Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Urgeschichte im Schulunterricht, 2. Teil
Institut für Ur- und Frühgeschichte forscht - VI b
 
  Die Urgeschichte im Schulunterricht wird anhand von Lehrplänen und Schulbüchern im Rahmen eines Seminars analysiert. 2. Teil - bis zu den neuen Lehrplänen der AHS-Oberstufe aus dem Jahre 2002, in denen die Urgeschichte ersatzlos gestrichen wurde.  
Seit dem ausgehenden 19. Jhdt. war die Urgeschichte Bestandteil des Geschichtsunterrichts. Am Anfang lediglich im Bereich der Einführung bzw. - etwas versteckt - als Vorspann der "Römer in Österreich".

Anfang des 20. Jhdts. wurden dann auch urgeschichtliche Funde abgebildet. Der Geschichtsunterricht in der ausgehenden Monarchie war geprägt von einer besonderen Bevorzugung der Griechen und Römer. Die Beschäftigung mit orientalischen Kulturen sollte dagegen eingeschränkt werden, um die Schüler nicht mit neuen Ideen zu verwirren.

Im Bereich der Frühgeschichte wurden vor allem die Germanen intensiv behandelt sowie die Rolle der katholischen Kirche und die Bedeutung der Heiligen Severin, Rupert und Bonifacius hervorgehoben.
->   Urgeschichte im Schulunterricht, 1. Teil
1. REPUBLIK

Aus Vergangenheit und Gegenwart - Titelbild
Direkt nach Gründung der Republik waren noch kaum neue Geschichtsbücher vorhanden. Es wurden daher Lesebücher vom Schulbuchverlag herausgegeben, in denen ausgewählte Texte bekannter Dichter und Schriftsteller (Goethe, Schiller, Grillparzer etc.) zusammengestellt wurden. Die Beiträge in einem 1919 erschienen Buch, darunter auch einer von Renner, zeigen das Streben nach einer Vereinigung Österreichs mit Deutschland.

Dies änderte sich im Laufe der 20-er Jahre. Im Zuge der Reformen wurden 1921 und 1928 auch die Lehrpläne für den Geschichtsunterricht verändert. Die Vorgeschichte war nun Bestandteil der Alten Geschichte geworden; neben wichtigen österreichischen Fundorten wurden auch ausgewählte Funde dargestellt. Außerdem wurde der Besuch von archäologischen Sammlungen empfohlen.
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Geschichtsbuch aus 1919
Eine Ausnahme stellt Rudolf Fiedler's Lehrbuch der Geschichte für österr. höhere Gewerbeschulen ... dar, welches 1919 im Alfred Holder Verlag herausgegeben werden konnte.

Er behandelte im ersten Teil in einem eigenen Kapitel die "Ur- und Vorgeschichte des Menschen", danach folgt das Altertum mit den "morgenländischen Kulturvölker" (u. a. den hamitischen Ägypter, den Semiten und den Ariern), danach die Griechen und die Römer.

Eine besondere Germanophilie ist nicht herauszulesen: Bei den Ariern findet sich die Fußnote "**Hamiten, Semiten und Japhetiten (ein selten gebräuchlicher Name für die Arier) sind nach den Söhnen Noahs Ham, Sem und Japhet benannt." Und im Haupttext: "Als Kulturträger sind vorzüglich Kaukasier aufgetreten, von diesen zuerst die hamitischen Ägypter, fast gleichzeitig ... die semitischen Babylonier, dann die diesen verwandten ... Israeliten und Araber. Erst später gelangen die Arier** und im Westen die Iraner ...; sämtliche lebten auf asiatischen Boden. In Europa traten dann die westarischen Thrako-Illyriker, die Griechen, die Römer und die Kelten als höchst befähigte Völker auf. Die ebenfalls arischen Germanen und Slawen spielen erst im Mittelalter eine geschichtliche Rolle [sic!!)]."

