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Schütteln löst Kohlendioxid schneller aus dem Wasser  
  Egal, ob geschüttelt oder erwärmt - im Sommer ist Mineralwasser weder in der einen noch in der anderen Form ein Genuss. Tatsache ist aber: Geschütteltes Mineralwasser sprudelt mehr als erwärmtes, weil die rasche Energiezufuhr ebenso wie das entstandene Druck-Ungleichgewicht durch das Schütteln das Kohlendioxid (CO2) mehr und schneller aus dem Wasser löst als etwas langsamere Energiezufuhr bei Erwärmung. Auch das Alltagsphänomen Bier ist leicht erklärt: Und die unverkennbare Farbkombination von Bier und Bierschaum ergibt sich aus den Inhaltsstoffen und ihren optischen Eigenschaften.  
Dass kohlensäurehaltiges Wasser sprudelt, wissen wir. Wie das CO2 überhaupt ins Wasser kommt, warum es beim Öffnen der Flasche entweicht und welche physikalisch-chemischen Prozesse dahinter stecken, erläutern Experten für die User von science.orf.at.
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Die Fragen im Wortlaut
Andrea F.: "Warum sprudelt geschütteltes Mineralwasser mehr als erwärmtes, obwohl beim erwärmen wahrscheinlich mehr Energie zugeführt wird als beim Schütteln? Warum ist Bier gelb und Bierschaum weiß?"
->   Zur Frage samt Diskussionsforum
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Kohlendioxid bringt Wasser zum Sprudeln
"Prinzipiell fürs Sprudeln verantwortlich ist das im Mineralwasser gelöste Kohlendioxid (CO2)", erläutert Günter Trettenhahn vom Wiener Institut für Physikalische Chemie. "Entweder CO2 ist bereits natürlich im Wasser vorhanden oder es wird unter Druck der Flüssigkeit beigefügt."

Die Löslichkeit von Kohlendioxid ist bei niedrigen Temperaturen und hohen Drucken erhöht. Daher kann sich das "Perlen" in kühlen Getränken länger halten, als in warmen: Erstens ist mehr gelöst und zweitens sprudelt es langsamer aus der Flüssigkeit heraus, weil es länger in der Lösung mit dem Wasser bleiben kann.
Warum es beim Öffnen der Flasche zischt
Ausgangslage des kleinen Experiments ist eine geschlossene Flasche. Generell ist es so, dass es beim Öffnen einer Mineralwasserflasche immer mehr oder weniger "zischt": Entscheidend dafür ist der kleine Hohlraum zwischen Flüssigkeit und Flaschenmund.

Ist die Flasche geschlossen, steigt der Druck in dieser Gasphase über dem Mineralwasser, weil hier auch der CO2-Gehalt steigt. Der Druck steigt so lange, bis er gleich hoch ist, wie der Druck, mit dem das Kohlendioxid aus dem Wasser austritt. Damit hat es innerhalb der Flasche einen Gleichgewichtszustand. In der Flasche herrscht im Gegensatz zum Außen ein Überdruck.

"Wird die Flasche nun geöffnet, sinkt der Druck in dieser Gasphase über dem Wasser rapide ab, das CO2 strömt heftig erhaus, es zischt und bei kühlen Getränken bildet sich auch noch der klassische Dunstnebel, der durch die kurzzeitig tiefen Temperaturen am Flaschenhals entsteht und den aufsteigenden Wasserdampf kondensieren lässt", so Trettenhahn.

"Gleichzeitig beginnt das im Wasser gelöste Kohlendioxid, durch den Druckabfall langsam wieder als Gas zu entweichen - und zwar in Form der kleinen Bläschen. Geschwindigkeitsentscheidend ist auch die Flüssigkeitsoberfläche, die mit dem Gasraum über ihr in Verbindung steht."
Energiezufuhr beeinflusst das CO2-Gleichgewicht
Energiezufuhr von außen beeinflusst das CO2-Gleichgewicht in der Mineralwasserflasche - egal, ob durch Erwärmung oder mechanische Einwirkung wie das Schütteln.

"Die Energiezufuhr bewirkt, dass sich im Wasser gelöstes Kohlendioxid herauslöst, zum Teil im Gasraum über der Flüssigkeit sammelt und zum Teil als freie Gasbläschen an der Flascheninnenseite schwimmen", so der Physikalische Chemiker. "Wird die Flasche dann in diesem Zustand geöffnet, spritzt das Wasser unter dem ungleichen Druck heraus und die herausgelösten Gasbläschen perlen schnell an die Oberfläche."

