Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Keltenforschung - von Burgund bis in das Weinviertel
Aktuelles zu den Grabungen in Bibracte und Roseldorf
 
  Auch im Sommer 2002 erforschen österreichische Grabungsteams keltische Zentren im In- und Ausland. Das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien untersuchte in Burgund ein Befestigungstor in Bibracte und die Prähistorische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien ein keltisches Heiligtum innerhalb einer Großsiedlung auf dem Sandberg im Weinviertel  
Geschichte von Bibracte
Bibracte ist, nach den Worten Julius Cäsars, das größte und reichste Oppidum der Headuer. Er selbst hielt sich mehrfach in Bibracte auf.

Die Haeduer rangen gemeinsam mit den Arvernern, deren Hauptort Gergovia war, um die Vormachtstellung in Gallien. Dem Gebiet der Haeduer kam wegen des Handels quer durch Gallien eine große strategische Bedeutung zu. Bereits seit der Gründung der röm. Provinz Gallia narbonensis 121 v. Chr. dürfte ein Freundschaftsvertrag zwischen den Haeduern und Rom bestanden haben.

Bevor der Gallische Krieg einsetzte kam es in den führenden Familien der Haeduer zu Spannungen. Namentlich sind uns zwei Brüder bezeugt: Diviciacus, der romtreu war, und der jüngere der beiden Geschwister, Dumnorix.

61 v. Chr. erbat Diviciacus, allerdings ohne Erfolg, in Rom Hilfe gegen die Sequaner und den mit ihnen verbündeten germanischen Heerscharen unter Ariovist. 58 v. Chr. bat Diviciacus erneut den römischen Senat um Hilfe, dieses mal gegen die Helvetier und seinen jüngeren Bruder Dumnorix, der mit den Helvetiern einwanderte und das Königtum gegen den Willen seines Bruders wiederherstellen wollte.

Während des Helvetischen Krieges nützte Cäsar schlau die Familienzwistigkeiten in der Führung der Haeduer zu seinem Vorteil aus und stärkte die Position von Diviciacus. Während des Fortschreitens der römischen Eroberungen in Gallien hielten sich die Haeduer weitgehend zurück. Erst 52 v. Chr. versuchten sie auf dem gesamtgallischen Landtag in Bibracte die Führung erneut zu übernehmen. Zu ihrer Enttäuschung wurde allerdings Vercingetorix gewählt, der dann letztendlich auch die Entscheidungsschlacht bei Alesia verlor. Die Haeduer wechselten danach wieder rasch auf die Seite der Römer über. Ein deutliches Zeichen dafür ist Cäsars Winterquartier 52/51 v. Chr. in Bibracte.
Der äußere Befestigungsring
 


Das österreichische Team der Universität Wien unter Leitung des Berichterstatters schloß vor einer Woche die Untersuchung eines im Jahre 1998 entdeckten Tores von Bibracte ab.

Bibracte ist von zwei Befestigungsringen umgeben. Der innere Murus Gallicus ist seit über 100 Jahren bekannt; die äussere Mauer mit dem mit dem Tor wurde dagegen erst im Zuge der modernen Untersuchungen des Centre archeologique europeén (CAE) entdeckt.

Die rund 3,7 km lange Mauer des äusseren Befestigungswerkes bewehrte den mehrere hundert Hektar grossen Hauptort der Haeduer. Betrat Caesar Bibracte durch das neu entdeckte Tor? Oder war sein Besuch Grund für die Errichtung des inneren Befestigungswerkes?
Die Torkonstruktion

Die Ausfallspforte war 3 m lang und 2,75 m breit. Im Eingang konnten nicht nur die Standspuren von zwei Torpfosten festgestellt werden, sondern auch eine Reihe von Nägeln, die einst die Balken der beiden Türflügel zusammenhielten.
Das etwa 2,5 m breite Tor wies zwei Türflügel auf, die nach Innen geöffnet werden konnten. Dahinter befand sich eine etwa 35 cm hohe, in den Felsen eingeschlagene Stufe, die durch einen horizontalen Balken geschützt war. Über diese mächtige Holzschwelle, die auf einer Seite mit dem Holzkastensystem des Murus Gallicus verbunden war, betraten einst die Kelten ihr Oppidum. Ein in den Steilhang gebauter Weg - wohl mit einer Kehre - führte zum Tor.
->   Bibracte 2001

 


Ansicht des Tores von oben mit trichterförmiger Öffnung nach innen (Fotos von Bibracte: Thomas Pertlwieser, von Roselsdorf Berichterstatter)
->   Bibracte (CAE)
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Der Murus Gallicus bei Caesar
Die gallischen Mauern haben in der Regel folgende Gestalt: Gerade Bauhölzer werden hintereinander senkrecht zur Mauerrichtung mit gleichem Zwischenraum etwa zwei Fuß voneinander entfernt auf die Erde gelegt. Sie werden nach innen zu verbunden und mit gewaltigen Erdaufschüttungen verkleidet. Die erwähnten Zwischenräume werden nach außen hin mit großen Felsbrocken ausgefüllt. Wenn dies als Grundlage angelegt und festgestampft worden ist, wird eine weitere Schicht oben darauf gesetzt, und zwar so, dass man den gleichen Abstand wahrt, so dass die Bauhölzer nicht miteinander in Berührung kommen, sondern bei gleichem Zwischenraum einzeln für sich liegen, jedoch durch die dazwischen eingelassenen Felsbrocken eng zusammengehalten werden. So wird das ganze Bauwerk zusammengefügt, bis die Mauer auf ihre richtige Höhe gebracht worden ist. Durch das abwechselnde Anbringen von Hölzern und Felsgestein, die in geraden Reihen ordentlich geschichtet sind, wirkt das Bauwerk hinsichtlich seines abwechslungsreichen Aussehens nicht hässlich und besitzt für seinen Zweck und die Verteidigung einer Stadt höchste Eignung, weil die Steine Schutz vor Feuer gewähren und das Holzwerk gegen den Sturmbock Widerstand leistet und weil zudem meist noch 40 Fuß lange Querhölzer das Werk nach innen zu verstärken, so dass es weder durchbrochen noch auseinandergezerrt werden kann. (Cäsar b. G. 7 23 (1-5), Übersetzung Marieluise Deissmann) .
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Der Murus Gallicus nach den archäologischen Ergebnissen
Die gallische Mauer im äusseren Befestigungsring von Bibracte hat folgende Gestalt (die Beschreibung folgt der caesarischen Struktur):