Im Bereich der Urgeschichte werden kennzeichnende Elemente der älteren und jüngeren Steinzeit (Eolithen, Kjökkemöddinger etc.) referiert sowie die - unvermeidlichen - Pfahlbauten geschildert und abgebildet. Es schlichen sich auch Fehler ein, wie so oft in von Laien verfaßten Urgeschichtsbüchern: "In der jüngeren Steinzeit begann der Mensch ... mit dem Ackerbau, auf den oft befestigten Wohngruben, sogenannte Hausberge, schließen lassen." Es folgt die Metallzeit, die Kupfer-Verwendung, die Bronzezeit und die Eisenzeit mit der Hallstatt- und Latènekultur. Zuletzt ein Absatz über die Urheimat der Menschen, die - dem damaligen Wissensstand folgend - im Turanbecken gesucht wurde.
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Lesebuch aus 1919
 


"Aus Vergangenheit und Gegenwart" für das 6.-9. Schuljahr, zusammengestellt vom Schulbücher-Ausschuß des Deutschösterreichischen Unterrichtsamtes, veröffentlicht 1919, bietet an Stelle eines Lehrbuches eine Zusammenstellung von 72 Lesestücken, beginnend mit "Eine germanische Volksversammlung" von Felix Dahn, "Bekenntnis" von Alfons Petzold, "Der Weltkrieg" und die "Staatliche Neuordnung" von Karl Renner, "Was auch daraus werde" von F. Schiller, "Der Schaufler" aus der Arbeiter-Zeitung, "An die Mütter" von Ludwig Uhland, "Das ist der Sinn ..." von A. Wildgans, "Ein Besuch" und "Fürsprache" von Peter Rosegger, "Beherzigung" von J. W. Goethe, "'Ich will' und 'ich kann'" von F. Grillparzer und "Ein Traum im Traume" von M. Ebner-Eschenbach.

Interessanterweise fanden sich unter diesen bekannten Dichtern und Autoren als Nr. 70 - nach J. W. Goethe - das Gedicht "Tagelied" von Oswald Menghin, der erst 1917 den Lehrstuhl für Urgeschichte an der Universität Wien übernommen hatte. Es fällt auf, daß 'sein verehrter Meister', Richard v. Kralik, mit keinem Beitrag in diesem Schulbuch vertreten ist.
Lehrplan 1921

Der 1921 erlassenen Lehrplan für die Deutschen Mittelschulen sieht für Geschichte (mit Erdkunde zusammen) vor, daß "in kurzer rückläufiger Betrachtung (Großväterzeit, eine Ritterburg und Denkmäler aus der Römerzeit) das geschichtliche Bild der Heimat in seinen Umgestaltungen zur Urzeit hin zurückverfolgt werden" und "deren Verständnis durch Vorführung vorhandener Urzeitreste (im Museum, allenfalls durch Bilder) aufzuhellen ist". Einzelne Themen sind: "Unsere Ahnen in der germanischen Zeit; Schilderung ihres Lebens in großen Zügen", dann ausführlicher: "Was glaubten sie und was erzählten sie sich? Darstellung der germanischen Götter- und Heldensagen" (1. Klasse, 1. Halbjahr).
Lehrplan 1928

Rekonstruierte Pfahlbau der Bronzezeit aus
dem Attersee
Nach dem Lehrplan des österreichischen Realgymnasiums aus dem Jahre 1928 wird in der 1. Klasse dagegen keine Urzeit mehr gelehrt, sondern "einige einfache, zum Verständnis des Geschichtsunterrichtes notwendige Anschauungen, ausgehend von der Umwelt der Schüler, das Volk in seiner Gliederung, ..., Krieg und Frieden ..., große Menschen: Helden des Kampfes, der Arbeit, des Duldens".

In der 5. Klasse der Oberstufe findet sich dann eine "Einführung in das Studium der Geschichte; Vorgeschichte; Geschichte des Altertums ... bis zum Ausgang der Antike"

Ähnliches sieht auch der Lehrplan für das Reform-Realgymnasium (1928) in Geschichte und Bürgerkunde vor. Geographie wurde nun ein eigenständiger Gegenstand.
AUSTROFASCHISMUS

Während der Zeit des Austrofaschismus (Ständestaates) wurden in den Lehrbüchern verstärkt die christlichen Wurzeln und die "steigende Bedeutung Österreichs in der deutschen und europäischen Geschichte" dargestellt.

Die Rolle der Heiligen in der Heimatgeschichte wird in den Schulbüchern ausführlich geschildert - dabei werden aber kaum Originalquellen verwendet, sondern lediglich Legenden nacherzählt.
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Lehrplan des Gymnasiums (1935)
Lehrziel: "Weckung der Ehrfurcht vor großen Menschen und Taten und besonders der Liebe zum österreichischen Volk und Vaterland."
1. Klasse: "... Aus Österreichs Vorgeschichte. Die Römer in Österreich. Ausbreitung des Christentums auf österreichischen Boden. Gründung der Ostmark. ..."
5. Klasse: "... Urgeschichte mit Ausblick auf die Ergebnisse der völkerkundlichen Forschung ..."

