Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
Uni-Reform - nur 1% der Universitätsangehörigen mitspracheberechtigt
Zukunftsuniversität - made in Austria
 
  Zum Entwurf des UG 2002. Nur 1% aller Universitätsangehörigen, die Professorenkurie, entscheiden über die Zusammensetzung der Führungsgremien, angebotenen Studienrichtungen und Lehrveranstaltungen. Der Rest verliert praktisch jede Möglichkeit der Mitsprache und Mitgestaltung.  
Autonomie ohne Mitsprache ist Oligarchie
"Ausbau der Autonomie der Universitäten", so lautet eines der Ziele der Universitätsreform. Einer der im § 5 genannten Grundsätze nennt "das Zusammenwirken der Universitätsangehörigen". Als Angehörige der Universitäten zählen die RektorInnen, die ProfessorInnen, der Mittelbau, die Studierenden sowie die nichtwissenschaftlichen MitarbeiterInnen. Mit Ausnahme der beiden zuerst genannten Gruppen, sie machen vielleicht 1 Prozent aller Universitätsangehörigen aus, verfügen die restlichen 99 Prozent über keinerlei Entscheidungsbefugnisse.

Dass "Zusammenwirken" etwas mit Mitverantwortung und Mitbestimmung zu tun hat, ist unbekannt.

Studierende erhalten eine "Lernfreiheit", allerdings keinerlei Mitsprache am Lehrangebot. Sie haben das Recht, "als ordentliche Studierende nach Maßgaben der universitären Vorschriften Prüfungen abzulegen". Sie dürfen zahlen, aber nicht mitreden.
Studienbeitrag ja - Stipendien nein
Der Studienbeitrag mit 10 Prozent Aufschlag bei Fristversäumnis ist genau geregelt, das Stipendiensystem dagegen wird überhaupt nicht erwähnt.
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Die neue Universität - der Rat der Ältesten
Der voraussichtliche Senat der Universität Wien wird aus zumindest 13 Professoren, 6 Studierenden, vermutlich 3 Mittelbauvertretern und 2 Vertretern des nichtwissenschaftlichen Personals bestellt. Entscheidungen sind in der Regel mit einfacher Mehrheit zu treffen.

Die Mitsprache der Studierenden reduziert sich auf max. sechs Studentenvertreter im Senat, wo sie die mit einer absoluten Mehrheit ausgestatteten Professorenkurie jederzeit klar überstimmen kann. Lediglich bei einer Abwahl eines Rektors oder eines/r VizerektorIn werden ihre Stimmen für die Zweidrittelmehrheit benötigt.
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Die neue Universität - von A bis F
Eine Mitarbeit der Studierenden oder des Mittelbaues bei der Erstellung von Studienplänen ist nicht vorgesehen; auch nicht im Rahmen von Habilitationsverfahren. Die pädagogischen Fähigkeiten der zukünftigen Dozenten entnehmen die Entscheidungsträger (die Professoren) wohl den Publikationen.

Wodurch wird nun die Lehre und Ausbildung verbessert? Durch die Einführung eines sechssemestrigen Bachelorstudiums, das durch zwei Bachelorarbeiten im Rahmen von Lehrveranstaltungen abgeschlossen wird, durch ein anschließendes viersemestiges Masterstudium, in der eine Masterarbeit verfaßt werden muß, deren "Bearbeitung innerhalb von sechs Monaten möglich und zumutbar ist" oder durch das Doktoratsstudium, in dem eine Dissertation abzufassen ist?
Wohl kaum, die Einführung aber eines neuen, sechsstufigen Benotungssystems - "A", "B", "C", "D", "E" und "F2 - ermöglicht den Studierenden einen Abschluß und Benotung nicht nur mit "sehr gut", wie bisher, sondern mit A = "hervorragend" - so wäre doch noch eine deutliche Verbesserung des Studiums und der Lehrveranstaltungen möglich?

