Host-Info
Philipp Steger
Office of Science& Technology
Austrian Embassy, Washington
 
ORF ON Science :  Philipp Steger :  Umwelt und Klima 
 
Die positiven Seiten amerikanischer Umweltpolitik à la Bush & Cheney  
  Manchmal kann man den Eindruck bekommen, daß die derzeitige US-amerikanische Umwelt- und Energiepolitik - zumindest für uns Europäer - wirklich eine feine Sache ist. Immerhin können wir uns angesichts amerikanischer Verhältnisse und Versäumnisse wieder einmal stolz auf die Schulter klopfen im Wissen, daß wir in diesen Sachen natürlich viel fortschrittlicher sind.  
Bushs Umweltpolitik und die Politik seines Vorgängers
Wenn es George W. Bush nun tatsächlich gewagt hat, dem Rest der Welt ins Gesicht zu sagen, was in amerikanischen Politikerkreisen ohnehin schon längst klar war, nämlich daß die USA das Kyoto Protokoll nicht ratifizeren werden, dann ändert auch der Umstand, daß die europäischen Staaten in Sachen Ratifizierung dieses internationalen Vertrages auch nicht gerade Musterschüler sind, nichts an der allgemeinen Empörung.

Es ist schon beunruhigend genug, daß wir Europäer die rezenten bad news aus der amerikanischen Umweltpolitik zum Anlaß nehmen, uns in der trügerischen Gewißheit unserer vermeintlichen Überlegenheit im Hinblick auf Umweltpolitik zu wiegen. Noch beunruhigender ist jedoch, daß vielfach übersehen wird, daß das Problem der Bush Regierung in Wirklichkeit nicht so sehr eine um so viel schlechtere Umweltschutzpolitik als jene der Vorgängerregierung ist, sondern eine von Anfang an verheerende Öffentlichkeitsarbeit.

Auch Clintons Team hatte in Sachen Umweltschutz nicht wirklich brilliert, aber das Thema PR-mäßig stets besser gehandhabt - Ralph Naders beachtlicher Wahlerfolg gerade in den für Umweltthemen sensibilisierten Staaten des amerikanischen Nordwesten ist dafür beredter Beleg.
Betroffenheit oder Nutzung neuer Chancen
Wir können weiterhin betroffen sein über das mangelnde Umweltgewissen der USA oder wir können uns überlegen, ob das schlechte Umweltschutz-Image von George W. Bush, Dick Cheney & Co. nicht auch Chancen bietet: Chancen für intelligenten und nachhaltigen Umweltschutz in den USA, aber auch Chancen für Europa, die europäische Lufthoheit in Sachen Umweltschutz unter Beweis zu stellen.
Kongreß füllt umweltpolitisches Vakuum
Die Tendenz, dem Weißen Haus die alleinige Verantwortung für Umweltschutzpolitik zuschreiben zu wollen, übersieht insbesondere die Stärken des amerikanischen Parlamentarismus. Die Energiekrise und die PR Fehltritte der Regierung, wenn es um "environmental issues" ging, haben dazu geführt, daß hierzulande endlich wirklich über die Problematik eines ungebremsten Energiekonsums und die Alternativen dazu diskutiert wird.

Der Prozeß einer zunehmenden Bewußtmachung dieser Themen endet allerdings nicht bloß in den Köpfen, sondern manifestiert sich auch in konkreten Maßnahmen, wie etwa dem verstärkten Engagement einzelner Mitglieder des amerikanischen Kongresses.

Unter diesen Personen hat sich vor allem der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses im Repräsentantenhaus, Sherwood Boehlert, hervorgetan. Als Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses kommt dem gemäßigten Republikaner zentrale Bedeutung bei der Entscheidung über die im Rahmen des "Comprehensive Energy Research and Technology Act of 2001" vorgesehenen Budgetmittel für umwelt- und energierelevante F&E Forschung zu.