Bemerkung zur 5. Klasse: "Jedoch wird sich der Lehrer in der Behandlung der ältesten Kulturzustände bei den Germanen verhältnismäßig kurz fassen können, weil diese Aufgabe dem Deutschunterricht zugeteilt ist."
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Das Treffen von Severin und Odoaker ist eines der beliebtesten Motive in den Schulbüchern der ausgehenden Monarchie und der 1. Republik, besonders des Ständestaates.
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Am Anfang war das Feuer und der Urmonotheismus
"Das Feuer und seine Verwendung kannte er [der Mensch der Altsteinzeit] schon und verehrte es als etwas Göttliches" - Zitat aus einem Schulbuch aus dem Jahre 1935

Besonders bei der Auswahl der Abbildungen in den Schulbüchern fällt auf, daß ethonographische Bilder zur Illustration urgeschichtlicher Gesellschaften herangezogen wurden. Hier werden wohl die Einflüsse von Pater Wilhelm Schmid, dem bekanntesten Proponenten der "Wiener Schule" der Ethnographie mit seiner Kulturkreislehre, bzw. die von Oswald Menghin, dem Verfasser der "Weltgeschichte der Steinzeit", in der er konsequent die Thesen der Kulturkreislehre auf die Entwicklung der Alt- und Jungsteinzeit anwendet, deutlich. Daneben werden verstärkt urgeschichtliche Funde gezeigt.
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Vormilitärische Erziehung und Vaterlandskunde im Ständestaat

Tongefäße der Hallstattkultur aus NÖ
Als besondere Neuerung in den Lehrplänen des österreichischen Gymnasiums und Realgymnasiums vom 12. Juni 1935 ist die Einführung einer VORMILITÄRISCHEN ERZIEHUNG im Rahmen des Turnunterrichtes für Knaben; ferner ist der Lehrstoff aus Geschichte, Geographie und Bürgerkunde Österreichs in der 8. Klasse unter dem Namen VATERLANDSKUNDE zusammengefaßt.
NS-ZEIT
Geschichtsunterricht
Das Schulsystem der NS-Zeit ist im Gegensatz zu den vorangegangenen und nachfolgenden Epochen besser untersucht.

So wurden die amtlichen Erlässe von R. Fricke-Finkelnburg in "Nationalsozialismus und Schule" (Opladen 1989) herausgegeben oder hat Manfred Sparr bei Prof. Pelinka an der Univ. Innsbruck 1983 die Diplomarbeit "Erziehung zum Rassismus und Militarismus in den nationalsozialistischen Schulbüchern 1933-1945" bearbeitet.

Oberste Erziehungsziele der Schulen im Nationalsozialismus waren bekanntlich die Erziehung zur Volksgemeinschaft, zum Rassenbewußtsein und zum Wehrwillen bzw. Militarismus. Dem Geschichtsunterricht kam dabei eine entscheidende Rolle zu; er war Teil der politischen Erziehung oder besser gesagt, der politischen Indoktrination.
Rassenkunde im Unterricht
Grundlage des nationalsozialistischen Geschichtsbildes war, daß die Rassen Träger der Geschichte sind und der Kampf vor allem von Helden bzw. Führern getragen wurde.

So bestimmt ein Erlass des Reichsministers für Wissenschaft ... 1935 (RMinAmtsbl. 1935, S. 43) die Aufgabe des Geschichtsunterrichtes folgendermassen:

"Die Geschichte hat die Bedeutung der Rassen für das Werden und Vergehen der Völker und ihre Leistungen aufzuzeigen, die Erkenntnisse für unser Volk anzuwenden und in Gesinnung umzusetzen. ... Die Weltgeschichte als als Geschichte rassisch bestimmter Volkstümer darzustellen. An die Stelle der Lehre "Ex oriente lux" tritt ein Erkenntnis, dass mindestens alle abendländischen Kulturen das Werk vorwiegend nordisch bestimmter Völker sind ... Daraus erwächst die Pflicht, bei aller Geschichtsbetrachtung von der Heimat der Nordrassen auszugehen und von hier aus alles Geschehen, auch das in ferner gelegenen Ländern (...) zu betrachten. Ausgangspunkt und Grundlage muss daher die germanische Frühgeschichte (etwa seit 2000 v. Chr.) sein.
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Dieser gewaltige Kampf ist nicht von den Massen, sondern vor allem von den grossen Führern getragen worden. ...

