" ausführlicher berichtet.
->   Kronen-Zeitung, Titelgeschichte vom 14.6.01
Studiendauer
Im ersten Punkt wird berichtet, daß die durchschnittliche Studiendauer in Österreich 6,4 Jahre beträgt, im Schnitt der OECD-Staaten dagegen nur 4,1 Jahre.

Bei diesem Vergleich wird jedoch nicht berücksichtigt, ob es sich um Bakkelaureat-, Diplom- (Magister-) oder Doktoratsstudien handelt.

Daß Staaten mit hohem Anteil an Bakkelaureat-Studierenden eine im Schnitt kürzere Studiendauer aufweisen, als jene mit einem hohen Anteil an Doktorats-Studierenden überrascht daher wenig. Dauert doch ein Doktoratsstudium gut doppelt so lang, wie jenes eines Bakkelaureats.

Die eigentliche Frage, in welchen Studienrichtungen und Berufen werden welche Art von Studien gebraucht, wird dabei überhaupt nicht behandelt. In weiten Bereichen hat, soweit mir bekannt, daß Bakkelaureat-Studium lediglich den Wert einer besseren, fachspezifischen, Matura. Dementsprechend ist sie auch besonders in Staaten, wo die durchschnittliche Mittelschulausbildung eher bescheiden ist, verbreitet.

Wann hört eigentlich ein Studium auf? Hören wir nicht zu recht tagtäglich von einem "lebenslangen" Lernen. Wann beendet ein Mediziner seine Ausbildung - mit dem Doktorat oder erst nach dem Turnus, ein Richter oder Rechtsanwalt - mit dem Studium oder mit seiner spezifischen Ausbildung. Wie lange dauert daher sein Studium (Ausbildung)? Eine abgeschlossene Ausbildung als Fachwissenschafter, der in der Forschung tätig sein will, dauert wohl immer zumindest sechs Jahre - egal, ob es sich dabei um Altjudaistik, Labormedizin oder Raumfahrt handelt.
Gesamtkosten
Der allseits beliebte Vergleich von Gesamtkosten hinkt zumeist, wenn völlig unterschiedliche Strukturen miteinander verglichen werden. Die relativ hohen Gesamtkosten ergeben sich bei uns durch die umfassenden Forschungsarbeiten, welche die österreichischen Universitäten leisten. In anderen Staaten werden diese wissenschaftlichen Studien zu einem Großteil durch eigene Forschungsinstitutionen (in Frankreich etwa dem CNRS) bzw. privaten Unternehmen geleistet und die Universitäten sind reine Hochschulen.
Studentenzahlen und Studiengebühren
Daß die Studentenzahlen im Ausland dreimal so schnell steigen, als bei uns, dürfte stimmen. Daß wir in Österreich zuwenige Akademiker haben ebenso. Deshalb werden ja von der österreichischen Bundesregierungen Studiengebühren eingeführt, damit mehr zum studieren ...
Anteil der Doktoratsstudien hoch
Dieter Kindermann schreibt: "Dafür liegen wir aber beim Erwerb eines Doktortitels im OECD-Vergleich sehr gut: an fünfter Stelle." Die Diktion erinnert zwar, als würde das "Unternehmen" Universität ihre Doktortiteln verkaufen (ein schönes Beispiel für den unnachahmlichen Kronen-Zeitung-Stil), ist aber inhaltlich richtig und erklärt eben die im ersten Punkt erwähnte durchschnittlich längere Studiendauer.
Bildungsausgaben geringfügig gesunken
Bei den Bildungsausgaben muß unterschieden werden, um welche es sich handelt: jene der Schulen,Universitäten, Erwachsenenbildungen u.s.w. So erhielt letztes Jahr bei den Budgetverhandlungen die Frau Bundesministerin für die Schulen mehr Mitteln, dagegen wurden bei den Universitäten - zumindest nach den Medienberichten, die ich gelesen habe - zwei Milliarden eingespart. D. h., die Bildungsausgaben können durchaus steigen, daß bedeutet aber nicht, daß sich damit auch automatisch die Finanzmitteln der Universitäten verbessern.

