Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Frauen, Männer und Kinder in der Hallstattkultur
Zum eisenzeitlichen Gräberfeld von Statzendorf, NÖ
 
  Eines der größten eisenzeitlichen Gräberfelder Niederösterreichs wird im Rahmen eines Forschungsstipendiums bearbeitet. Im Mittelpunkt stehen nicht, wie ansonsten zumeist üblich, Fürstengräber, sondern vielmehr die Gesellschaftsstruktur und Hierarchie der einfachen Bevölkerung in der ländlichen Peripherie.  
Das Gräberfeld von Statzendorf

Anthropomorphes Gefäß
Das Gräberfeld von Statzendorf mit seinen etwa 380 Gräbern ist in der Mehrheit ein Brandgräberfeld, lediglich 23 Bestattungen wurden unverbrannt beigesetzt. Unter den Grabformen der Verbrannten kommen Brandschüttungen und Urnenbestattungen vor, die Toten wurden offenbar mitsamt ihrer Tracht verbrannt, worauf vom Feuer in Mitleidenschaft gezogene Metalltrachtbestandteile und Schmuckstücke wie Fibeln, Armreifen und Ringe schließen lassen.

Neben der Urne wurden zumeist noch weitere Gefäße im Zusammenhang mit der Bestattung gefunden, die Bestandteile eines umfangreichen Trink- und Speisegeschirrsets. Im Durchschnitt handelt es sich um drei bis acht Gefäße, doch kommen bis zu 18 in einem Grab vor.

Auch Fleischbeigaben wurden den Toten ins Grab gelegt, was Funde von Tierknochen, speziell in Verbindung mit Schalen, beweisen. Das umfangreiche Keramikmaterial weist alle Merkmale des Nordostbereiches der Hallstattkultur auf, typische Formen sind Kegelhalsgefäße, Schalen und Henkelschalen.
Frauentracht
 


Harfenfibel aus Bronze, eine für die weibliche Totentracht typische Gewandbrosche.
1903 - 2003

Freilegen der Gräber
Die Bearbeitung der Funde und Befunde des hallstattzeitlichen Gräberfeldes von Statzendorf in Niederösterreich ist seit langer Zeit ein Desiderat der Urgeschichtsforschung. Es handelt sich um ein bereits in den Jahren 1903 bis 1925 freigelegtes Gräberfeld, das etwa 380 Gräber barg und somit eines der größten und aussagekräftigsten Gräberfelder der hallstattzeitlichen Kalenderbergkultur ist.

Obwohl die Ausgrabung zu einer Zeit erfolgte, in der die Methodik der archäologischen Ausgrabung noch in den Kinderschuhen steckte, ist die Dokumentation dank der peniblen Aufzeichnungen und Vermessungen der Ausgräber J. Bayer und A. Dungel sehr gut. Pläne und Grabbeschreibungen existieren, und zumindest die Geschlossenheit der Grabinventare, die Basis für jede weitere Analyse, ist für nahezu jedes Grab gewährleistet.

 


Ausgräber bei der Dokumentation der Befunde.
Moderne Analyse der Grabkomplexe

Originale Grabskizze
Im Rahmen eines Forschungsstipendiums auf dem Gebiet der Archäologie und Altertumswissenschaften des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird derzeit die Sozialstruktur des Gräberfeldes von Katharina Rebay untersucht. Die metallführenden Gräber werden hierbei besonders berücksichtigt, da im Bereich der Kalenderbergkultur metallführende Gräber selten sind und den Metallen daher ein besonderer Wert zugeschrieben werden kann.

Am Beginn der Arbeit stehen die typologische und chronologische Auswertung der Metallfunde. Nach einer statistischen Auswertung und Seriation können zeitliche und kulturelle Beziehungen der einzelnen Gräber untereinander festgestellt werden.

Durch die Verknüpfung der Daten mit einem digitalen Gräberfeldplan kommen Verbreitungskarten zu den wichtigsten Typen, Merkmalen von Typen, Befunden und Beigabensitten zustande, ebenso kann eventuell eine Belegungsreihenfolge des Gräberfeldes erarbeitet werden. Die Analyse der Nächsten Nachbarn testet, ob Vertreter eines Typs in einer Umgebung der benachbarten Grabkomplexe signifikant häufiger auftritt, als es dem Zufall entspricht.
->   Erklärung der Quantitativen Methoden in der Urgeschichte
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Archäologie- Stipendien des BM BWK
Das Wissenschaftsministerium schreibt Forschungsstipendien für Archäologen und Altertumsforscher aus. Adressaten sind JungwissenschaftlerInnen mit ausgezeichnet beurteilter Diplomarbeit bzw. Dissertation und überdurchschnittlichem Rigorosum. Die Stipendiendauer beträgt neun Monate.
->   Ausschreibung
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Hierarchie innerhalb eines ländlichen Friedhofs - ein Spiegel der gesellschaftlichen Wirklichkeit?

Zoomorphes Gefäß
Die geschlossenen Grabkomplexe des Gräberfeldes bieten die Möglichkeit, Gruppen von Gräbern zu erarbeiten, die sich hinsichtlich der Bestattungs- und Grabform, des Ausstattungsmusters und der Beigabentypen ähneln.

Bei diesen charakteristischen Mustern kann nun ein Zusammenhang hinsichtlich Alter, Geschlecht und Sozialstatus gesucht werden. Das geschieht unter unter Einbeziehung der anthropologischen Daten, die allerdings nur für wenige Gräber zur Verfügung stehen.

Die Berechnung eines Inventar- bzw. Bestattungsindex, der die gesellschaftliche Rolle der Bestatteten Rechnung tragen soll, erlaubt eine statistische Annäherung an die soziale Stratifikation der Statzendorfer Bestattungsgemeinschaft.
->   Hallstattkultur
Symbole männlicher Macht?
 
Sog. Ärmchenbeil


Eisenbeil, welches an die Fasces, ein Machtzeichen der höheren römischen Beamten, erinnert und als Zeichen der Gewalt über Leben und Tod im antiken Rom verstanden worden ist. Innerhalb der Hallstattkultur finden sich diese Eisenklingen vorwiegend in wohlausgestatteten Männer- bzw. Kriegergräbern.
Vergleiche und Analogien

K. Rebay im Tiefspeicher des NHM Wien
Neben Statzendorf werden noch andere wichtige Grabkomplexe in und um Niederösterreich aufgenommen, um sie mit den Ergebnissen von Statzendorf zu vergleichen und so ein möglichst breites Bild der Sozialstruktur der Kalenderbergkultur zu zeichnen.

Das Nebeneinander von Flachgräberfeldern, kleineren Grabhügelgruppen und Großgrabhügeln verspricht interessante Ergebnisse. Zu den zusätzlich aufgenommenen Fundorten zählen die bereits publizierten Fundstellen von Bernhardsthal, Bullendorf, Donnerskirchen, Fischau, Gemeinlebarn, Grafenwörth, Krensdorf, Langenlebarn, Maiersch, Marz, Nové Kosariská, Rabensburg, Röschitz, Sopron, Weiden am See und Zagersdorf.
->   Prähistorische Abteilung des NHM Wien
Berichterstatter dankt K. Rebay für die Zurverfügungstellung von Abbildungs- und Textvorlagen.
->   Hallstattforschung von Katharina Rebay
->   Sämtliche Artikel von Otto Urban in science.ORF.at
 
 
 
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