Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Ökologie und Ökonomie der Kupferzeit - 1. Teil
Das Institut für Ur- und Frühgeschichte forscht - IIIa
 
  Vor rund 5000 Jahren fanden im Donauraum wirtschaftliche und soziale Umbrüche statt. Ausgrabungen in kupferzeitlichen Siedlungen zeigen uns ein Bild der Zeit und der Veränderungen - ein Netz von kleinen befestigten Höhensiedlungen entsteht.  
Die Kupferzeit - eine Zeit vieler Veränderungen

Gussversuche mit Kupfer im Museum
(Foto VIAS)
Der Zeitraum des 4. und 3. Jahrtausends v. Chr. - die sog. Kupferzeit (4.300-2.200 v. Chr.) - war gekennzeichnet durch viele Veränderungen und Innovationen. Mit der Erfindung des Rades wurden die Menschen mobiler und Kontakte über weite Entfernungen erleichtert.

Das Kupfer begann eine Rolle zu spielen. Obwohl bislang noch nicht sehr viele Gerätschaften oder Schmuck aus Kupfer gefunden worden sind, zeigt sich, dass sehr wohl das Know How der Prospektion bzw. gezielten Suche nach Kupfererz und einer Verhüttung sowie auch einer anschließenden Verarbeitung bereits vorhanden gewesen war. Nur Spezialisten beherrschten diese neuen Technologien.
->   Museum für Urgeschichte in Asparn/Zaya
Gesellschaftliche Veränderungen
Nicht jeder besaß den gleichen Zugang zu Kupfer. War dies mit ein Grund, warum sich gerade in jener Zeit relativ viele kleine Kulturgemeinschaften herausbildeten?

Während wir in der mittleren Jungsteinzeit großräumige Kulturerscheinungen fassen können, ist es auffallend, dass ab dem ausgehenden 4. und schließlich im 3. Jahrtausend v. Chr. kleinräumigere Gemeinschaften entstanden waren. Dies war offensichtlich auch durch einen Wandel in der Gesellschaftsstruktur bedingt, da die Dörfer ebenfalls kleiner wurden.
->   Neues zur Kupferzeit im orf.at
Der Rückzug auf geschützte Siedlungsareale in Höhenlagen

Spielberg/Pielamünd
Man zog sich nun gerne auf Höhenlagen zurück und befestigte die Siedlungsareale mit Gräben. Vielfach nutzte man günstige topographische Lagen auf Felsspornen, die meist an drei Seiten durch Steilabhänge sehr gut geschützt waren. Durch die arbeitsintensive Anlage von relativ mächtigen Abschnittsgräben an den leicht zugänglichen Seiten, die häufig in den Felsen als Sohlgräben eingetieft worden waren, verhinderte man ein rasches Eindringen vom Hinterland her.

3D-Modell der kupferzeitlichen Felsspornanlage von Spielberg/Pielamünd, NÖ (Grafik: G. Artner, ASINOE)
Vor wem musste man sich schützen?

Schädel mit Hiebverletzungen
Nur vor Wildtieren, die in den nahen Wäldern lebten und sich gerne der Feldfrüchte nächst den Siedlungen bedienten? Errichtete man diese Anlagen des Prestiges wegen, möglicherweise zu Repräsentationszwecken? Oder waren es andere Gemeinschaften derselben Population oder vielleicht fremde Bevölkerungsgruppen mit anderen Kulturausprägungen, mit anderen Sitten und Gebräuchen, die Auseinandersetzungen und Unruhe in den Dorfalltag brachten?
Einige Aspekte der jüngeren Forschungen deuten derzeit auf letzteres Argument. Jedoch ist es notwendig, die Ursachen für mögliche Aggressionen näher zu erforschen.