Ja, wenn sich nicht im § 119 (9) die Regelung fände, daß das gute alte "sehr gut" dem neuen "A" und das alte "gut" dem "C" entspricht. Also bleibt doch alles beim Alten, nur daß das Magisterstudium jetzt Masterstudium heißt und das Bakkaulareat Bachelor. Wie schön, das "Zukunftsministerium" wird anglophil.
Nachbesetzungen - das Recht des Kennenlernens
Den Studierenden wie dem Mittelbau wird in den "Erklärungen" (nicht im Gesetz) zu § 93 Abs. 6 das Recht zugestanden, im Rahmen der Berufungsverfahren von Universitätsprofessoren die KandidatInnen - in einer Art "Hearing" kennenzulernen.

Eine Stellungsnahme ist natürlich, dem Geist dieses reaktionären Gesetzes entsprechend, nicht gestattet und nur den Universitätsprofessoren vorbehalten.

Aber es ist doch nett, wenn man die zukünftigen Ordinarien wenigstens kennenlernen darf. Denn ob sie bei der ganzen Verwaltungsarbeit, die auf sie zukommen wird, noch in den Hörsälen oder Bibliotheken zu sehen sein werden, erscheint sowieso eher unwahrscheinlich.
Aus der Sicht des Mittelbaues - ein Weg zurück in die 50-er Jahre [aber das Jahr 1968 wird wieder kommen]
Ob die DozentInnen noch das Recht haben akademische Arbeiten zu vergeben, zu betreuen und zu beurteilen, muß erst im Rahmen der Satzungen geregelt werden. Das vorliegende Gesetz wirft den gesamten Mittelbau, von den Studienassistenten bis zu den heutigen ao Univ-Professoren, in einen Topf. Wahrscheinlich hat die Frau Ministerin oder ihre Beamten den Überblick über ihr Drei-Säulen-Modell verloren.

Was darf nun der "Mittelbau", der in den letzten Jahren doch mehr als zwei Drittel der Lehre angeboten hat und aus dessen Kreis allein an der Universität Wien (ohne Medizin) 53 Institutsvorstände oder stv. Institutsvorstände gewählt worden sind und den Großteil der StuKo-Vorsitzenden stellt? Sie haben das verbriefte Recht "einen Dozenten" in den erlesenen Kreis des hohen Senates zu wählen. Mittelbau-Angehörige, die noch in keinem unbefristeteten Dienstverhältnis stehen, verfügen dagegen nicht einmal über dieses Wahlrecht.

Was schlimmer als die fehlende Mitbestimmung ist, daß mit dem UG 2002 dem Mittelbau das Recht auf selbständige, eingenverantwortliche Forschung genommen werden soll.
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Ministerielle Finanzgebarung
Noch zwei monetäre Bestimmungen erscheinen nicht unwichtig.

1. verlieren die Institute die Möglichkeiten der Teilrechtsfähigkeit,

2. halten die Proponenten dieses Gesetzes es nicht für notwendig, eine Eröffnungsbilanz vor Überführung der Universität in die Vollrechtsfähigkeit zu erstellen. Eine seltsame Ausgangsbasis für eine ordentliche Finanzgebarung; man wird sehen was die fünf Weisen im Universitätsrat dazu sagen werden.
->   105 Wunderwuzzis gesucht
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Auf, laßt uns den Abschwung beginnen
Der zeitliche Rahmen für die Umsetzung dieses Gesetzes ist auffallend kurz bemessen (bis 31. Dezember 2003). Fehler sind dadurch praktisch vorprogrammiert. Die Folgen tragen allein die Universitäten (und die Studierenden).

Lediglich in einem Bereich, der positiv zu bewerten ist, jenen der Leistungsvereinbarungen zwischen den Universitäten und dem Bundesministerium, werden bis zum Abschluß der ersten Vereinbarung Fristen bis zum April 2005 gewährt.
Es ist purer Zweckoptimismus, wenn ich hoffe, daß wir bis dahin den guten Standard, der Mitte der 90-er Jahre in vielen Bereichen der Forschung wie Lehre erreicht werden konnte und durch die enge Kooperation aller Lehrenden und Forschenden mit den Studierenden ermöglicht wurde, bis dahin halten können. Seit 1995 nimmt nämlich zumindest an unserem Institut das Lehrangebot kontinuierlich ab. "Die Sparpakete greifen".
->   Leistungsverträge an der Uni - pro und contra
->   Universitätsgesetz 2002
 
 
 
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