Host-Info
Birgit Sauer
Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Birgit Sauer :  Wissen und Bildung 
 
Neues Uni-Dienstrecht: Nachteile v.a. für Frauen  
  Eine Reform des österreichischen Hochschulsystems ist aus mehreren Gründen dringend geboten - nicht zuletzt wegen der Geschlechterfrage. Denn nach wie vor zählen die Hohen Schulen neben dem Militär, den Wiener Philharmonikern und der katholischen Kirche zu den ehernsten Männerinstitutionen unserer Gesellschaft.  
63 Prozent Absolventinnen, 91 Prozent Professoren
Der Männeranteil an Österreichs Universitäten beträgt bei Universitäts-Assistenten 66 Prozent, bei definitiv gestellten Außerordentlichen Professuren 84 Prozent und bei Universitätsprofessuren 91 Prozent.

An qualifizierten Frauen mangelt es aber keineswegs: Von den Universitäts-Absolventen und -Absolventinnen sind 63 Prozent Frauen. Offenbar zählen also bei der Besetzung von Hochschullehrerstellen nicht nur Qualifikation und Leistung, sondern auch das Geschlecht bzw. die Zugehörigkeit zu einer akademischen oder auch politischen (Männer-)Seilschaft.
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Birgit Sauer schrieb diesen Text gemeinsam mit Eva Flicker, Assistentin am Institut für Soziologie der Universität Wien. Beide sind Gleichbehandlungsbeauftragte an der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften der Universität Wien. Der Text erschien ursprünglich in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Falter".
->   Falter
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Langsame Erhöhung des Frauenanteils
Gleichstellungspolitische Instrumente und der aktive Einsatz engagierter Kolleginnen konnten den Frauenanteil in den vergangenen Jahren langsam erhöhen. An der Universität Wien stieg er bei den Universitäts-Assistenzen zwischen 1985 und 2001 von 22 auf 36 Prozent, bei den Professuren von 5 auf magere 9 Prozent.

Von den Definitivstellungen der vergangenen Jahre - davon also, was landläufig als "Zupragmatisierung" der Universitäten gegeißelt wird - haben in hohem Maße Männer profitiert: Der Frauenanteil liegt bei diesen (Außerordentlichen und Assistenz-)Professuren an der Universität Wien bei 21 Prozent.
Neues Dienstrecht gegen Gender-Mainstreaming
Was langjährig Männern zugute kam, sollen Frauen nun ausbaden. Ab Oktober 2001 wird ein neues Dienstrecht gelten, das vor zwei Wochen vom Ministerrat beschlossen wurde und allenthalben als gelungener Kompromiss gefeiert wird. Ein konsequentes Ignorieren der Gleichstellungspolitik ist vielleicht hierzulande ein Grund zum Feiern.

EU-weit haben sich die Regierungen aber dem "Gender Mainstreaming", d.h. der Berücksichtigung von geschlechtsspezifischen Folgen bei allen Gesetzesvorhaben verpflichtet. Weder im Diskussions- und Begutachtungsverfahren noch in der Ausformulierung des Gesetzestextes fand dieses Prinzip Aufnahme.
Vier-Säulen-Modell
Als Kernstücke des neuen Gesetzes gelten die Erschwerung von Pragmatisierungen sowie regelmäßige Evaluationen von Forschung und Lehre. Darin könnten durchaus Chancen zur Aufweichung gemauerter Strukturen und zur Öffnung für junge Wissenschaftlerinnen liegen.

Eine Universitätskarriere soll zukünftig in vier aufeinander aufbauenden Abschnitten verlaufen, bildhaft im sogenannten "Vier-Säulen-Modell" dargelegt: Die Karriere beginnt als "wissenschaftlicher Mitarbeiter" für die Dauer von 4 Jahren, nach der Promotion ist dann die Bewerbung auf eine sechsjährige Universitätsassistenz möglich; nach einer weiteren Begutachung kann dann die Bewerbung auf eine befristete Vertragsprofessur oder auf eine unbefristete Universitätsprofessur erfolgen.
Gleichstellungspolitische Katastrophe
Die "Reform" ist unter gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten eine Katastrophe, denn sie wird die in den vergangenen Jahren erzielten, wenn auch mageren Erfolge universitärer Gleichstellungspolitik zunichte machen und die pragmatisierte Männer-Privilegierung fortschreiben.

Das Modell täuscht nämlich Kontinuität einer wissenschaftlichen Karriere nur vor. Die vielgepriesene Bewerbung auf eine Stelle der nächsten Säule wird unter den gegebenen restriktiven Budgetentwicklungen und Stelleneinsparungen nicht stattfinden können. Ohne Budget- und Planstellenzuweisung bleiben die im Gesetz eröffneten "Möglichkeiten" schlichte Unsicherheiten.

Wahrscheinlich ist also das Szenario, dass der in den vergangenen Jahren motivierte weibliche Nachwuchs nach Ablauf der zeitlich befristeten Stellen wieder der Universität verwiesen wird.
Prekäre Frauen-, definitive Männer-Verträge
Die Schaffung zweier Klassen von Hochschullehrern, die vorläufigen und die definitiven, wird vermutlich zu einer Feminisierung der prekären Dienstverhältnisse und zu einer weiteren Maskulinisierung der sicheren Universitäts-Arbeitsplätze führen.

Die hier regierende Doppelmoral, die die Pfründe bestallter Professuren unberührt lassen will, ist keine Reform, sondern höchstens der Versuch, eine neoliberale Rhetorik mit den männlich-professoralen Fürstentümern zu harmonisieren.
'Flexibilität': Erzwungene Kinderlosigkeit
Das Universitätsorganisationsgesetz (UOG 93) schuf für diese männliche Monokratie bereits die strukturellen Grundlagen. Die vollrechtsfähige Universität segelt unter den Begriffen "Effektivität", "Leistung" und "Flexibilität", nimmt aber in Kauf, die Leistungen von Wissenschaftlerinnen zu vergeuden.

Sie verzichtet auf effektive Anreizsysteme zur Frauenförderung, wie dies an anderen europäischen Universitäten erfolgreich praktiziert wird. Das vorgesehene Laufbahnmodell fordert Flexibilität, es "fördert" damit aber die "erzwungene Kinderlosigkeit" von Akademikerinnen und Akademikern: Familienarbeitszeiten werden auch zukünftig bei Verlängerungen von Dienstverhältnissen nicht entsprechend anerkannt.

Die Muster bislang gängiger, d.h. kontinuierlicher männlicher Wissenschaftsbiographien werden fortgeschrieben.
Malestreaming statt Mainstreaming
Im Grunde ist die Dienstrechtsreform das "Nachholen" eines Dienstrechts, wie es in Deutschland seit den siebziger Jahren existierte und gerade abgeschafft wird - nicht zuletzt deshalb, weil es kreatives und selbständiges Forschen von Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen behinderte.

Hierzulande aber feiert das Mainstreaming als "Male"streaming, das stromlinienförmige Einpassen von Männern, fröhliche Urstände.
 
 
 
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