Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Die Römer kommen
Neue Bücher zu den Römern in Österreich
 
  In den letzten Monaten erschienen vier Bücher zu den Römern in Österreich, in denen die Ergebnisse der provinzialrömischen Archäologie zusammengefasst und aktuelle Fragen angesprochen werden.  
Neue Ausgrabungen, neue Forschungen, neue Darstellungen
In mehreren Büchern liegen nunmehr die Ergebnisse der althistorischen, epigraphischen, archäologischen und numismatischen Forschungen in Österreich in übersichtlicher Form vor.

Zahlreiche Ausgrabungen der letzten Jahre brachten ein neues Bild zum Donaulimes und zum frühen Christentum im Alpenraum. Bei Rettungsgrabungen wurden in zahlreichen Städten (Wien, St. Pölten, Enns, Linz, Salzburg, Innsbruck und Bregenz) römische Ruinen freigelegt und untersucht.

Die Neuerscheinungen fügen die historischen und archäologischen Quellen zu einem Gesamtbild zusammen und regen nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Besuch von archäologischen Ausgrabungsstätten und Museen an.
Vorgeschichte - Königreich Noricum

Goldbarren-Gussform, Magdalensberg
Praktisch alle Arbeiten beziehen die ausgehende Eisenzeit ein. Viele Flussnamen im Alpen- und Donauraum zeigen heute noch ihre alteuropäisch-keltischen Wurzeln. Vorrömische Inschriften, zumeist in alpenetruskischen Alphabeten geschrieben, belegen außerdem die Veneter in Südkärnten und die Räter in Nord- und Südtirol.

Ein Bündnis alpiner Stämme unter der Vorherrschaft der Noriker (regnum Noricum) ist das erste historisch überlieferte politische Gebilde auf dem Boden Österreichs. Als Hauptort wird in den antiken Texten Noreia genannt, ein Ort, der bis heute nicht sicher lokalisierbar ist. 113 v. Chr. hat in der Nähe von Noreia die bekannte Schlacht zwischen den Kimbern und dem römischen Heer stattgefunden.

Zwischen dem römischen Senat und den norischen Königen bestanden gute Kontakte. Grund dafür waren wohl die reichen Goldvorkommen in den Alpen sowie das für die Waffenproduktion wichtige qualitätvolle Eisen (ferrum Noricum). Der norische König Voccio pflegte daneben auch diplomatische Beziehungen zu den nördlichen Nachbarn, den Germanen.

15 v. Chr. wurde unter Augustus das Königreich Noricum annektiert, danach vollzog sich die Romanisierung der keltisch-norischen Bevölkerung relativ zügig.
->   Archäologischer Park Magdalensberg
Die Grenzen des Regnum Noricum
 


Das Regnum Noricum reichte um Christi Geburt vom Inn im Westen bis Carnuntum im Osten; die Karnischen Alpen bildeten die Südgrenze. Die Karte zeigt die lokalisierbaren Stämme des norischen Königreichs.

Als die Römer erkannten, dass sie ihr Imperium nicht bis an die Nord- bzw. Ostsee ausdehnen konnten, machten sie die Donau zum Limes und richteten unter Claudius (41-54) die Provinzen Noricum (dunkelgraue Fläche) und Pannonien ein.
Eroberung von Raetien und Pannonien

Epona, kelt. Schutzgöttin aus Brigantium, 2. Jh.
Die Raeter sowie die in Süddeutschland lebenden Vindeliker musste dagegen durch einen Feldzug der beiden Kaisersöhne Tiberius und Drusus erobert werden - in diesem Zusammenhang wird auch eine Bootsschlacht am Bodensee (lacus Venetus) erwähnt.
->   Brigantium - das römische Bregenz
->   Reichsstraßen in Raetien
Langer Krieg um die Provinz Pannonien

Das Gebiet von Pannonien wurde dagegen in einem langwierigen Krieg, der von 13-9 v. Chr. dauerte, von den römischen Legionen erobert; 15 Jahre später widersetzte sich die einheimische Bevölkerung erneut der Okkupation. Der Aufstand konnte erst 9 n. Chr. von den Römern niedergeschlagen werden.

