Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Das Befestigungswerk des frühkeltischen Fürstinnensitzes von Vix (Burgund)
Institut der Ur- und Frühgeschichte forscht II
 
  Die Ausgrabungen im Sommer erbrachten den Nachweis einer massiven Steinbefestigung der Hallstattzeit auf dem Mont Lassois (Burgund). Eine an der Basis acht Meter mächtige Steinsetzung schützte das Bergplateau.  
Der Mont Lassois

Die Seine
Unterhalb des Mont Lassois fließt die Seine - ein noch kleines, beschaulich mäandrierendes Flüsschen. Die nur wenige Hektar große, durch zwei Plateaus gegliederte Anhöhe, ist nach fast allen Seiten hin durch Steilhänge natürlich geschützt.

Der Berg liegt in einer verkehrsgeographisch bevorzugten Lage. Es wird angenommen, dass am Fuße ein von Erdwällen geschützter Bereich als Stappelplatz gedient hat von dem Handelsgüter auf Booten die Seine abwärts transportiert werden konnten.
Die Grabungsstelle als Luftbild
 
Luftbild von R.Goguet


Das obere Plateau, der Mont Saint-Marcel, weist eine Länge von etwa 350 Metern auf. Am rechten Bildrand, neben dem Bahngeleise, ist die Seine zu erkennen.
Die archäologischen Untersuchungen der Uni Wien

Der Grabungsschnitt an der Plateaukante
Die archäologischen Untersuchungen der Universität Wien - eine 25 Meter lange und vier Meter breite Sondage - begannen auf dem höher gelegenen Plateau des Mont Lassois, dem so genannten Mont Saint Marcel.

Die Grabungen wurden in unmittelbarer Nähe der schlecht dokumentierten Altgrabungen durchgeführt. So können die Ergebnisse besser gegenübergestellt und diskutiert werden.
->   Erster Vorbericht in science.ORF.at
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Das Fürstinnengrab von Vix
Am Fuße des Mont Lassois fand sich auf der ersten hochwasserfreien Seineterrasse das Prunkgrab einer edlen Frau, die wohl knapp vor 500 v. Chr. verstorben ist. Die hölzerne Grabkammer, die von einem einst 42 m im Durchmesser großen Grabhügel bedeckt war, wurde 1953 von R. Joffroy entdeckt. Eine Sensation, seinerzeit, denn sie barg das größte Bronzegefäß der antiken Welt. Im Bild eine Rekonstruktion der 30- bis 35-jährigen Verstorbenen, die an morbus basedow gelitten hat.
->   Mont Lassois und das Grab von Vix - ein Schulbericht
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Der Krater von Vix

Krater von Vix
Das 164 cm hohe und 208,6 kg schwere Bronzegefäß, ein Mischgefäß für den Weinkonsum, hat ein Fassungsvolumen von 1.100 Litern. Die schweren volutenförmigen Griffe enden jeweils in einer Gorgonenbüste (Logo).

Am Hals befindet sich ein Halbrelief, welches schwerbewaffnete Fußkämpfer und Wägen mit Vierergespann zeigt. Das Gefäß, das aus einer griechischen Meisterwerkstätte stammt, datiert in die letzten Jahrzehnte des 6. Jahrhunderts v. Chr.
Die Grabkammer
 


Im Zentrum der Grabkammer wurde - auf einem Wagenkasten liegend - die Verstorbene beigesetzt. Ein schweres, großes Golddiadem lag nahe dem Schädel, der nach der Verwesung verrutscht ist. An der Kammerwand lehnten die vier Wagenräder. An der gegenüberliegenden Seite fanden sich zahlreiche Gefäße, darunter der - in einer Ecke stehende - Bronzekrater.

