Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Feuerstein - Stahl der Urzeit
Das Institut für Ur- und Frühgeschichte forscht V
 
  Durch die systematische Sammlung von Rohstoffproben und Untersuchung von Steingeräteinventaren wird Umfang, Größe und Intensität des Handels während der Steinzeit festgestellt. Voraussetzung dafür sind petrographische Analysen und der Ausbau einer Lithothek.  
Feuerstein - Stahl der Urzeit

Flint aus Südengland
Die unter dem volkstümlichen Begriff Feuerstein bekannten kieselsäurerhältigen Gesteine und Mineralien stellen die ältesten bekannten Rohstoffe der Menschheitsentwicklung dar. Weitere geläufige Benennungen sind Hornstein, Flint, Chert oder materialneutral Silex.

Wesentliche Eigenschaften wie Dauerhaftigkeit, Härte und Sprödigkeit, teils hervorragende Bearbeitungsmöglichkeiten sowie in manchen Regionen der Welt massenhaftes Vorkommen lassen bereits sehr frühe industrielle Ausprägungen wie standardisierende Massenproduktionen und bergmännische Abbaue (seit etwa 50 bis 40.000 Jahren) erkennen.
Der älteste Rohstoff

Quarzit aus Westböhmen
Aus der Altsteinzeit und Mittelsteinzeit bestehen die archäologischen Hinterlassenschaften seit zumindest zweieinhalb Jahrmillionen aus Feuerstein. Erst in den letzten 10 000 Jahren ist ein allmählicher Wandel zu einer erweiterten Palette von anorganischen Rohstoffen faßbar.

Gebrannter Ton dient für Gefäße, Steine werden gesägt, gebohrt und zu Beilen, Äxten und Keulenköpfen zugeschliffen.

 


Modern gewonnener Baiersdorfer Plattenhornstein aus Niederbayern. Ein Steingerät aus diesem Rohstoff wurde im Bereich von Melk entdeckt - es belegt weiträumige Kontakte zur Jungsteinzeit.
Aufbau einer Lithothek am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien

Plattenhornstein
Im Rahmen eines über den europäischen Raum hinausreichenden Forschungsprojektes unter der Leitung von Prof. Gerhard Trnka wird eine Lithothek aufgebaut, deren Schwerpunkt auf diesen Rohstoff gerichtet ist. Wenngleich eine Vollständigkeit nie erreicht werden kann, werden am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien ausgewählte und repräsentative Silexrohmaterialien in ihren Vorkommen (Lagerstätte), ihrer Gewinnung, Verarbeitung, Verbreitung (Handel und Austausch) dokumentiert und gesammelt.

Eigens adaptierte Räumlichkeiten, in den die Steinproben aufbewahrt und katalogisiert werden, bieten der Fachkollegenschaft wie den Studierenden die Möglichkeiten des Studierens der Steine.

Bild: Sichel aus Baiersdorf - ein Importstück aus dem Melker Raum (Museum Melk).
Internationales Forschungsprojekt

Hornstein-Depot
Ein wichtiges Augenmerk ist auf die genaue geologische und eindeutig erkennbare geostratigraphische Position und Differenzierung der Probenentnahmen gerichtet, wie sie nur in ungestörten Aufschlüssen oder bei Ausgrabungen angetroffen werden. Daran geknüpft ist auch eine internationale Zusammenarbeit mit zuständigen KollegenInnen.

Petrographisch-mineralogische Analysen für genaue Ansprachen und Herkunftsbestimmungen sowie eine digitale Datenbank mit umfassender Information und Dokumentation im Internet sollen das Ergebnis dieser Bemühungen sein.

Bild: Arnhofener Rohstoffimporte aus Arnhof (Bayern) ins nördliche Niederösterreich (Eggendorf am Walde - Höbarth-Museum Horn).
->   Kulturpark Kamptal

 


Nachweis eines Imports einer Sichelklinge aus Baiersdorfer Plattenhornstein in das nördliche Niederösterreich (Krahuletz-Museum Eggenburg).
Kooperation zwischen Univ. Wien u. Österr. Akad. d. Wiss.
Ein von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bewilligtes dreijähriges Projekt zur Erfassung und Analyse von Rohstoffen prähistorischer Steinartefakte unterstützt dieses universitäre Forschungsvorhaben.
->   Prähistorische Kommission der ÖAW
JUNGSTEINZEITLICHE BERGBAUE

Flint aus Spiennes
In vielen Bereichen der Alten Welt wurden bisher jungsteinzeitliche Bergbaugebiete entdeckt. Entsprechend der Lagerstätten wurden zur Gewinnung mehr oder weniger tiefe Schächte in den Boden getrieben und dann - auf Höhe des begehrten Flints - Erweiterungen durchgeführt.

