Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Archäologie auf dem Leopoldsberg  
  Aktuelle Ergebnisse der archäologischen Forschungen auf dem Leopoldsberg erbringen ein neues Bild vom Leopoldsberg. Er trug während der Bronze- und Eisenzeit (Keltenzeit), wie im Mittelalter, nur eine Siedlungsstätte von regionaler Bedeutung, nicht mehr und nicht weniger.  

Grabungsschnitte im "Alten Weingarten"
Wien beginnt am Leopoldsberg - das lernt jeder Wiener in der Schule. Am Beginn des 21. Jhdts. gilt es nun diese "Klischees" zu überprüfen.

So haben das Institut für Ur- und Frühgeschichte (O. Urban) und die Forschungsgesellschaft Wiener Stadtarchäologie (O. Harl) seit 1990 Ausgrabungen durchgeführt. Ein Schwerpunkt der Arbeit widmet sich dabei der Siedlungsstrukturen der Hallstattzeit und Latènzeit.
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Vortrag zum Thema
aoUniv.-Prof. Dr. Otto H. Urban,
Archäologische Forschungen auf dem Leopoldsberg
Wann: Donnerstag, 6. März 2003, 19 Uhr
Wo: KULTURaum, Wien 18., Lacknergasse 83 "Zum roten Löwen"
->   KULTURaum
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Leopoldsberg (Foto: G. Gattinger)
Mythos Leopoldsberg - Babenberger Burg

Es begann mit Otto von Freising, der - als Familienangehöriger der Babenberger - am Mythos von Markgrafen Leopold III. wirkte und die Schleierlegende an der Burg auf dem Leopoldsberg festmachte.

Es folgte die historisch mehr als umstrittene Messe von P. Marco d'Aviano mit dem polnischen König Jan III. Sobieski und Karl von Lothringen, die vor der Schlacht am 12. September 1683 auf dem Leopoldsberg (der damals noch Kahlenberg genannt worden ist) gefeiert worden sein soll.

Dort, wo Kaiser Leopold I. eine seinem Namenspatron geweihte Kirche errichten lies (Grundsteinlegung 1679, Weihe 1693).
Wartburg Österreichischer Geschichte

Dies führte dazu, dass der katholische Neoromantiker Richard Kralik (Bild), Ritter v. Meyrswalden 1883 - also 200 Jahre nach dem erfolgreichen Entsatz - eine "Wartburg Österreichischer Geschichte, Walhalla heimischen Ruhms" auf dem Leopoldsberg errichten lassen wollte.

1903 wurde dieses Projekt erneut aufgegriffen und führte zu den archäologischen Ausgrabungen auf dem Leopoldsberg, die von Jaroslav Czech v. Czechenherz im Auftrage der Leo-Gesellschaft (einer Vorgängerinstitution der Katholischen Akademie) durchgeführt worden sind.

Czech fand jedoch keine Babenberger Burg, sondern eine - wie er glaubte - keltische Stadt der Boier.
Akropolis von Wien

Für Oswald Menghin und seinen väterlichen Freund R. v. Kralik wurde daraufhin der Leopoldsberg zur Alt- und Hochburg von Wien. In dem 1912 von R. v. Kralik und H. Schlitter veröffentlichten und weit verbreiteten Werk "Wien. Geschichte der Kaiserstadt und ihrer Kultur" erhielt der Leopoldsberg, sowohl auf der ersten als auch auf der letzten Seite, die markante Bezeichnung "Akropolis von Wien".

Bild: Ausschnitt aus Albrechtsaltar, um 1439, mit dem Leopoldsberg.
Walhalla der Ostmark

Planungsentwurf für Ruhmeshalle auf dem Leopoldsberg
Noch 1926 entstand ein heftiger Widerstreit zwischen dem Urgeschichtsprofessor Menghin, der auf dem Leopoldsberg das keltische Vindobona postulierte, und dem um die provinzialrömische Archäologie verdienten Gymnasialprofessor E. Nowotny, der dies ebenso vehement ablehnte.