Bild: Der menschliche Schädel wurde in einem der Gräben von Krems/Hundssteig gefunden (alle Kremser Grabungsfotos von F. Pieler, ASINOE)
Krems/Hundssteig
 


Die durch den Steilabfall gut geschützte Siedlungsfläche von Krems/Hundssteig (Foto: A. Krenn-Leeb, IUFG Wien)
Europas tiefste Gräben der Kupferzeit

Krems/Hundssteig, Grabenprofil
Im Zuge einer Errichtung einer Reihenhausanlage wurde am Hundssteig in Krems an der Donau (NÖ) eine Siedlung der kupferzeitlichen Jevisovice-Kultur entdeckt. Umfangreiche Grabungen durch den Verein ASINOE (Archäologisch-Soziale Initiative Niederösterreich) im Auftrag der Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes erbrachten neben einer mehrphasigen Siedlung auch drei Befestigungsgräben (Bild), die die Siedlung vom Hinterland schützten.
->   ASINOE
Erdbrücken

Krems/Hundssteig
Massive Erosionsprobleme ließen die Gräben teilweise über 7 m tief in den Löss einschneiden. Die Gegenmaßnahmen der damaligen Bewohner - wie wiederholtes Aufschütten und Ableiten der Gräben bis hin zum Ersatz der weggerissenen Erdbrücken durch aufwendige Holzkonstruktionen - zeigen nicht nur ein hervorragendes technologisches Know How, sondern auch den ungebrochenen Willen zum Erhalt der Befestigungsanlagen. Dies führt uns wiederum deutlich das Schutzbedürfnis der damaligen Bevölkerung vor Augen.

 


Wurde die Erdbrücke zerstört, errichtete die Menschen vor rund 5000 Jahren Holzbrücken auf massiven Pfählen. Die Standspuren (Pfostengruben) sind deutlich im Profil erkennbar.
Spielberg/Pielamünd - die einzige und erste komplett ergrabene Siedlung der Kupferzeit in Österreich

Modell
Bereits in den Jahren 1969 und 1970 mussten anlässlich des Baues der Melker Donaubrücke archäologische Untersuchungen durch die Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes durchgeführt werden, da das südliche Widerlager genau auf einem kleinen Felssporn - der Flur Pielamünd - angelegt wurde. Dieser kleine Felssporn mit einem kleinen Plateau wurde in der Prähistorie ab der mittleren Jungsteinzeit bis zu den Römern immer wieder besiedelt worden war (zweite Hälfte 4. Jahrtausend v. Chr. - 4. Jahrhundert n. Chr.). Es handelt sich um die bislang einzige, komplett ergrabene spätjungsteinzeitliche Höhensiedlung Österreichs.

In der späten Jungsteinzeit wurde das kleine Plateau offenbar am umfassendsten besiedelt, was sich in einer großen Menge an Keramikscherben niederschlug, die als Siedlungsabfall in zerbrochenem Zustand seinerzeit in die Erde gelangt waren.
Einige wenige Abfallgruben zeigten die ehemaligen Siedlungsbereiche an, auf denen ursprünglich die Häuser und Hütten gestanden hatten. Aufgrund der späteren prähistorischen Überprägungen durch andere Bevölkerungs- bzw. Kulturgruppen hatten sich kaum Standspuren der Häuser bzw. der Hausgrundrisse mehr erhalten. Lediglich zwei massive, bis zu 2,50 m tiefe Gräben, die das kleine Plateau vom Hinterland her abtrennten und ein extrem gut geschütztes Areal entstehen ließen, konnten noch der Jevisovice-Kultur zugeordnet werden.

 


Ein Modell im neuen Museum für Urgeschichte in Asparn/Zaya zeigt eine Rekonstruktion der kleinen Siedlung von Spielberg/Pielamünd. Deutlich sind die Verteidigungsgräben und die Holzbrücken zu erkennen. (alle Objektfotots von O. Chrstos, IUF)
Ökologie und Ökonomie in der Kupferzeit
Seit 1999 werden im Rahmen eines Forschungsvorhabens unter der Leitung von Univ.-Ass. Mag. Dr. Alexandra Krenn-Leeb am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien die ökologischen und ökonomischen Grundlagen der Kupferzeit gezielt untersucht.