Im Bild zu sehen: Das Heidentor von Carnuntum, Hauptstadt der Provinz Pannonien
->   Archäologischer Park Carnuntum
Provinzen - Kulturlandschaften

Claudia Augusta, Prügelweg im Lermoos.
Die römische Provinzeinteilung spiegelt die drei großen Landschaftszonen Österreichs wider: Noricum weist mit seinen reichen Bodenschätzen, der bereits in der Antike hoch geschätzten Pferdezucht und den hervorragenden Handwerkern, seit Alters her starke Kontakte nach Süden wie nach Norden auf.

Raetien wird geprägt durch Hochgebirge, wo Wachs, Honig und Käse - wie Strabon in seiner Geographie berichtet - produziert wurden und wichtige Handelsprodukte waren.

Der nordwestliche Teil des fruchtbaren Pannonien umfasst heute das Burgenland und das Wiener Becken. Gemeinsam zeichnen die drei römischen Provinzen ein jeweils spezifisches Bild Österreichs.
Eckpunkte der historischen Betrachtungen

Gleisstraße beim Warmbad Villach
- der Straßenbau (siehe Bilder seitlich und oben)

- die römischen Stadtgründungen, die in mehreren Wellen unter Claudius (41-54), den Flaviern (69-96) und Hadrian (117-138) verliefen,

- die Entwicklung der römischen Administration unter der Leitung eines aus dem Ritterstand abstammenden Statthalters (Rätien und Noricum) bzw. eines Senators (Pannoniens),

- die Landreform im Zuge der Landverteilung und Ansiedlung der Veteranen,

- die diplomatischen und militärischen Aktivitäten am Limes und die Kämpfe mit den nördlichen Nachbarn, zuerst gegen die Sueben unter Marbod, dann die Markomannen, später die Alemannen.

- Parallel dazu verlief die Umwandlung der einheimischen Stammesgottheiten zu lokalen Gottheiten, die Einführung der Staatsreligion, später die Einflüsse der orientalischen Mysterienreligionen und zuletzt, in constantinischer Zeit, die beginnende Christianisierung.

- Die Spätantike wird in Ufernoricum durch das Wirken des Hl. Severin und in Binnennoricum durch die Errichtung der ersten Kirchenbauten Österreichs geprägt.
Teilung der Provinzen unter Diokletian
 


Unter Diokletian (284-305) wurden die Provinzen geteilt und verkleinert. Ovilava wird Hauptstadt von Ufernoricum.
"Noricum" von Thomas Fischer

Thomas Fischer, Professor am Archäologischen Institut der Universität Köln, schrieb sein Buch im SS 2001 in Wien, als er an der hiesigen Universität eine Gastprofessur inne hatte. In dem reich bebilderten Band Noricum, dem ersten Band der Reihe Orbis Provinciarum, werden zuerst die geographischen und historischen Voraussetzungen (Kelten im Donauraum und in den Ostalpen in vorrömischer Zeit), sodann ausführlich die Einrichtung und Entwicklung der Provinz in der frühen und mittleren Kaiserzeit besprochen (Okkupation, Herrschaftsbildung, Grenzverteidigung, Markomannenkriege, Romanisierung und das Barbaricum nördlich der Donau sind die Untertitel).

Der Kern der Monographie bildet das Kapitel "Die Provinz Noricum", in dem ein ausführlicher Überblick über die Städte und vici in Noricum geboten werden. Unterkapitel zur Bevölkerung und Gesellschaft, zu Wirtschaft, ländlicher Besiedlung (villae rusticae), Bestattungswesen und vorchristliche Götter und Heiligtümer runden das Bild ab.

