Erich H. Loewy
Department of Internal Medicine, Bioethics Program, University of California Davis
 
ORF ON Science :  Erich Loewy :  Leben .  Wissen und Bildung 
 
Stammzellen und Bioethik  
  Entscheidungen über Fragen der Bioethik sollten auf demokratische Weise getroffen werden. Der maximale Schutz von Menschen, die sich selbst nicht artikulieren können, ist dabei als wichtige Vorbedingung zu akzeptieren.  
Orientierung an Fakten
Um so eine Diskussion zu führen, bedarf es klarer Fakten. Man kann nicht Stammzellen, Embryonen, Zellknäuel, das Klonen von Stammzellen, oder von ganzen Organismen, u.s.w. in einen Topf werfen.
Omnipotente Stammzellen
Heute will ich über omnipotente Stammzellen sprechen (die man von multipotenten und pluripotenten unterscheiden muss). Dies klingt kompliziert, ist es aber nicht und man darf sich nicht einreden lassen, dass solche Entscheidungen einfach sogenannten Experten überlassen werden sollen oder dürfen.

Nach der Befruchtung sind für kurze Zeit alle Zellen omnipotent - das heißt, unter gegebenen Bedingungen kann alles aus ihnen werden: Leber, Milz, Hirn oder auch ein ganzer Mensch. Dies ist nach natürlicher, wie auch nach künstlicher Befruchtung der Fall.
Aus künstlicher Befruchtung
Die Stammzellen, von denen hier die Rede ist, stammen aus künstlicher Befruchtung, bei der immer mehr befruchtete Eier hergestellt, als gebraucht werden. Die anderen werden entweder eingefroren (was man nicht ewig kann), oder schließlich weggeworfen.

Die hier zur Debatte stehenden Stammzellen stammen aus einem solchen Zellknäuel. Um heraus zu finden; ob man sie medizinisch verwerten könnte - und dies scheint in der Tat der Fall zu sein - muss man mit diesen Zellen experimentieren: d.h. man muss herausfinden, ob, falls man daraus, sagen wir, Hirn- oder Leberzellen macht, diese als Zellen für kranke Menschen verwendbar sein würden. Falls dies der Fall sein würde, könnte es bahnbrechend sein.
Vor die Wahl gestellt
Man hat also die Wahl: 1) Man könnte IVF - d.h. künstliche Befruchtung - verbieten; 2) man könnte die Zellen nicht verwenden und sie schließlich und endlich weg werfen oder 3) man könnte sie verwenden, um Menschen wahrscheinlich auf diese Weise helfen zu können.

Das Argument gegen das Verwenden von Stammzellen spricht von der "Würde der Stammzelle", von der Tatsache, dass so eine Stammzelle ein Mensch werden könnte, u.s.w.
Bessere und schlechtere Antworten
Und wie immer bei ethischen Entscheidungen gibt es keine an und für sich "gute" Antwort, sondern nur schlechtere und bessere. Niemand würde behaupten, dass etwas, aus dem ein Lebewesen werden könnte, ethisch belanglos ist.

Aber die Frage ist nicht eine "entweder/oder" Frage, sondern eine die danach fragt, was wichtiger ist: eine omnipotente Zelle (die zwar biologisch am Leben ist, aber kein selbstbewusstes Leben hat) oder ein kranker Mensch, der sowohl am Leben ist, wie auch ein bewusstes Leben hat und dem geholfen werden könnte.
Nicht nur für Experten
Dies ist eine Entscheidung, bei der Experten bei der Darstellung der Tatsachen und dem Durchdenken zwar helfen können, die sie aber nicht berechtigt sind, allein zu bestimmen.

Eine Kommission - insofern die Mitglieder verschiedene Standpunkte vertreten und keine Interessenkonflikte haben - kann da helfen: aber auch nur mit helfen. Schließlich ist und sollte es uns Bürgern überlassen sein.

In meinem nächsten Beitrag möchte ich über die Gefahr, die eine Vermarktung von Stammzellen und Embryonen darstellt, sprechen.
 
 
 
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