Der reiche Schmuck, Fibeln, Bernsteinperlen und Armreife, stellen den Grabkomplex an den Übergang von älterer zur jüngerer Eisenzeit.
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Golddiadem, Detail
Das Golddiadem
Das Diadem, welches beim Kopf der Bestatteten gefunden worden war, endet in zwei feinverzierten Schlussknöpfen, auf denen jeweils eine Löwenpranke sitzt; dazwischen ein fein gearbeiteter Pegasus.
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Die wirtschaftspolitische Rolle

Oinochoe und schwarzfigurige attische Schale mit Amazonenkampf,
um 520 v. Chr.
Der Krater von Vix war ebenso wie die Oinochoe (Kanne) oder die attische Trinkschalen ein prunkvolles Geschenk, welches die Freundschaft zwischen der mediterranen Welt und der die Region um den Mont Lassois beherrschenden Eliten bezeugen sollte. Durch solche Gesten wurde die Stellung der führenden Familien innerhalb ihrer Gesellschaft erhöht - als Gegengabe hatten sie dafür wohl für einen geordneten und gesicherten Warentransport bzw. Markt zu sorgen.

Die Sicherung des Landweges von der Provence - entlang der Rhône, Saône und Seine - zur Atlantikküste war für die griechischen Kolonien nach dem Verlust der Vormachtstellung im westmediterranen Raum von größter Bedeutung. Die Schwächung der griechischen Seekräfte führte offenbar nach 540 v. Chr. zu verstärkten diplomatischen Beziehungen der Griechen mit der einheimischen Binnenbevölkerung Galliens.
Der Wagen und seine Funktion
 


Der vierrädrige Wagen wurde funktionstüchtig in das Grab mitgegeben. Bei längerer Lagerung werden, um die Holzachsen zu entlasten, die Räder abgenommen und getrennt vom Wagenkasten abgestellt.

Die Beigabe eines Wagens in das Grab der führenden Elite ist kennzeichnend für den Westhallstattkreis. Der Wagen wurde wohl von der Verstorbenen zur ihren Lebzeiten bei den rituell vorgeschrieben Umfahrten und Prozessionen als Gefährt verwendet.
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Chatillon-sur-Seine
Der Mont Lassois gehört zu Vix, einer kleinen landwirtschaftlich orientierten Gemeinde an der Seine, rund 6 km unterhalb von Châtillon-sur-Seine, gelegen.

Im Museum dieser Kleinstadt sind die Originalfunde des Fürstinnengrabes von Vix ausgestellt.

Links im Bild: Die Seinebrücke mit Saint-Vorles.
->   Musée de Châtillon-sur-Seine
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Die Ausgrabungen der Universität Wien

In den Felsen eingetiefter, mit Humus verfüllter, Keller.
Die Untersuchungen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien finden im Rahmen einer wissenschaftlichen Kooperation mit der Universität Dijon (Prof. Mordeau) statt. Im Rahmen dieses internationalen Forschungsprojektes sollen die Siedlungsstrukturen durch die Universität Kiel (Prof. Haffner) und die Befestigungsstrukturen durch die Universität Wien (Berichterstatter) untersucht werden. Koordinator vor Ort ist Br. Chaume (Soc. arch. et hist. du Châtillonnais).

Die Arbeiten sind für drei Jahre projektiert und werden zum Großteil von der französischen Seite finanziert (Materialkosten für die Grabungen, Unterkunft und Verpflegung der studentischen Mitarbeiter, Entgeld für einen Grabungsassistenten).

Die etwa vierwöchigen Kampagnen finden im Juli/August statt. An den Lehrgrabungen nehmen zehn bis 15 Fachstudenten teil.
Der Mont Saint Marcel - eine vielphasige Höhensiedlung

Vasenkopfnadel und Fibelfuß
Das bisher geborgene Fundspektrum belegt mehrere Siedlungsphasen auf dem Mont Saint Marcel: Mittelneolithikum, frühe Bronzezeit, späte Bronzezeit (Urnenfelderkultur), ältere und jüngere Eisenzeit (Hallstattkultur/Frühlatènezeit und Spätlatènezeit), römische Kaiserzeit und Mittelalter.

Der Schwerpunkt der Funde datiert in die Spätbronze- und Hallstattzeit sowie in das 3. und 4. nachchristliche Jahrhundert.