Es wurde die Jevisovice-Kultur (ca. 3.200/3.100-2.600 v. Chr.) als repräsentative und regional überschaubare Kulturerscheinung ausgewählt. Die Ansiedlungen der Jevisovice-Kultur sind gekennzeichnet durch eine stereotype Siedlungsplatzwahl auf kleinen Höhenlagen.
...
Die kupferzeitliche Jevisovice-Kultur
Was ist die Jevisovice-Kultur? Es handelt sich um die Kultur einer kupferzeitlichen Bevölkerungsgruppe, die sich aufgrund von gleichen Gefäßformen, Werkzeugen, Gerätschaften, Technologien, Siedlungs- und Bestattungsgewohnheiten als eine geschlossene Gemeinschaft präsentiert.

Sie umfasst das Gebiet um Melk, die Wachau, den Dunkelsteinerwald, das Krems- und Kamptal, den Wienerwald und ist bis in den südmährischen und geringfügig auch in den westslowakischen Raum verbreitet. Dort befindet sich auch der namengebende Fundort Jevisovice (Jaispitz) im Bezirk Znojmo (Znaim). Er wurde 1914 von J. Palliardi ergraben und erbrachte erstmals das für diese Kultur charakteristische Fundmaterial.

Für Österreich wird nach den jüngsten Forschungen von E. Ruttkay (NHM Wien) und A. Krenn-Leeb die Jevisovice-Kultur chronologisch gegliedert, wobei die älteren Phasen Fazies Wachberg und Fazies Spielberg sowie die jüngere Phase Mödling-Zöbing-Gruppe nach bedeutenden niederösterreichischen Fundstätten benannt werden.
...

 


Schüssel mit kennzeichnender Verzierung der Jevisovice-Kultur
Institut der Ur- und Frühgeschichte forscht
Anlässlich des Beginns des Wintersemesters und des Inkrafttretens des neuen Universitätsgesetzes 2002 sollen im Laufe des Oktober einige Forschungsprojekte des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Uni Wien vorgestellt werden, bei denen die Studierenden aktiv mitwirken und Kooperationen mit wissenschaftlichen Institutionen im In- und Ausland stattfinden.
->   Profil des Instituts für Ur- und Frühgeschichte
->   Institut für Ur- und Frühgeschichte forscht - I
->   Institut für Ur- und Frühgeschichte forscht - II
Forschungsprojekt Ökologie und Ökonomie der Kupferzeit
Leitung: Univ.-Ass. Mag. Dr. Alexandra Krenn-Leeb (IUF)
Finanzierung: Universität Wien, Land Niederösterreich, BMBWK

Literaturauswahl:
A. Krenn-Leeb, Die jung- und endneolithische Besiedlung von Spielberg-Pielamünd, Dissertation, Univ. Wien 1998.
A. Krenn-Leeb, Die endneolithische Siedlung am Kleinen Anzingerberg, Arch. Österr. 10/2 (1999) 19-20.
F. Pieler, Die archäologischen Untersuchungen der spätneolithischen Befestigungsanlage von Krems ¿ Hundssteig. In: B. Wewerka (Hrsg.), Bericht zu den Ausgrabungen des Vereins ASINOE im Projektjahr 2001. Fundber. Österreich 40, 2001, 503-513.
E. Ruttkay, Spätneolithikum. In: E. Lenneis/Chr. Neugebauer-Maresch/E. Ruttkay, Jungsteinzeit im Osten Österreichs. Wiss. Schriftenr. Niederösterreich 102-105, 1995, 108-209.

Anfragen bitte an: Alexandra Krenn-Leeb@univie.ac.at
->   Alexandra Krenn-Leeb
->   Ökologie und Ökonomie der Kupferzeit - 2. Teil
Impressum: Text und Illustration: Alexandra Krenn-Leeb (IUF)
Berichterstatter dankt herzlich Kollegin Krenn-Leeb für die Zurverfügungstellung aller Texte und Fotovorlagen
 
 
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick