Host-Info
Birgit Sauer
Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Birgit Sauer :  Gesellschaft 
 
Geschlechterforschung statt politologischer Blindheit  
  Frauen sind in der österreichischen Politik zwar nach wie vor unterrepräsentiert, doch eine quantite negligeable sind sie längst nicht mehr. Freilich macht "Frausein" alleine kein politisches Programm aus, auch wenn die gleiche quantitative Repräsentation aus der Gerechtigkeitsperspektive unabdingbar ist.  
Aktiver Frauenpolitik (die auch von Männern gemacht werden kann und soll) geht es um eine frauengerechte Gestaltung der Gesellschaft; um eine Gesellschaft, in der Frauen wie Männer den gleichen Zugang zu ökonomischen, sozialen und kulturellen Ressourcen sowie zu machtvollen Positionen haben.
Ent-Deckung der Ausschlussmechanismen
Welchen Beitrag leistet nun die Politikwissenschaft, um diesem Ziel einer der Geschlechterdemokratie näher zu kommen? Der Mainstream der Politikwissenschaft, so das ernüchternde Ergebnis, trägt noch immer vergleichsweise wenig dazu bei und betreibt die Wissenschaft von der Politik geschlechterblind.

Doch die politikwissenschaftliche Geschlechterforschung hat in den vergangenen 15 Jahren (auch) im deutschsprachigen Raum entscheidende Grundlagenforschung zur Ent-Deckung der Ausschließungsmechanismen aus der Politik geleistet.
Institutionalisierung im deutschsprachigen Raum
Der Geschlechterforschung ist es in den vergangenen 20 Jahren gelungen, sich zu akademisieren und an den Universitäten im deutschsprachigen Raum auch zu institutionalisieren.

Das österreichische Studiengesetz macht Geschlechterforschung zu einem Studienschwerpunkt und zum expliziten Gegenstand der Förderung.
Gefragte Qualifikation "Gender Kompetenz"
Zahlreiche Universitäten in Österreich haben Professuren für Geschlechterforschung/Gender Studies eingerichtet, viele Studienrichtungen bieten Lehrveranstaltungen in diesem Themenbereich an. An der Universität Wien wird es im kommenden Jahr einen interdisziplinären MA-Studiengang "Gender Studies" geben.

Das "Gender Kolleg" der Universität Wien bietet bisher die Vertiefung Gender Studies im Doktoratsstudium an.

Und der Arbeitsmarkt erfordert zunehmend Gender Kompetenz in Organisationen der Privatwirtschaft ebenso wie in der staatlichen Verwaltung. Eine solide und grundlegende Ausbildung im diesem Bereich wird deshalb immer wichtiger.
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Einführungsliteratur zur Geschlechterforschung
Das Studienbuch "Politikwissenschaft und Geschlecht. Konzepte - Verknüpfungen - Perspektiven", das von Sieglinde Rosenberger und Birgit Sauer herausgegeben wurde, ist ein Einführungsbuch in die politikwissenschaftliche Geschlechterforschung.

Die Kapitel sind von wissenschaftlichen Expertinnen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich verfasst. Sie diskutieren zentrale Begriffe und Konzepte der Politik wie Macht und Herrschaft, Staat, Recht und Institutionen, Öffentlichkeit, Interessen und Repräsentation, Demokratie und Staatsbürgerschaft, Arbeit sowie Krieg und Frieden in ihren geschlechterpolitischen Dimensionen.
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Warum noch immer "Gruppenbild mit Dame"?
Sind moderne Demokratien (Volksherrschaft) nicht eher Androkratien (Männerherrschaft)? Ist das Private politisch oder sollte es dies überhaupt sein? Sind Frauen machtlos? Warum präsentieren Staatsempfänge immer noch ein "Gruppenbild mit Dame"? Sind Männer vom Mars und Frauen von der Venus? Dies sind Fragen, die die Kapitel versuchen, politikwissenschaftlich zu beantworten.

Alle Kapitel stellen die historische Entwicklung der geschlechterforscherischen Debatten über den Begriff dar und verknüpfen diese kritische Diskussion mit den Diskussionssträngen des politikwissenschaftlichen Mainstreams.
Kritischer Dialog Geschlechterforschung - Politikwissenschaft
So treten Geschlechterforschung und Politikwissenschaft in einen kritischen Dialog. Dabei werden nicht nur die Leerstellen der Politikwissenschaft sichtbar, sonder auch der Beitrag der Geschlechterforschung zu aktuellen wissenschaftlichen und politischen Debatten (z. B. Globalisierung, neue Kriege, Identitätspolitik).

Ein Überblickskapitel über die "Kategorie Geschlecht" sowie eine Einführung in geschlechterforscherische Wissenschaftskritik und Methodologie bilden die Klammer für die thematisch-begrifflichen Kapitel.
Anknüpfungspunkte zu anderen Disziplinen
Das Studienbuch bietet mithin eine Einführung in die politikwissenschaftliche Geschlechterforschung als Einführung in das Fach selbst.

Doch darüber hinaus bieten die Kapitel auch Anknüpfungspunkte an andere sozialwissenschaftliche Disziplinen.

Es ist also auch interdisziplinär angelegt ¿ so wie dies die Frauen- und Geschlechterforschung dem Selbstverständnis nach stets war.
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Das Buch "Politikwissenschaft und Geschlecht" (erschienen bei WUV Universitätsverlag) wird am 19.11.2004 von 14.oo bis 16.oo Uhr im Elise Richter Saal der Universität Wien (Hauptgebäude, 1. Stock) präsentiert.

Neben einer Vorstellung der Publikation findet auch eine Diskussion zum Thema "Geschlechterforschung im Mainstream?" statt.
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