Erich H. Loewy
Department of Internal Medicine, Bioethics Program, University of California Davis
 
ORF ON Science :  Erich Loewy :  Gesellschaft .  Medizin und Gesundheit 
 
Sterbehilfe und Euthanasie  
  Die heutige Diskussion um Sterbehilfe, Euthanasie und ähnliches ist akut geworden. Wie so häufig, handelt es sich leider nicht immer um eine Diskussion, sondern um Stellungnahmen ohne Begründungen.  
Um etwas diskutieren zu können, müssen wir erst wissen, was wir diskutieren - d.h. wir müssen es definieren und die richtigen Fragen stellen.
Was ist Euthanasie?
Zum Zweck dieser Diskussion will ich Euthanasie in folgender Weise definieren: Euthanasie heißt, einem Menschen, der schwer leidet und hoffnungslos krank ist, der entscheidungsfähig ist und freiwillig darum bittet, ihm oder ihr zum Sterben zu helfen, der keine andere Option hat als entweder kürzer zu leiden und kürzer zu leben oder länger zu leben aber auch länger zu leiden, zum Sterben zu helfen.

So etwas kann "aktiv" sein - d.h. indem man der infragestehenden Person eine Verschreibung oder eine Spritze gibt. Es kann aber auch "passiv" geschehen, indem man nicht weiter behandelt, um das Leben zu verlängern.

Euthanasie ist etwas, das im Interesse des Patienten und nicht im Interesse anderer geschieht (wie im Nazistaat, wo es schlicht Mord war).
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Zwei Bedeutungen von "Leben"
"Leben" kann in zwei Bedeutungen verwendet werden: im Sinne von "am Leben sein" - eine biologische Tatsache, die für eine Spinatpflanze, eine Gewebskultur etc. wahr ist; und im Sinne von "ein Leben haben" - subjektiv: Ich habe ein Leben, weil ich selbstbewusst bin, Gefühle, Hoffnungen, Interessen, Freuden etc. habe.
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Drei Fragen zur Euthanasie
Es stellen sich drei ganz verschiedene Fragen:

1) Ist es je ethisch zulassbar, einen Menschen zu töten (oder, falls es ohne Schwierigkeiten möglich wäre, ihm/ihr nicht das Leben zu retten)? - die ethische Frage.

2) Steckt etwas im Begriff des Arztes, des Pflegers, der Krankenschwester etc., das diese Berufsgruppen daran hindern sollte, sich zu beteiligen - die professionelle Frage.

3) Ist es gescheiter, Euthanasie gesetzlich zuzulassen (und daher Kriterien anzusetzen und allenfalls im Nachhinein zu kontrollieren, obwohl klar ist, dass so etwas mit Gefahren verbunden ist), oder ist es besser, Euthanasie zu verbieten (obwohl man weiß, dass so etwas dann unkontrollierbar täglich und willkürlich geschieht)? Dies wäre die kulturell-soziale und juridische Frage.
Die Antwort auf die erste Frage ist ziemlich offen - wir lassen es heute zu, dass Menschen verhungern, wir setzen Geschwindigkeitsgrenzen, bauen Hochhäuser und Brücken. Das heißt, wir nehmen den Verlust von Leben in Kauf (etwas, wo wir eigentlich wenig Wahlmöglichkeiten haben).

Die zweite Frage scheint mir eine persönliche Frage zu sein, die sich - wie die Abtreibungsfrage - auf einen persönlichen Moralbegriff stützt.

Die dritte müsste, denke ich, diskutiert und entschieden werden. Es ist eine Frage, zu der ich keine Antwort habe oder haben sollte. Denn die Frage ist nicht so sehr, "was sollen wir tun?", sondern vor allem, "wer hat das Recht, dies zu entscheiden?" Und offensichtlich sind das in einer Demokratie die Betroffenen (wir alle), also weder die Ärzteschaft noch die Juristen - obwohl diese uns mit Rat und vor allem mit Fakten informieren müssen.

Schließlich allerdings sind wir es - und nicht eine kleine Elite -, die das Recht zu entscheiden haben oder haben sollten.
 
 
 
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