Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Vom Mond zur Sonne: Aktuelles zur Himmelsscheibe von Nebra  
  Letzte Woche berichtete Dr. Harald Meller in der Universität Wien über die älteste Himmelsdarstellung - die Himmelsscheibe von Nebra, eine der bedeutendsten kultur- und religionsgeschichtlichen Zeugnisse der Frühbronzezeit.  
Die Plejaden, das Sieben-Gestirn

Die rund 30 cm große und bis zu 4,5 mm starke Bronzescheibe wurde zumindest vier mal verändert.
Ursprünglich wies die Scheibe neben der Mondsichel und der Mond- oder Sonnenscheibe 32 Sternen auf.

Oberhalb der Mondsichel ist eine Gruppe von sieben Sternen zu erkennen, welche die Plejaden zeigen (siehe Bild). Die weiteren 25 Sterne sind gleichmäßig über die Scheibe verteilt, ohne dass ein weiteres Sternzeichen dargestellt wird.
Die Himmelsscheibe von Nebra
 


Alle Fotos und Grafikvorlagen vom Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt bzw. Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale).

Literatur: Archäologie in Sachsen-Anhalt 1, 2002 (Beiträge von Harald Meller, Wolfhard Schlosser, Ernst Pernicka/Christian-Heinrich Wunderlich).
Die Plejaden bei Hesiod - Ratschläge für den Bauern
 

Hesiod, der etwa zwischen 740 und 670 v. Chr. in Griechenland lebte, gibt in seiner Schrift "Werke und Tage" Ratschläge für das tägliche Leben:

Steigt das Gestirn der atlasgeborenen Plejaden herauf, beginnt die Ernte, das Pflügen aber, wenn sie hinabgehn. Vierzig Tage und Nächte waren sie nun verborgen, tauchen aber im Umlauf des Jahres erstmals wieder auf, wenn die Sichel gewetzt wird (originalgetreuer übersetzt bei Tusculum: sobald das Eisen geschärft wird). Dieses Gesetz gilt für Ebenen, ob man nun nahe am Meer oder fern der wogenden See in Bergtälern fruchtbaren Boden bewohnt.
(Hesiod, Werke und Tage, Zeile 382 ff.)

Wenn aber die Schnecke vom Boden die Gewächse hinaufkriecht und die Plejaden flieht, dann grabe nicht länger im Weinberge, nein, schärfe die Sichel und wecke die Knechte.
(Hesiod, Werke und Tage, 570 ff.)

Doch wenn dann mit den Plejaden und den Hyaden die Kraft des Orion taucht in das Meer, dann sei der Zeit des Pflügens aufs neue eingedenk.
(Hesiod, Werke und Tage, 613 ff.)
Ratschläge für den Seefahrer
 

... wenn die Plejaden die Kraft, die mächtige, fliehn des Orion und auf der Flucht in das Meer, das dunstverschleierte, fallen; o wie tobt dann das Wehen von allerlei wirbelnden Winden!
(Hesiod, Werke und Tage, 617 ff.)

Aus: Hesiod, Werke und Tage, Tusculum, Übersetzung: Albert von Schirnding
Hesiod, Werke und Tage, Reclam, Übersetzung: Otto Schönberger
Beschreibung der Plejaden
 

And the Author of the Astronomy, which is attributed forsooth to Hesiod, allways calls them Peleiadas: "but motals call them Peleiades"; and again, "the stormy Peleiades go down"; and again, "the Peleides hide away..."

The Pleiades ... whose stars are these: - "Lovely Teygeta, and dark-faced Electra, and Alcyone, and bright Asterope, and Celaeno, and Maia, and Merope, whom glorious Atlas begot ... In the montains of Cyllene she (Maia) bare Hermes, the herold of the gods."
(Hesiod, The Astronomy 1)

Aus: Hesoid, Loeb Classical Library, edited by Jeffrey Henderson
->   Hesiod und die Astronomie bei der Uni Wien
Das Ende der lunaren Phase

Die dünnen Goldbleche wurden am Rand durch Tauschierung mit der Platte befestigt. Zwei Sterne wurden vor Anbringung der beiden seitlichen Bögen entfernt, die Tauschierrille ist an einer Stelle noch gut erkennbar (siehe Bild), ein weiterer Stern an der gegenüberliegenden Seite wurde etwas versetzt.
Solare Phase

Die beiden seitlichen Bögen (einer ist ebenso wie ein Stern nicht mehr erhalten, aber durch die Rillen deutlich rekonstruierbar, Bild mit Ergänzungen) wurden daher erst später hinzugefügt und düften, wie die Untersuchungen durch W. Schlosser erbracht haben, Horizontbögen darstellen.