Umgesetzt in einen Lehrplan der Geschichte (RdErl d. RMfWEV vom 10.11.1943) sieht dies folgendermassen aus:

- Entstehung und Ausbreitung der indogermanischen Völker
- Aufstieg, Blüte und Niedergang der Griechen und Römer (in ganz grossen Zügen).
- Germanentum in urgermanischer und grossgermanischer Zeit.
- Die Ausbreitung der Germanen über Europa. Die Bedeutung des Germanentums für die Entstehung der europäischen Völkerwelt.
- Das Frankenreich
- Die Begründung des Deutschen Reiches (Heinrich I., Otto I.).
u.s.w.
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Exzerb eines NS-Schulbuches: "Volk und Führer"
Neandertaler, klein, nicht aufrecht gehend; zog nach Süden und starb aus.

Vorfahren der Germanen: Cromagnon-Mensch etc., Rentierjäger, der harte Kampf mit Klima und Umwelt führt zur Entstehung der nordischen und fälischen Rasse.

Nordische Urzeit der Indogermanen: Nordische Großsteingräber, thüringische Schnurkeramiker; Deutsches Volk ist im Kern eine Bauernkultur.
Wanderungen in den Süden und bis nach Indien. Überlegenheit der Arier.

Urgermanische Zeit mit Kunstwerken, Luren etc.; Germanen besitzen hohe Kunstfertigkeit
Entstehung des Germanentums mit Ehrgefühl, Sippe, Wehrhaftigkeit, Bauern- und Kriegervolk.

Großgermanische Zeit: Zeit der Wanderungen; Kimberzug mit Schlacht bei Noreia; Schlacht im Teutoburger Wald mit dem ersten Führer, Armin der Cherusker wehrt Römer ab. Wanderungen der Ost- und Westgermanen; bilden Germanenreiche, die jedoch nicht von langer Dauer sind, weil sie die "rassische Reinheit" in den fremden Landen aufgeben.
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Urgeschichte in der NS-Zeit = Volksgeschichte
Die Schulbücher sind nicht einheitlich in ihrer Terminologie - das Jungpaläolithikum wird meist als "Vorfahren der Germanen", das Neolithikum als "Nordische Urzeit der Indogermanen" und die Bronzezeit als "Urgermanische Zeit" bezeichnet. Die Eisenzeit wird mit der Völkerwanderungszeit als "Großgermanische Zeit" zusammengefaßt, in der die Römer nur als Gegner der Germanen interessant erscheinen. Der Abschnitt endet mit "Unseren Ahnen" - den Wikingern.

Die Arbeit der Vorgeschichte wird öfters in den Schulbüchern konkret angesprochen und mit den Zielen der "wahren Geschichte", der "Volksgeschichte" verknüpft. Deren Ziel sei es nach den "rassischen Wurzeln" der Völker zu fahnden. Viele Fundstätten erhielten dadurch den Charakter von "Kultstätten".

Als Unterrichtsbehelfe werden nicht nur Schulbücher, Schulwandkarten und -bilder, sondern auch Filme, Lichtbilder und Modelle eingesetzt. Neben dem Schulunterricht kamen den verschiedenen Jugendorganisationen starke Aufgaben im Bereich der politischen Bildung zu.
Schulwandbild "Wehrhaftes Bauerntum"
 


Germanisches Gehöft um Christi Geburt, Bilder zur Vorgeschichte Nr. 9, Leipziger Schulbuchverlag.

Die Rolle der Frau als Mutter bzw. der Männer als Krieger, entsprechend der NS-Ideologie, wird bei diesem Schulwandbild deutlich. Ergebnisse der archäologischen Bodenforschung wurden von dem Maler in keinster Weise berücksichtigt.
2. REPUBLIK - 1955
In den 1955 beschlossenen provisorischen Lehrplänen für die Mittelschulen finden sich im Fach Geschichte Passagen des Lehrplanes aus der 1. Republik ("Helden des Duldens" etc.), daneben treten die "demokratischen Einrichtungen" Österreichs in den Vordergrund.

In der 1. Klasse sind "zur Veranschaulichung der Anfänge menschlicher Kultur Bilder aus der Urgeschichte heranzuziehen".

In Lehrplan der 5. Klasse findet sich dann eine "Einführung in die Urgeschichte" sowie "die ältere und jüngere Steinzeit (Fundstätten in Österreich), die Kulturen von Sammlern, Jägernomaden und Ackerbauern; Bronze- und Eisenzeit; wirtschaftliche Verhältnisse und Entstehen der Berufe."

Die Frühgeschichte wird am Ende der 5. Klasse behandelt: "Die Völkerwanderung als wirtschaftliches, politisches und kulturelles Phänomen; Unterschied der Kulturhöhe zwischen Römern und Germanen".
Schulbücher, von Fachleuten verfaßt

Kultwagen von Strettweg aus Pittionis Beitrag.
In den Schulbüchern wirkten nunmehr Universitätslehrer direkt mit. Im "Lehrbuch der Geschichte für die Oberstufe ...", welches von F. Heilsberg und F. Korger 1949 herausgegeben worden ist [und 1968 noch mein Schulbuch war], verfaßt R. Pittioni, langjähriger Professor und Vorstand des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien, das I. Kapitel Urgeschichte.

Inhaltlich gut, doch nicht immer sehr gut lesbar. Bei der Bebilderung vermied man Rekonstruktionen und Lebensbilder, sondern beschränkte sich auf die Abbildung von Funden.
->   Richard Pittioni

Nach Ertl
In den 60er Jahren wurden dann - zumindest vereinzelt - die Schulbücher wieder von Lehrern zusammengestellt und dabei auf populärwissenschaftliche Arbeiten zurückgegriffen. Die Qualität - zumindest soweit sie die Ur- und Frühgeschichte betraf - sank(beispielsweise die völlig falsche Rekonstruktion eines sogenannten Grubenhauses). Seit den 80er Jahren entstanden dann die Lehrbücher in Teamarbeit zwischen erfahrenen Fachleuten, Lehrern und Pädagogen.

Trotzdem finden sich vereinzelt Fehler, die oft recht kurios wirken. So verweist eine Abbildungsunterschrift in einem Lehrbuch aus den 90er Jahren unter einem spätneolithischen Megalithdenkmal auf einen "keltischen Grabbau" und übernimmt damit eines der wenigen grundlegend falschen Bilder aus Asterix - die Herstellung von Megalithen durch die Gallier bzw. durch Obelix.
Schulreform 1967
Im 1967 beschlossenen Lehrplan der AHS betreffend Geschichte und Sozialkunde sind im Lehrstoff der 2. Klasse "Bilder aus dem Bereich der Urgeschichte" und konkret "Abgrenzung von Urgeschichte und Geschichte", "der Fund und seine Auswertung", "vom Sammler und Jäger zum Bauern", "Familie, Sippe, Dorfgemeinschaft", "Steinzeit; Metallzeit (Hallstatt)" und "Entstehung des Handwerks" genannt.

In der Oberstufe findet sich die Urgeschichte weiterhin in der 5. Klasse mit einem "Überblick über Kulturen, Gesellschafts- und Wirtschaftsformen; wichtigste Fundstätten, insbesondere in Österreich."
Zitiert nach Lehrpläne der AHS (Wien 1984).
Urgeschichte heute in der AHS-Unterstufe
In den derzeit gültigen Lehrplänen der Unterstufe der AHS findet sich durchwegs noch die Urgeschichte:

"Die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur und ihre Auswirkung auf die Organisation des menschlichen Zusammenlebens.

Das Leben des Menschen in verschiedenen Gemeinschaften und Lebenswelten unter Berücksichtigung des Alltags und der Geschlechterverhältnisse (Nomadentum, Bauern und Dorf, mittelalterliches Leben und höfische Kultur).

Arbeitswelt, Entwicklung der Arbeitsteilung und Formen des Wirtschaftens (Naturalwirtschaft, Tauschwirtschaft, Sklavenwirtschaft, mittelalterliche Grundherrschaft, Entstehung des Marktes, Technikgeschichte). ... Charakteristika früher Hochkulturen und der griechischen und römischen Antike.

Die Entwicklung des Weltbildes unter Einbeziehung von magischen, mythischen und religiösen Vorstellungen ...
Grenzen und Räume - Besiedlung und Integration des österreichischen Raumes bis zur Entwicklung einer politischen Einheit unter den Babenbergern und Habsburgern.