In den 30er Jahren wurde erneut die Realisierung einer Gedenkstätte auf dem Leopoldsberg ernsthaft diskutiert. Durch das Engagement des Klosterneuburger Chorherrn Vincent Oskar Ludwig konnte die Errichtung einer "Wallhalla der Ostmark" auf dem Leopoldsberg verhindert werden.
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Prof. Vinzenz Oskar Ludwig, Chorherr
Im Heimatmuseum Langenzersdorf zeigt ein Schauraum den Arbeitsraum von Prof. Vinzenz Oskar Ludwig. Er war bis 1938 Stadtpfarrer in Korneuburg und wurde versetzt, weil er Juden getauft hatte, um sie zu retten. In Korneuburg war dies 1938 allgemein bekannt.

Ludwig war Priester, Chorherr, und verfasste zahlreiche Publikationen zur Kunst- und Musikgeschichte, darunter auch eine ausführliche Broschüre zum Leopoldsberg. Prof. Ludwig verbrachte seinen Lebensabend in Langenzersdorf, wo er auch begraben ist. Er erhielt das Große goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.
->   Heimatmuseum Langenzersdorf
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Bau der Wiener Höhenstraße

Im Zuge der Bauarbeiten wurden 1935 umfangreiche Rettungsgrabungen im Bereich des Parkplatzes durch E. Polaschek (Lage des spätbronzezeitlichen Urnengräberfeldes, siehe Bild) und der Vorburg durch F. Halmer durchgeführt.

Daneben haben durch viele Jahre praktisch alle namhaften Heimatforscher Fundmaterialien vom Leopoldsberg gesammelt. Einige davon, wie jene von K. Moßler in der Studiensammlung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien, haben sich erhalten.
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Lebensbild eines keltischen Schmiedes
Tage der offenen Tür am Institut für Ur- und Frühgeschichte
Im Rahmen der Veranstaltung "Geist schafft Wissen - Geistes Wissen schafft , veranstaltet von der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, finden am Donnerstag und Freitag Tage der offenen Tür am Institut für Ur- und Frühgeschichte statt.

DO., 6.3. 2003 von 14:15 bis 15:45 öffentliche Vorlesung durch Otto H. Urban, "Einführung in die Eisenzeit", in der die Grundlagen der keltischen Archäologie besprochen werden (Bild). Anschließend besteht die Möglichkeit einer etwa halbstündigen Institutsführung. (Treffpunkt 3. Stock, vor dem Haupteingang)

FR. 7.3.2003 10.00 und 14.00 Uhr führt Ass.-Prof. Mag. Dr. Alexandra Krenn-Leeb unter dem Motto "Vom Faustkeil zum Eisenschwert" durch das Institut, die Studiensammlung, Restaurierwerkstätte und die Fachbibliothek. (Treffpunkt 3. Stock, vor dem Haupteingang)

SA. 8.3.2003, 19.30 hält Univ.Lekt. Mag.Dr. Michael Doneus im Universäts-Campus, HS A, Hof 2 den Vortrag "Blick in den Boden - Luftbildarchäologie"
->   Gesamtprogramm von ''Geist schafft Wissen''
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Der Leopoldsberg zur Bronzezeit

Auf dem Leopoldsberg entstand schon in der jüngeren Urnenfelderzeit eine Höhensiedlung, die mit nur geringen Unterbrechungen bis in die frühe Latènezeit, das heißt vom 9. bis zum 5. Jh. v. Chr., existierte.

Belege für eine Besiedlung des Leopoldsberges in der Urnenfelderzeit sind ein spätbronzezeitliches Gräberfeld sowie ein 1917 entdeckter und erst seit kurzem als Depotfund bewerteter Komplex (Bild) und einige Siedlungsfunde auf der Südterrasse.
Der Leopoldsberg in der Hallstattzeit

Velemer Fibel
Die stetig während der Hallstattzeit besiedelte Höhe auf dem Leopoldsberg weist regionale Schwerpunkte im gesamten Leopoldsbergbereich auf. Es konnten einige Siedlungsobjekte, darunter kellerartige Grubenkomplexe und Terrassenbauten mit Herdplatten, untersucht werden. Im Bereich der Südterrasse sind einige Objekte durch Band zerstört worden.