Sie weisen einen Winkel von 82 Grad auf und dies entspricht dem Azimutbereich der Sonne zur Zeit der frühen Bronzezeit auf der geografischen Breite von Sachsen-Anhalt. Das heißt, die Horizontbögen kennzeichnen den Aufgang bzw. Untergang der Sonne am 21. Juni bzw. 21. Dezember, der Sommer- und Wintersonnenwende.
Die Sonnenbarke
 


Auch die Sonnenbarke dürfte erst später hinzugefügt worden sein, da einer der Sterne sehr nahe liegt. Ob das Schiff vor, nach oder gleichzeitig mit den Horizontbögen angebracht worden ist, konnte noch nicht geklärt werden.

Die Barke symbolisiert den täglichen Sonnenlauf, insbesondere die nächtliche Fahrt auf dem Meerstrom zurück.
Strichelung: Schematische Darstellung von Rudern

Detail mit dem auffallend nahe angrenzenden Stern und der mit zwei Rillen versehenen Barke sowie der begleitenden, feinen Ritzverzierung. Die feine Strichelung ober- und unterhalb der Barke, die in ihrer Grundform den ägyptischen Bootsdarstellungen entspricht, dürfte schematisch die Ruder bzw. die Ruderer darstellen.

Deutlich ist auch erkennbar, dass zuletzt die Scheibe entlang des Randes grob gelocht worden ist, wobei keine Rücksicht auf die Goldbleche genommen worden ist. Diese Löcher könnten zu einer vertikalen Halterung gedient haben.
->   Zur astronomischen Analyse in www.archlsa.de
Ältere lunare Phase: Frühlingsbeginn

Nordische Boostarstellungen
Die Bronzescheibe dürfte über längere Zeit benutzt worden sein. Ursprünglich sind lunare Elemente und die Plejaden von Bedeutung. Diese haben, nach den Untersuchungen von Schlosser, in der frühen Bronzezeit den Frühlingsbeginn bestimmt. Befinden sich der Halbmond oberhalb der Plejaden, so ist eine Woche später eine Mondfinsternis möglich, läuft er unterhalb, ist eine Finsternis ausgeschlossen.

Hesiod gibt verschiedene "Bauernweisheiten" wieder, die belegen, dass die Plejaden auch noch im 8./7. Jh. v. Chr. von den Bauern und Seefahrern beobachtet wurden.

Nachtrag (siehe Diskussion):
Bild, seitlich: Bootsdarstellungen der Nordischen Bronzezeit (1-7) bzw. der vorrömischen Eisenzeit (8-13).
Bild, seitlich, unten: Bootsdarstellung der altägyptischen Negadekultur, um 3400 v. Chr., bemaltes Leinen aus einem Grab bei Gebelin.
->   Mehr zu den Plejaden im Munich Astro Archive
Jüngere solare Phase

Gebelin, Negadekultur
Die Veränderungen, die Anbringung der Horizontbögen und die Sonnenbarke, belegen eine verstärkte Beobachtung der scheinbaren Sonnenbewegungen. Vom Fundplatz, dem Mittelberg bei Nebra, besteht ein guter Fernblick bis zum Brocken, hinter dem am 21. Juni die Sonne untergehen soll.

Es ist unklar, wie lange die beiden Phasen gedauert haben. Es erscheint allerdings nicht unwahrscheinlich, dass die Scheibe bereits im Laufe der klassischen Frühbronzezeit, um 2000 v. Chr., gefertigt worden ist und erst nach ein oder zwei Jahrhunderten umgebaut wurde. Die Randeinfassung mit den grob und unregelmäßig geschlagenen Löchern stellt eine weitere Umarbeitung dar. Die Beifunde im Depot weisen auf ein Alter um 1600 v. Chr. auf, können natürlich aber auch noch einige Zeit gemeinsam mit der Scheibe in einem "Schatzhaus", einem tempelähnlichem Komplex, aufbewahrt worden sein, bevor sie vergraben worden sind.

Vielleicht werden noch die Metall- und Korrosionsanalysen unterhalb der Goldbleche genauere Aussagen zur relativen Dauer der einzelnen Phasen ermöglichen.
->   Restaurierung und technische Analyse in www.himmelsscheibe.de
Entsprechungen: Funde in Schweden und dem Burgenland

Die besten Entsprechungen zu der Himmelsscheibe dürften die Funde von Balkakra (Schweden) und Haschendorf (Burgenland) darstellen, die allerdings in aufwändig gearbeiteten und mir Kreuzrädern durchbrochenen Bronzen eingefasst wurden. Die kegelförmigen Nietköpfe weisen vermutlich ebenfalls auf ein frühbronzezeitliches Alter hin.

Jünger, spätbronzezeitlich, ist der bekannte und von Pferden gezogene Sonnenwagen von Trundholm (Dänemark). Bei keinem dieser Stücke trat allerdings bisher eine realistische Darstellung des Himmels auf.
->   Haschendorf und Balkakra
->   Abbildung des Sonnenwagens von Trundholm
Auswahl nordischer und griechischer Bootsdarstellungen
 


Quelle: Internet
Auswahl assyrischer und altägyptischer Bootsdarstellungen
 


Quelle: Internet
 
 
 
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