Das abschließende Kapitel zur Spätantike wird durch drei Themenkomplexe geprägt: Grenzverteidigung und der heilige Severin im Ufernoricum (Noricum ripense), das frühe Christentum und ihre Kirchenorganisation sowie das Siedlungsbild in Binnennoricum (Noricum mediterraneum).
->   Archäologisches Institut, Universität Köln
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Detailinformationen zur Publikation
Thomas Fischer: "Noricum. Orbis Provinciarum"
Zaberns Bildbände zur Archäologie, Sonderbände der antiken Welt
Philipp von Zabern-Verlag, Mainz 2002
157 S. m. 150 Farb-, 13 SW- u. 64 Strichabb. Gebunden.
ISBN: 3-8053-2829-X
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"Am Rand des Reiches - Die Römer in Österreich"

umfasst die Zeitspanne 15 v. Chr. - 378 n. Chr. in der von Herwig Wolfram herausgegebenen Schriftenreihe "Österreichische Geschichte" und wurde von Verena Gassner, Professorin am Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien, Sonja Jilek, Wissenschaftlerin am Österreichischen Archäologischen Institut und Sabine Ladstätter, stv. Direktorin des Instituts für Kulturgeschichte der Antike der ÖAW, geschrieben.

Die mit einem umfassenden Anmerkungsapparat versehene Studie setzt mit einer forschungsgeschichtlichen Replik ein, in der die Quellen und ihr spezifisches Wesen bzw. ihr spezifischer Wert gewürdigt werden.

Im Abschnitt Frühzeit werden die Kelten, Raeter und Römer im 2. und 1. Jhdt. v. Chr, die Okkupationsphase in der Zeit von Augustus und Tiberius, und die Einrichtung der neuen Provinzen behandelt. Der Ausbau des Straßensystems und die Städtegründungen sowie das Grenzverteidigungssystem im Zeitalter von Claudius werden in eigenen Kapiteln besprochen. Der Abschnitt endet mit der flavisch-traianischen Zeit.
->   Institut für Klassische Archäologie, Univ. Wien

 


Reliefstein mit Darstellung eines Reisewagens aus Maria Saal (Ktn.)
Mittlere Kaiserzeit

Grabstein mit Darstellung einer Familie, Enns
Der zweite Abschnitt, der wie der erste gemeinsam von Gassner und Jilek geschrieben wurden, umfasst die mittlere Kaiserzeit von Hadrian bis zu den Markomannenkriegen, die Zeit der Severer - Septimus Severus wurde bekanntlich 193 n. Chr. in Carnuntum zum Kaiser proklamiert - und die Krise im 3. Jhdt. n. Chr.

Kulturhistorisch interessante Themen, wie das städtische Leben in den Provinzen, das Leben auf dem Lande, die Wirtschaft, das ferrum Noricum und der Bergbau im Alpenraum, die Kunst, die Religion im Ostalpenraum sowie das Aufkommen der Mysterienreligionen werden ebenso dargestellt, wie die großen historischen Ereignisse, die sich rund um die Markomannenkriege, die Militarisierung der Gesellschaft unter Septimius Severus und die Heeresreform unter Gallienus ereigneten.
->   Österreichisches Archäologisches Institut
Grabstein mit Mädchendarstellung
 


Grabstein mit Mädchendarstellung aus Lentia mit Rekonstruktionsversuch.
Spätantike

Zeiselmauer, spätantikes turmartiges Kleinkastell
Der dritte Abschnitt, verfasst von Ladstätter, widmet sich der Spätantike. Beginnend mit der ersten Tetrarchie und der Kaiserkonferenz von Carnuntum, dem constantinischen Zeitalter und der Christianisierung bis zum Ausklingen der römischen Epoche und dem Abzug der Romanen.

Einzelne Kapitel reichen weit über die im Titel genannte Zeitspanne hinaus und stellen die interessanten historischen Vorgänge im ostalpinen Raum im 5. und 6. Jhdt. n. Chr. bis zur slawischen Landnahme dar.
->   Institut für Kulturgeschichte der Antike, ÖAW
Traismauer, Osttor des spätantiken Kastells
 


Traismauer, Osttor des spätantiken Kastells, das in die mittelalterliche Stadtmauer eingebaut worden ist.
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Detailinformationen zur Publikation
Verena Gassner, Sonja Jilek u. Sabine Ladstätter,
"Am Rande des Reiches, Die Römer in Österreich"
in: Herwig Wolfram, Österreichische Geschichte
15 v. Chr. - 378 n. Chr,
Ueberreuter Verlag, Wien 2002.
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"Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien"

lautet die dritte Veröffentlichung, die als 40. Band in der wissenschaftlichen Reihe Situla erschien und welche vom Slowenischen Nationalmuseum (Narodni Muzej Slovenije) herausgegeben wird. Sie umfasst zehn Beiträge von verschiedenen Autoren.