In Wirklichkeit liegen wir in Österreich mit unseren Forschungsmitteln, gemessen am prozentuellen Anteil am BIP, an einer eher bescheidenen Stelle.
Ein Beweis mehr, dass die umstrittene Uni-Reform doch nötig ist
Mit diesem Einstiegssatz eröffnet D. Kindermann seinen Bericht - und er ist falsch. Richtig wäre dagegen, daß "eine Uni-Reform nötig ist".

Da das UOG-93 die jetzige Uni-Reform vorbereiten sollte, erschiene es doch sinnvoll, zu evaluieren, was diese Reform bisher den Universitäten - der Forschung wie der Lehre - eigentlich gebracht hatte. Aus meiner persönlichen Sicht (die Universität Wien hat diese Reform erst mit siebenjähriger Verspätung im Jahre 2000 übernommen - wer hat dies eigentlich zu verantworten?) hat das UOG-93 weder in der Forschung noch in der Lehre, weder für die Lehrenden noch die Studierenden, eine spürbare Verbesserung gebracht.

Durch die kurzfristige Planung der Lehrveranstaltungen, die Beauftragung erfolgt zumindest auf unserer Fakultät zumeist erst wenige Tage vor deren Beginn (dies betrifft auch die Freistellung der für die Durchführung von Praktika notwendigen Finanzmittel) können kaum für das Studium längere Planungen und Empfehlungen den Studierenden gegeben werden.

Die Gründe sind dabei durchaus hausgemacht. Die im UOG-93 vorgegebenen Strukturen, mit einem "starken" Rektor und einem "Senat" bzw. dem "Senatsvorsitzenden" und ihren jeweiligen Stellvertretern hat sich in der Praxis n i c h t bewährt.

Bevor die Uni-Reform daher weiter durchgezogen wird, sollte überprüft werden, ob das Universitätsorganisationsgesetz sowie des Universitätsstudiengesetzes positive Auswirkungen auf die geplanten Reformziele gezeigt haben.
Evaluation der Evaluationen gefordert
Eine Evaluation der 1993 begonnenen Uni-Reform wäre daher dringend notwendig, bevor neue Reformschritte getätigt werden.

Die Form und Effizienz der bisher durchgeführten Forschungs- und Lehrevaluation muß dabei ebenso kritisch überprüft werden, wie der geradezu explodierende Aufwand im Bereich der Studien- und Prüfungsverwaltung.
Leistungsverträge - vielleicht eine Chance?
Voraussetzung für jegliche Evaluation sind klare Zielvorgaben der jeweiligen Institutionen und Studienrichtungen. Daß "Universitäten" keine spezifischen "Profile" haben, besagt schon ihr Name.

Fakultäten, besonders aber Institute (wie Kliniken) sowie Studienrichtungen und -zweige können und sollen dagegen "Profil" zeigen. Ein spezifisches Profil zu erreichen, zu halten bzw. zu modifizieren kann nur die Zielsetzung jeglicher wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrstätte sein.

Die Formulierung dieses Zieles kann nicht von oben herab (Senat, Rektorat bzw. Ministerium) erfolgen, sondern nur in einem Diskurs zwischen den einzelnen Institutionen und Studienkommissionen und den übergeordneten Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen.

So werden im Rahmen dieses notwendigen Prozesses Vereinbarungen entstehen, wo auf der einen Seite gewisse Leistungen in Forschung und Ausbildung (Lehre) und auf der anderen Seite finanzielle und strukturelle Zusagen stehen.

Die Erarbeitung derartiger mehrjähriger Vereinbarungen (in Deutschland und der Schweiz zumeist Leistungsvertrag genannt), ihre Form und Wirksamkeit sollte allerdings nach den bisherigen Erfahrungen nicht dem Gesetzgeber allein überlassen werden. Vielmehr soll im Rahmen von Pilot-Projekten versucht werden, Erfahrungen mit der Definition von charakteristischen Kennzahlen für spezifische Fachbereiche in Forschung und Lehre zu erarbeiten.
->   Leistungsverträge - pro und contra
->   Universität Wien
Mehr zu diesem Thema auf science.orf.at
->   Studieren in Österreich: Langsam und teuer
 
 
 
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