Kunst und Kultur als Ausdrucksform einer Epoche."
->   Lehrplan AHS-Unterstufe bzw. Hauptschule "Geschichte und Sozialkunde"
*.pdf-Datei
Urgeschichte heute in der AHS-Oberstufe -
ersatzlos gestrichen
Im zuletzt erlassenen Lehrplan der Geschichte und Sozialkunde für die AHS Oberstufe, der erstmals im Schuljahr 2003/04 angewendet wird, findet sich dagegen für die 5. Klasse kein Hinweis mehr auf die Urgeschichte:

"Von den Anfängen der Geschichte bis zum Ende des Mittelalters. 1. Typische Merkmale früher Hochkulturen. 2. Politische Organisation, gesellschaftliche Entwicklung, Wirtschaft und Kultur des mediterranen Raumes (Polis, res publica, ...). 3. Formen und Modelle der politischen Beteilung - Gegenüberstellung mit gegenwärtigen Demokratiemodellen 4. Wechselwirkungen von Religion, Kultur, Staat und Politik in europäischen und außereuropäischen Machtzentren ... 5. Expansion und Migration und deren soziokulturellen Auswirkungen (griechische und römische Expansionen; Völkerwanderungen; Zerfall des römischen Reiches; etc.) 6. Die Entwicklung des Rechtes im Spannungsfeld von Herrschaft und Zusammenleben (Ständegesellschaft ...).
->   AHS-Lehrplan "Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung"
*.pdf-Datei
Der Kreis schließt sich
Das Fallbeispiel Urgeschichte zeigt deutlich, daß der Geschichtsunterricht bzw. die Lehrpläne jeweils den politischen Zielen der staatlichen Autoritäten verpflichtet waren und sind.

Aufgabe des Geschichtsunterrichtes war daher die Stärkung der bestehenden Institutionen und Ideologien - in der Monarchie die Bedeutung des Hauses Habsburg, im Ständestaat die Aufgaben der römisch katholischen Kirche, in der NS-Zeit den Rassengedanken und in jüngster Zeit die Ideen der europäischen Einheit.

Die Stellung der Geschichte im Fächerkanon hat sich ebenfalls deutlich verschoben. Stand die Geschichte am Anfang der Geographie sehr nahe (was durchaus im Sinne der Archäologie ist), so rückte sie später zur Vaterlandskunde. In der 2. Republik wurde dann die Geschichte mit der Sozialkunde und neuerdings mit der politischen Bildung verknüpft.

Die Tilgung der Urgeschichte aus den Lehrplänen der AHS-Oberstufe steht im deutlichen Gegensatz zu dem öffentlichen Interesse an Archäologie, das durch die Besuchszahlen der Sonderausstellungen deutlich wird. Es schmerzt daher, daß nach rund 120 Jahren die Urgeschichte wieder aus der Schulbildung der AHS-Oberstufe herausfällt.

Die enge Verbindung der Ur- und Frühgeschichte mit der Geographie und den anthropologischen Disziplinen (Ethnographie, Volkskunde, physische Anthropologie) sowie zahlreichen naturwissenschaftlichen Fächern (Radiokarbondatierung, Luftbildarchäologie mit Photogrammetrie, Paläobotanik und Paläontologie, Bodenkunde und Höhlenkunde etc.) ermöglichen trotzdem die Behandlung spezifischer ur- und frühgeschichtlicher Themen in Rahmen zahlreicher Unterrichtsfächer. Es bleibt zu hoffen, daß die Lehrenden davon Gebrauch machen.
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Institut für Ur- und Frühgeschichte forscht
Anlässlich des Beginns des Wintersemesters und des Inkrafttretens des neuen Universitätsgesetzes 2002 wurden im Herbst einige Forschungsprojekte des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien vorgestellt werden, bei denen die Studierenden aktiv mitwirken.
->   Profil des Instituts für Ur- und Frühgeschichte
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Berichterstatter dankt allen Seminarteilnehmern sowie der Leiterin der Fachbibliothek im BMBWK, die uns hervorragend beim Quellenstudium beraten und betreut hat.
Ergänzung: Die Fachbibliothek wurde mittlerweile im Zuge der heute so üblichen Reformen aufgelassen.
->   BMBWK
 
 
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 

 
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