Webuser "supersauger" hat es richtig erkannt: "Nun ja, weil im Wasser CO2 gelöst wird. Je kälter und desto höher der Druck ist, desto besser ist die Lösung. Kommt es aber zu einer Erwärmung/zu einem Druckverlust (Flasche Öffnen), so wird mehr CO2 frei. Deshalb sprudelt Mineralwasser im Kühlschrank länger als in der Sonne."
Schütteln und Erwärmen haben denselben Effekt
Der Unterschied zwischen Schütteln und Erwärmen: Beim Schütteln wird rascher mehr Energie zugeführt und das Druck-Ungleichgewicht in der Flasche stärker. Beim Öffnen sprudelt die Flüssigkeit stärker. Im Endeffekt passiert aber genau derselbe physikalische Prozess.

Webuser "fenris 79!" beschreibt: "Das Sprudeln hängt nicht (nur, Anm. d. R.) von der zugeführten Energie ab, sondern von der Erschütterung selbst, die die Druckverhältnisse ruckartig ändert. Das Wasser kann die Kohlensäure nicht mehr binden und diese tritt dann als Sprudel aus."

"Lässt man übrigens die Flüssigkeit in einer geschlossene geschüttelten Mineralwasserflasche wieder zur Ruhe kommen, beziehungsweise kühlt man eine von der Sonne erwärmte Flasche wieder ab, stellt sich das Gleichgewicht wieder ein. Das bereits in die Luft entwichene CO2 kann sich natürlich nicht mehr lösen. Das CO2 im Gasraum bei geschlossener Flasche wird sich hingegen langsam wieder im Wasser auflösen", resümiert Trettenhahn.
Kohlensäure macht das Wasser säuerlich
Kurzer Exkurs: Die viel besagte Kohlensäure (H2CO3) - also die chemische Verbindung von Wasser (H2O) und Kohlendioxid (CO2) - im Mineralwasser gibt es zwar, aber nur in sehr geringer Konzentration und nur in so genannter dissoziierter - also getrennter - Form als Hydrogencarbonat-Ionen (HCO3-)und Oxonium-Ionen (H3O+).

Die schwache Säure verleiht dem Wasser seinen säuerlichen Geschmack und Geruch. Das meiste Kohlendioxid liegt aber - je nach Druck und Temperatur - in gelöster Form vor, das bei Druck- und Temperaturänderung wieder gasförmig wird.
Bierbestandteile absorbieren Teile des Lichts
Nun zum alkoholischen Sommergetränk Nr.1: Warum kommt das Bier zu seiner legendären Farbkombination Gelb-Weiß?

"Bestimmte Bestandteile im Bier absorbieren aus dem Farbspektrum des Lichts bestimmte Anteile und geben ihm somit die klassische gelbe Farbe-, so der Experte. "Genau genommen sind es die so genannten Komplementärfarben dieser gelben Farbmischung, die absorbiert werden, sodass die eigentliche Bierfarbe übrig bleibt."

Der Schaum besteht zum größten Teil aus Luft mit einem geringen Anteil an Inhaltsstoffen aus dem Bier, die im Schaum damit nur zu einer sehr schwachen Färbung führen. Somit tritt fast keine Absorption auf.

Hingegen wird an den vielen Phasengrenzen von Flüssigkeitsfilm und Luft, die im Bierschaum existieren, das Licht reflektiert und gestreut. Dieses Licht erscheint dann eben weiß - ebenso wie dies die Wolken am Himmel tun.
Der proteinreiche Schaum ist fast farbstofflos
Webuser "deeziner" führt das Alltagsphänomen aus: "(...) So - nun zum Bier - die Farbe des Bieres ist sehr stark von der verwendeten Malzsorte und der Röstdauer abhängig. Bei den Dark Ales sind´s schon fast Kohlekörner, die da verarbeitet werden (diese brits) :)) Nun, da das Bier auch CO2 hat, kommt ja der oben genannte Effekt wieder vor - die Gasbläschen steigen nach oben - blubbern schön und bilden Schaum - dieser Schaum ist auch etwas ganz Interessantes (ihr wisst doch, daß Bier früher von Mönchen während der Fastenzeit verwendet wurde?).

Der Schaum enthält viel Protein - und da Proteine (fast) keine Farbstoffe binden können (siehe Eiklar) erscheint die Schaumkrone schön weiss. Das hochmolekulare Protein (falls von interesse: LPT1) ist ein oberflächenaktives Protein und bildet eine elastische 'Membran' um die aufsteigenden Gasbläschen - tja, und so entsteht die schöne Schaumkrone."

In diesem Sinne: Schönen Sommer mit erfrischendem Mineralwasser und schaumigem Bier! Und bitte: Die Getränke immer schön kühl halten und möglichst wenig schütteln!

Eva-Maria Gruber, 29.6.07
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