Host-Info
Manfried Welan
Institut für Wirtschaft, Politik und Recht, Universität für Bodenkultur Wien
 
ORF ON Science :  Manfried Welan :  Gesellschaft 
 
Wahlen und Wählen in neuer Verfassung  
  Jede Wahlrechtsreform soll die Demokratie mehr zum Volk bringen. Zunächst könnte man in Österreich das deutsche Wahlrecht einführen. Es ist relativ einfach und verständlich. Es bietet dem Wähler mehr Entscheidungsmöglichkeiten als das derzeitige österreichische Wahlrecht.  
Demokratischer Maßanzug
Denn die Vorzugsstimmen sind weniger wert als die Zweitstimme oder das seinerzeitige Reihen und Streichen, das wieder diskutiert gehört. Das deutsche Wahlrecht mit seiner Zweitstimme dürfte heutzutage der demokratische Maßanzug für die österreichische Wählerschaft sein. Das Ziel eines Mehrheitswahlrechts sollte man aber nicht vergessen.
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Manfried Welan hat Anfang Mai in science.orf.at mit einer Diskussion über Wahlrecht und Verfassung begonnen. In diesem Beitrag antwortet er auf auf den Rechtswissenschaftler Klaus Poier von der Universität Graz, der seit kurzem auch als Autor für diesen Kanal schreibt.
->   Minderheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht
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In guter Gesellschaft
Wenn Klaus Poier für ein mehrheitsförderndes Wahlrecht eintritt, so befindet er sich in guter Gesellschaft. So treten Cap, Einem, Hirschmann, Keller, Leser, Mantl, Neisser, Schilcher u.a. dafür ein.

Bücher wie ¿Demokratie und Verfassung in Österreich¿ durchzieht wie ein roter Faden das Plädoyer für ein mehrheitsförderndes Wahlrecht. Es spricht vieles dafür. Denn im österreichischen Regierungsystem auf Bundesebene sind Einrichtungen miteinander verbunden, die miteinander wenig zu tun haben.
Proporzwahlsystem
Sie entstammen verschiedenen Modellen und folgen ihren eigenen Gesetzen. In einem Satz zusammengefasst: Ein die Mehrheits- und Regierungsbildung erschwerendes Proporzwahlsystem ist mit einem dem parlamentarischen System verpflichteten Verhältnis von Nationalrat und Regierung verknüpft und diesem Gebilde ist ein volksgewähltes Staatsoberhaupt mit Regierungsernennungs- und ¿entlassungsrecht aufgepfropft.
Österreichische "Mischkulanz"
Ein Wahlsystem nach Schweizer Art, ein parlamentarisches System nach britischem Muster und ein Staatsoberhaupt nach der Weimarer Reichsverfassung von 1919 wurden zu einer österreichischen Mischkulanz. Die Demokratie auf Österreichisch führte nach mehreren Jahrzehnten zu einer erstarrten Zweiten Republik.
Mehr Demokratie
Die sogenannte Wende seit Anfang des Jahres 2000 setzte Schritte in die richtige Richtung. Aber diese Reformen waren schon vor Jahrzehnten notwendig gewesen. Es geht auch nicht um neue Parteienkoalitionen. Es geht um das Wagnis von mehr und besserer Demokratie. Das Elend der österreichischen Verfassung liegt seit eh und je darin, dass sie der Wählerschaft keine klare Alternative zwischen zwei Regierungsprogrammen gestattet.
Wieviel Einfluss hat der Wähler?
Die Wählerschaft hat nichts zu entscheiden. Mit der Wahl wird nicht über den zukünftigen Kurs der Regierungspolitik entschieden, sondern nur der Anhang der Parteien festgestellt, also eine Art Statistik betrieben.

Der Wähler hat wohl die Wahl zwischen mehreren Parteien. Auf die Art und Weise der Koalition hat der Wähler keinen Einfluss. Die Frage ¿wer mit wem¿ wird vor der Wahl selten beantwortet.
Walhlakt als Utopie
Die Wähler können auch nicht ihre Regierungsmitglieder für die Regierungspolitik wirklich verantwortlich machen. Denn die können ja immer auf den bösen Koalitionspartner verweisen, mit dem sie zusammenarbeiten müssen.

Der Wähler hat auch keinen Einfluss auf den Kurs der Regierung, weil dieser vom Verhältnis der Koalitionspartner zueinander abhängt. Kurz: Er hat kein politisches Entscheidungsrecht und der Wahlakt hat nur eine Art Utopie zum Gegenstand, nämlich jene Politik, welche die gewählte Partei betreiben würde, wenn sie allein regierte.
Mehrheitswahlrecht
Wer für Entscheidung in der Wahlentscheidung ist, wer für die Verantwortlichkeit in der Wahlentscheidung ist, der wird sich dem Mehrheitswahlrecht zuwenden. Es löst nicht nur die Frage der Entscheidung durch das Volk für eine entscheidungsfähige und verantwortliche Regierung. Es löst auch die Widersprüche des Regierungssystems auf, das aus mehreren unterschiedlichen Elementen zusammengesetzt ist.
Votum für die Jugend
Eine wichtige Neuerung ist die Mobilisierung der Jugend. Die Alten sind mehr geworden. Sie entscheiden damit mehr über die Zukunft als die Jüngeren.

Wahlen in neuer Verfassung sollten auch das Wahlrecht schon mit 16 Jahren, viel-leicht sogar schon mit 14 möglich machen. Außerdem soll die elektronische Wahl möglich werden, jedenfalls aber die Briefwahl auf allen Ebenen.
Wahlrecht als Menschenrecht
Schließlich soll Wahlrecht zum Menschenrecht für alle werden, die in Österreich ge-funden haben. Ausländern, die schon 5 Jahre ihren ständigen Wohnsitz in Österreich haben, hier arbeiten und hier leben, sollten zumindest auf Gemeindeebene politische Rechte gegeben werden.

Warum soll bei einer solchen Voraussetzung das Wahlrecht nicht zum kommunalen Menschenrecht werden? Wahlrechtsdiskussionen dürfen nicht Glasperlenspiel im Elfenbeinturm sein, sie gehören in die Politik und in den Wettbewerb der Politik.
Mehr zu dieser Diskussion in science.orf.at:
->   Manfried Welan: Demokratie und Verfassung in Österreich
->   Für eine neue Bundesverfassung
->   Klais Poier: Minderheitenfreundliches Mehrheitswahlreicht
 
 
 
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