Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Archäologie - Kultur - Ideologie  
  Im Rahmen einer Konferenz in Biskupin (Polen) - einer Siedlung aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. - diskutieren Forscher Einflüsse der verschiedenen politischen Systeme auf das historische Bild der Urzeit.  

Im Rahmen einer Konferenz der Polnischen Akademie der Wissenschaften treffen sich rund 30 Archäologen aus Polen, Deutschland (Berlin, Leipzig, Bonn), Tschechien (Prag), Österreich (Wien) und Schweden (Kalmar), um die Einflüsse der verschiedenen politischen Ideologien auf die archäologische Bodenforschung und Urgeschichte anhand konkreter Beispiele festzustellen.

Historische Bilder des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, der NS-Zeit und der kommunistischen Periode in Deutschland, Polen, Tschechien und des Austrofaschismuses in Österreich werden gegenübergestellt.
Biskupin - eine Siedlung der ???

Die Tagung findet in Biskupin statt, einem vorzüglich erhaltenem Dorf der Lausitzer Kultur. Die auf einer kleinen Halbinsel im Biskupiner See gelegene Ansiedlung wurde ursprünglich als illyrische dann germanische - und in der kommunistischen Zeit als urslawische Befestigung - der Öffentlichkeit präsentiert.

Heute wird dagegen diese Fundstätte als befestigtes Dorf des 8. vorchristlichen Jahrhunderts interpretiert. Eine ethnische Interpretation der Träger der Lausitzer Kultur, die enge Beziehungen zur mitteleuropäischen Urnenfelderkultur aufweist, ist nicht möglich, wahrscheinlich gehörten sie zum indoeurpäischen Sprachkreis.
Denkmal und Festivals

Biskupin wird heute von rund 250.000 Besuchern jährlich besucht und ist damit eines der bestbesuchten urgeschichtlichen Denkmäler Mitteleuropas (siehe Abb. seitlich und oben).

Im Sommer werden auch regelmäßig Festivals organisiert. Die originalgetreue Rekonstruktion des Eingangstores, der Befestigung sowie der Blockbauten und des Bohlenweges geben ebenso wie die hervorragende Grabungsdokumentation eine gute Vorstellung vom Leben in diesem spätbronzezeitlichen Dorf.
Besiedlungsphasen

Die ältesten Funde stammen von einem Rentierjägerplatz aus der Zeit um 11.000 v. Chr. Im 5. Jahrtausend v. Chr. wurde ein großes jungsteinzeitliches Langhaus (siehe Modell) errichtet, daneben fand sich das Grab einer Frau der Lengyel-Kultur.

Die erste Phase des spätbronzezeitlichen Dorfes datiert in das 8. Jh. v. Chr. - fast die Hälfte aller verbauten Bäume wurden im Winter 738/737 v. Chr. geschlagen. Die Siedlung bestand bis in die ältere Eisenzeit.

Nach wenigen keltischen und römerzeitlichen Komplexen setzte im 7. Jh. n. Chr. die slawische Besiedlung mit mehren Hausgruppen (rechteck- und Grubenbauten) ein. Ein kleines, mit Tierornamenten verziertes, silbernes Reliquienkästchen, welches wohl am Hals getragen worden ist und in das 11. Jh. n. Chr. datiert, gehört zu den wertvollsten Fundstücken dieser Besiedlungsphase.
->   Biskupin (engl.)
->   Biskupin (dtsch.)
Die bronzezeitliche
 


Die befestigte Siedlung der Lausitzer Kultur wurde auf einer 190 x 125 m großen Insel im Biskupin-See errichtet. Drei Reihen von schräg in den Untergrund eingerammten Eichen- und Kiefernpfählen bildeten einen bis zu 8 m breiten Wellenbrecher.
Befestigung

Die Befestigung besteht aus einem 460 m langen Ringwall, der aus drei Reihen Eichenkästen konstruiert und mit Lehm und Sand gefüllt worden war. Ein Lehmbewurf an der Außenseite schützte den Wall vor Auswaschung und Brand. Über Steigbäume im Inneren konnte die Befestigung erstiegen werden. Eine 250 m lange und 3 m breite Holzbrücke führte zu einem mit zwei Torflügeln versehenen Torturm. Durch ihn konnte das Dorf betreten werden.
Verbauung

Entlang der Querstraßen standen 13 Hausreihen. Die rund 80 qm großen Häuser waren in zwei Bereiche gegliedert - einen Wohnteil mit zentraler Herdstelle und einem Schlafteil über dem eine Zwischendecke eingezogen war und auf dem die Vorräte (Getreide, Stroh, Brennholz) gelagert waren. Die ziemlich einheitlich ausgestalteten Häuser deuten auf eine sozial wenig differenzierte Dorfgemeinschaft.
Lebensgrundlage

Hölzerne Hakenpflüge und Hirschhornhauen sowie das neben den Granitmühlsteinen gefundene Korn von zumindest vier Weizen- und zwei Gerstenarten sowie der Hirse belegen einen nahegelegenen Feldbau.

Daneben wurden relativ kleine Rinder und Schafe sowie Ziegen und Schweine gezüchtet. Die Pferde ähnelten den Tapiren; die Hunde waren mittelgroß. Natürlich wurde auch Jagd und Fischfang betrieben. Ein Einbaum und ein aus einem Stück gefertigtes Padel wurden ebenfalls entdeckt.

Typische Werkzeuge belegen weiters die Fell- und Lederbarbeitung, die Knochen- und Hornbearbeitung sowie Weberei und Töpferei.
->   Weitere Bilder
 
 
 
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