Halbfertigprodukte von Fibeln (Bild) und anderen Bronzen belegen indirekt Handwerksbetriebe. Die Ausdehnung der Siedlung deutet auf ein lokales Zentrum innerhalb der Kalenderberggruppe.
Ein hallstättischer Keller
 


Leopoldsberg, Vorburg: Hallstättischer, in den Felsen eingetiefter Keller. Daneben Betonsockel eines Geschützes aus dem 2. Weltkrieg.
Siedlungsunterbrechung im Laufe des 4. und 3. Jhdts. v. Chr.

Wie im Donauraum und im Nordostalpenraum sehr häufig, kommt es während der beiden genannten Jahrhunderten zu einer Siedlungsunterbrechung - zumindest sind keine Funde dieser Zeitphase bekannt. Als wahrscheinlichste Ursache sind ökologische Probleme bei der Nahversorgung (Holz etc.) anzunehmen.

Bild: Keltische Drehscheibenware des 5. bzw. beginnenden 4. Jhdts. und Entsprechung aus Leopoldau (Studiensammlung)
Spätkeltische Höhensiedlung Leopoldsberg

Kammstrichtopf
aus Graphitton.
Im Laufe des 2. Jahrhunderts v. Chr. beginnt eine neuerliche Besiedlung auf dem Leopoldsberg. Die Siedlung erstreckt sich nun sowohl auf dem Bergrücken als auch auf der Südterrasse und am Osthang des Berges. Der Nachweis der Besiedlung manifestiert sich v. a. an keramischem Fundmaterial, das überwiegend Parallelen aus dem Osten (Slowakei) und Norden (Weinviertel, Mähren) kennt.

Grubenhütten und Pfostenbauten (Bild unten) dienten den Kelten auf dem Leopoldsberg als Unterkünfte. In der näheren und weiteren Umgebung konnten boische und norische Münzen entdeckt werden.

Die spätkeltische Höhensiedlung auf dem Leopoldsberg stellt zumindest flächenmäßig die größte Siedlung der Kelten im Großraum der Wiener Pforte bzw. des Wienerwaldes dar. Es dürfte sich daher ein keltisches Zentrum mit wohl zentralörtlicher Funktion auf dem Leopoldsberg befunden haben. Eine eigentliche Befestigung konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.

Im Vergleich mit zeitgleichen Zentralorten im Donauraum ist die Größe der Siedlung eher klein. Die Bezeichnung Stadt oder Oppidum, wie dies früher öfters im Schrifttum auftrat, wird daher für die spätkeltische Siedlung auf dem Leopoldsberg abgelehnt.
Rekonstruierter Pfostenbau
 
Graphik: Chr. Ranseder


Rekonstruierter Pfostenbau auf dem Rücken des Leopoldsberges.
Boier auf dem Leopoldsberg

Die Siedlung auf dem Leopoldsberg lag im Gebiet des keltischen Stammes der Boier, dessen Zentrum die Preßburg in Bratislava bildete. Im Gegensatz zu dem Oppidum auf dem Preßburger Burgberg, das nach der Niederlage der Boier gegen die Daker (40 v. Chr.) zugrunde ging, blieb der Leopoldsberg als Siedlung noch einige Jahrzehnte weiter bestehen.

Etwa in der Mitte der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. wurde dann auch die Siedlung auf dem Leopoldsberg endgültig aufgegeben. Möglicherweise siedelten die Kelten vom Leopoldsberg nun im Flachland. Diesbezügliche Indizien fehlen allerdings noch immer.

Bild: Indirekter Nachweis von keltischer Reiterei; die Stirnplatte einer Pferdeschirrung zeigt deutliche Bezüge zum norischen Raum.
Fortsetzung folgt ...

Während der Römerzeit wurde der Leopoldsberg nicht besiedelt. Über die mittelalterliche Bebauung bzw. den späteren Geschehnissen auf dem Leopoldsberg, die sich auch archäologisch niederschlugen, soll an anderer Stelle berichtet werden.

Bild: Spätmittelalterliche Mauer im Bereich der Vorburg.
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