Peter Scherrer vom Österreichischen Archäologischen Institut kommt dabei die Aufgabe zu, die einzelnen Beiträge in einen gemeinsamen historischen Rahmen zu stellen.

"Vom Regnum Noricum zur römischen Provinz: Grundlagen und Mechanismen der Urbanisierung" lautet sein Beitrag, der mit Hilfe zahlreicher Verbreitungskarten die Entstehung und Struktur norischer Städte, die Bedeutung, Tradition und Umwandlung von Stammes- zu Stadtgottheiten (Schutzpatronen), die Ausbreitung römischer Administration und italischer Händler in Noricum und ihre Auswirkung für die Romanisierung, darstellt.
->   Narodni Muzej Slovenije

 


Verbreitungskarte der Latobius und Belinus Tempel und Inschriftensteine (nach P. Scherrer).

Wels,Grabmedaillon mit Ehepaar, 2./3. Jh.
In eigenständigen Beiträgen werden die einzelnen norischen Städte (municipia) - ihre Vorgeschichte, Topographie, Wirtschaft (Handwerk und Gewerbe) sowie lokalen Kulte - beschrieben:

Municipium Claudium Celeiae - Celje (Irena Lazar),
Claudium Virunum - Zollfeld (Gernot Piccottini et al.),
Teurnia - St. Peter im Holz (Franz Glaser et al.),
Claudia Aguntum - bei Lienz (Elisabeth Walde),
Iuvavum - Salzburg (Wilfried K. Kovacsovics),
Flavia Solva - bei Leibnitz (Erich Hudeczek),
Aelium Cetium - St. Pölten (Peter Scherrer et al.),
Aelia Ovilavis - Wels (Renate Miglbauer) und
Lauriacum - Lorch (Hannsjörg Ubl).
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Informationen zur Publikation
Marjeta S. Kos und Peter Scherrer (Hg.),
Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien,
Situla 40, Ljubljana 2002.
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"Der römische Limes in Österreich"

Für Besichtigungsfahrten entlang des römischen Limes ist 2002 ein übersichtlich gestalteter, reich mit Plänen ausgestatteter Führer erschienen, der von Herwig Friesinger und Fritz Krinzinger in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vorgelegt und herausgegeben worden ist. Die Redaktion erfolgte durch V. Gassner, S. Jilek und A. Stuppner.

Im ersten Teil werden zahlreiche Aspekte des österreichischen Limesraumes in Einzelbeiträgen bearbeitet (Forschungsgeschichte, Kelten, historische Entwicklung, Militärische Anlagen, Vicus und Canabae, Gräberfelder, das römische Heer - Strukturen, Bewaffnung, Ausrüstung, die ländliche Besiedlung im Hinterland des Limes, Römer und Germanen, das frühe Christentum sowie Archäologie und Baudenkmalpflege am Donaulimes in Österreich).
Die sichtbaren römischen Denkmäler

Tulln, spätantiker Hufeisenturm
Im zweiten Teil werden die sichtbaren römischen Denkmäler donauabwärts von Boiotro-Passau, Stacum-Oberranna, Ioviacum-Schlögen, Ovilava-Wels, Lentia-Linz, Lauriacum-Enns, Locus Felix-Wallsee, Favianis-Mautern, Cetium-St. Pölten, Comagena-Tulln, Cannabiaca-Zeiselmauer, Vindobona-Wien bis Carnuntum und Gerulata-Rusovce beschrieben.
->   Österreichische Akademie der Wissenschaften
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Informationen zur Publikation
Herwig Friesinger u. Fritz Krinzinger (Hg.)
Der römische Limes in Österreich, Führer zu archäologischen Denkmälern, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2. korr. Auflage, Wien 2002.
->   Verlag der ÖAW
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->   Sämtliche Beiträge von Otto Urban in science.ORF.at:
 
 
 
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