Beispiele für diese Weitungsbaue werden aus Belgien, Großbritannien, Bayern sowie Wien gezeigt.
Bergbau von Spiennes
 


Weitungsbau aus Spiennes (Südbelgien).
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Flintmining Field
Grimes Graves
Eines der bekanntesten, rund 350 Pingen umfassendes, Bergbaugebiet fand sich in Grime's Graves (England).

Innerhalb der archäologisch untersuchten Pingen wurden Reste von hölzernen Einbauten sowie ein Grubengeleucht gefunden.

Ein Schacht mit sieben seitlich abzweigenden Gallerien ist für die Öffentlichkeit zugänglich.
->   Flint-Bergbau in Norfolk
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Hornsteinbergbau in Arnhofen (Niederbayern)
 


Überblick über das Grabungsareal mit den Schächten. Rohstoff aus diesem Bergbaugebiet in Niederbayern wurde unter anderem im Waldviertel gefunden (siehe Abbildung oben).

 


Rekonstruktion mit Schachtabbau.
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Radiolarit
Neolithischer Feuersteinbergbau in Wien
In der Nähe des Gasthauses Schießstätte befindet sich bei Mauer, Antonshöhe, einer der ältesten Bergbaue. Informationstafeln vor Ort erläutern die 1929/1930 von J. Bayer (NHM Wien) durchgeführten Ausgrabungen.

Innerhalb der Juraklippe in Wien 23. befinden sich schräg einfallende Hornsteinschichten. Sie wurden durch bis zu 10 m tiefe, senkrechte Schächte von oben durchstoßen. Von dort aus wurden kurze untertägige Strecken (horizontale Vortriebe) angelegt und der Radiolarit abgebaut. Die im Versturz der Bergwerkstollen gefundenen Beinharken, Keile und Brechstangen sind im NHM Wien zu sehen.
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Mauer-Antonshöhe


Altes Foto der Grabung 1929. Deutlich sind im anstehenden Felsen die durch den modernen Bergbau angeschnittenen Schächte zu erkennen.
AKTUELLE NEUFUNDE

Wien, Neugebäude
Feuerstein wurde auch noch in der Neuzeit als Flintenstein für Steinschloßpistolen bzw. - gewehre verwendet. Ein Flintensteindepot wurde jüngst in Wien 11. beim Schloß Neugebäude entdeckt, wo einst ein Militärmagazin untergebracht war.

Neben zahlreichen Flintensteinen und Pistolenkugeln fanden sich auch bleiblechgefaßte Flintensteine. Sie datieren vermutlich in das 18. Jahrhundert.
->   Stadtarchäologie

 


Bleiblechgefaßte Flintensteine zum Entzünden des Pulvers.

 

Wien, Neugebäude


Depot mit Flintensteinen.
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Institut der Ur- und Frühgeschichte forscht
Anlässlich des Beginns des Wintersemesters und des Inkrafttretens des neuen Universitätsgesetzes 2002 sollen im Laufe des Oktobers und Novembers einige Forschungsprojekte des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien vorgestellt werden, bei denen die Studierenden aktiv mitwirken und Kooperationen mit wissenschaftlichen Institutionen im In- und Ausland stattfinden.
->   Profil des Instituts für Ur- und Frühgeschichte
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->   Institut für Ur- und Frühgeschichte forscht IV
Impressum: Text und Photos von Gerhard Trnka
Berichterstatter dankt herzlich Kollegen Gerhard Trnka für die Zurverfügungstellung des Textes und der Fotovorlagen.

Anfragen bitte an: Gerhard.Trnka@univie.ac.at
->   Prof. Gerhard Trnka
 
 
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 

 
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