Unter den Kleinfunden ist eine urnenfelderzeitliche Miniatur-Vasenkopfnadel sowie der Fuß einer so genannten Fußzierfibel und eine Kupfermünze von Constantinus d. Gr. hervorzuheben. Der Fuß der Fibel wird zur Zeit am Institut für Ur- und Frühgeschichte (VIAS) metallurgisch untersucht, da er eine Silberauflage aufweist.
Das Befestigungswerk

Freilegen der Innenfront
An der südlichen Plateaukante des Mont Saint Marcel konnte eine massive, acht Meter breite Steinsetzung festgestellt werden, welche auf einer künstlich angelegten Terrasse errichtet worden ist. Nach vorne zu sind die Bruchsteine des Befestigungswerkes verstürzt. An der Innenseite konnte dagegen die Frontmauer erfasst werden.

Das hallstättische Befestigungswerk, welches den zum Fürstinnengrab von Vix gehörenden Zentralort schützte, ist sehr massiv. Im Inneren des auf ein bzw. zwei Terrassenstufen errichten Steinbaues sind ältere Befestigungswerke zu erwarten. Sie sollen ebenso wie die Vorderfront im nächsten Jahr freigelegt und untersucht werden.
Die Innenfront
 


Die Innenfront ist zumindest fünf Steinplattenlagen hoch erhalten und weist innerhalb des Grabungsschnittes drei schmale, senkrechte Schlitze, die im Abstand von rund 1,1 Meter angebracht worden waren, auf.
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Modell
Die Befestigung von Etaules
Im Archäologischen Museum von Dijon befindet sich das Modell des Befestigungswerkes von Etaules (Dep. Côte d'Or), die eine ähnliche Struktur, wie jene in Vix aufweist. In Etaules, wo ähnliche geologische Verhältnisse vorliegen, wie auf dem Mont Lassois, wurde das Befestigungswerk mehrfach überbaut und verstärkt.
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Das Grabungsteam
 


Der Sohn von Maurice Moisson (Mitte), Entdecker des Kraters von Vix, besucht die Ausgrabungen.
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Institut der Ur- und Frühgeschichte forscht
Anlässlich des Beginns des Wintersemesters und des Inkrafttretens des neuen Universitätsgesetzes 2002 sollen im Laufe des Oktober einige Forschungsprojekte des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Uni Wien vorgestellt werden, bei denen die Studierenden aktiv mitwirken und Kooperationen mit wissenschaftlichen Institutionen im In- und Ausland stattfinden.
->   Profil des Instituts für Ur- und Frühgeschichte
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Impressionen der Ausgrabung -
 


Mont Lassois, mit seinen beiden Plateaus.

Maschinelles Abheben der Grasnabe im Bereich des Schnittes. Das Foto zeigt, daß das Befestigungswerk im Geländeprofil kaum sichtbar ist.

Händisches Überputzen der Humusschicht. Im Hintergrund Blick in die Ebene.

Studierende bei den ersten Meßversuchen. Die eigentlichen Vermessungsarbeiten erfolgen durch ein französisches Team; die Dokumentation der Schichtniveaus erfolgt durch unser Team.

Freiputzen des Steinversturzes in Hanglage.

Reinigen der keramischen Funde. Das Anschreiben und Zusammensetzen der Funde sowie die zeichnerische Aufnahme erfolgt durch eine eigene Arbeitsgruppe unter Anleitung einer erfahrenen Prähistorikerin.

 


Sichten und Besprechen der Grabungsdokumentation und der Stratigraphie am Abend.
Exkursionsziele in der Umgebung

Statue des Vercingetorix
Die Wochenenden werden von den Studierenden zur Besichtigung benachbarter Grabungsstätten und Museen verwendet.
->   Alesia
->   Seine-Quelle

Rettungsgrabung eines keltischen Grabenwerkes mit mehreren Heiligtümern, darunter ein Rundbau.
->   Dijon

 


Grabungspause
 
 
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 

 
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