Gerade Bauhölzer mit einer Länge von etwa 2 m wurden hintereinander senkrecht zur Mauerrichtung mit gleichem Zwischenraum von etwa 60 cm voneinander entfernt auf die Felsstufen gelegt. Sie liegen nicht horizontal, sondern mit einer leichten Neigung gegen den Hang zu. Sie werden durch über 4 m lange Längsbalken miteinander verbunden. Die erwähnten Zwischenräume der Balken werden nach außen hin mit einzelnen großen Felsbrocken sowie kleineren Bruchsteinen auf eine Höhe von etwa 50 cm ausgefüllt. Das Balkenwerk wird mit Erde verfüllt und festgestampft. Danach wird eine weitere Schicht oben darauf gesetzt, und zwar so, dass man den gleichen Abstand wahrt, so dass die Bauhölzer nicht miteinander in Berührung kommen, sondern bei gleichem Zwischenraum einzeln für sich liegen, jedoch durch die dazwischen eingelassenen grossen Felsbrocken und Bruchsteinen eng zusammengehalten werden. So wird das ganze Bauwerk zusammengefügt, bis die Mauer auf ihre richtige Höhe gebracht worden ist. In Bibracte wurde dieser Vorgang viermal wiederholt, bis die Mauer beim Tor eine Höhe von rund 2 m erreicht hatte. Nach oben zu dürfte die Erdrampe durch eine Lage Grassoden abgeschlossen worden sein.

"Durch das abwechselnde Anbringen von Hölzern und Felsgestein, die in geraden Reihen ordentlich geschichtet sind, wirkt das Bauwerk hinsichtlich seines abwechslungsreichen Aussehens nicht hässlich ..." (lt. Cäesar)

Heute liegen die Balken der oberen Schichten dagegen zumeist in Sturzlage, die Blendmauer ist nach vorne gekippt und ist nur in den untersten Lagen bzw. in der Torgasse gut erhalten. Die abwechselnden Lagen von einzelnen grossen Felssteinen, Bruchgestein und Balkenlöchern gibt dennoch eine gute Vorstellung über die keltische Befestigungskunst.

 


Mauer der Torgasse
Keltische Siedlungsforschungen im Weinviertel

Untersuchungen keltischer Zentralsiedlungen werden auch in Österreich durchgeführt. So wurden am 26. Juli 2002 die Ergebnisse der Ausgrabungen auf dem Sandberg im Rahmen eines Tages der offenen Tür präsentiert.

Die wissenschaftliche Projektleitung liegt in der Hand von Dr. Veronika Holzer (Prähistorische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien). Finanziert werden die Untersuchungen am Sandberg unweit von Roseldorf durch die Gemeinde Sitzendorf und Zellendorf sowie dem Kunst- und Naturhistorischen Museum Wien.

Innerhalb einer keltischen Großsiedlung, die sich über die schwach abfallenden Hänge des Sandberges erstreckt und deren Innenstruktur und Ausdehnung durch hervorragende Prospektionsergebnisse gut bekannt ist - wahrscheinlich war sie auch durch ein Graben-Erdwerk geschützt - wurde bei der diesjährigen Saison ein Heiligtum erfaßt.
Heiligtum

Von dem Kultbereich war noch die quadratische Grabenanlage (siehe Bild mit Profilen) von ca. 21 m Seitenlänge erhalten, wie V. Holzer den hunderten interessierten Besuchern mitteilte. In der Verfüllung des noch 3 m breit und über 1 m tief erhaltenen Spitzgrabens wurden die Überreste von (Tier)opfern und Trophäen entdeckt - Schwertklingen, -scheiden und -ketten, Schildbeschläge, Lanzenspitzen - sowie diverse Wagenbeschläge und Schirrungsteile. Außerdem fanden sich einzelne Amulette und Schmuckringe (aus Glas und Bernstein). Bemerkenswerterweise wiesen besonders die Waffen starke Zerstörungsspuren auf: praktisch alle waren verbogen, abgeknickt oder abgebochen. Die erbeuteten und im Heiligtum ausgestellten Waffen mußten - so verlangte es anscheinend der Brauch - unbrauchbar bzw. zerstört, werden.

Von dem eigentlichen Zentralbau im mittleren Bereich der Grabenanlage blieb - wohl aufgrund der Erosion - lediglich eine quadratische Grube erhalten.
Naturhistorisches Museum, Prähistorische Abteilung
->   NHM Wien, Projekt keltensiedlung-Sandberg
Die technische örtliche Grabungsleitung trug heuer auf dem Sandberg bei Roseldorf der sehr erfahrene Archäologe Dr. Gerald Fuchs.
->   ARGIS Archäologischie Service OEG

 


Der schwach über die Weinberge und Felder herausragende Sandberg im Herzen des niederösterreichischen Weinviertels unweit des bekannten Schöngrabern
->   Forum Platt
Grabungsteam 2002 der Universität Wien in Bibracte
 


 
 
 
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