Aber auch andere Legislatoren unterstützen eine stärkere Rolle von umweltrelevanter F&E. So beschloß etwa vor kurzem einer der Finanzunterausschüsse des Repräsentantenhauses, die F&E Programme der EPA mit 6 % mehr als im Budgetentwurf des Präsidenten vorgesehen zu fördern. Das durch das Weiße Haus geschaffene umweltpolitische Vakuum bietet somit anderen Politikern die Möglichkeit, sich entsprechend positiv zu profilieren.
Bush unter Druck
Allerdings ist sich auch der Präsident des wachsenden Drucks bewußt und ist um Schadensbegrenzung bemüht. Einige der von ihm gesetzten Maßnahmen mögen auf den ersten Blick wie leere Versprechungen ohne viel Inhalt erscheinen. In Wirklichkeit sind einige dieser Gesten - wie etwa seine Unterstützungserklärung für die Aufwertung der Leiterin der Environmental Protection Agency (EPA), Christine Todd Whitman, zu einem Kabinettsmitglied - durchaus substantiell. Der entsprechende Gesetzesvorschlag für die Aufwertung Whitmans zur Ministerin stammt im übrigen von Sherwood Boehlert.
->   Presseaussendung Boehlerts zur Aufwertung der EPA zum "Department of Environmental Protection"
Amerikanische Sensibilität für Umweltschutz
Bush und Cheney haftet das Stigma einer gewissen Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt und Umweltschutzinteressen an. Das Bild zweier Großindustrialisten, die das ursprüngliche, unverdorbene Amerika in Scheibchen dem "corporate America" als Opfer darbringen, scheint in den amerikanischen Medien allgegenwärtig.

Dieses Medienbild an sich sollte Anregung zum Nachdenken sein. Etwa darüber, daß die für Europäer so typischen (Vor)Urteile über die Absenz einer Sensibilität für die Anliegen des Umweltschutzes unter den Amerikanern nicht unbedingt gerechtfertigt sind.

Der Umstand, daß besagtes image der beiden Herren als Ausverkäufer der amerikanischen Umwelt in den US Medien so gerne und so konsequent perpetuiert wird, spiegelt zwangsläufig eine entsprechende Sensibilität amerikanischer Medienkonsumenten wider.
Europäisches Know-How gesucht
Die längst überfällige Diskussion über erneuerbare Energieträger führt mitunter zur Erkenntnis, daß in den USA das notwendige wissenschaftliche und technische know how gar nicht vorhanden ist. In diesem Fall wird der Blick dann gerne nach Europa gerichtet und europäisches know how und Erfahrungen rücken in den Mittelpunkt des Interesses.
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Environmental and Energy Study Institute
Einer der wichtigsten Proponenten eines derartigen Erfahrungsaustausches ist das "Environmental and Energy Study Institute" (EESI), eine Non-Profit Organisation, die sich vor allem dem Ziel der Nachhaltigkeit verschrieben hat und dieses Ziel durch regelmäßige, vielbeachtete Informationsveranstaltungen zu aktuellen umweltrelevanten Themen verfolgt.

Das 1984 von Parlamentariern beider Parteien gegründete Institut greift bei seinen meist im Kongreß durchgeführten Veranstaltungen regelmäßig auf europäische Expertise zurück. Ein rezentes Beispiel war ein Symposium zur Windenergie, bei dem der deutsche Wissenschaftsattaché über die in Deutschland gemachten Erfahrungen mit Windenergie referierte.
->   Environmental and Energy Study Institute
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Kritik und Taten
Derartige Möglichkeiten, die praktischen und wissenschaftlichen Erfahrungen Europas einzubringen, gibt es viele. Es ist an der Zeit, der Kritik am schwachen Umweltschutz-Engagement der USA konkrete Taten folgen zu lassen, nämlich jene amerikanischen Einrichtungen aktiv zu unterstützen, die sich zugunsten eines breiteren Umweltschutzes einsetzen, und die Chancen, die sich daraus für den Transfer europäischen Know Hows ergeben, aktiv zu nutzen.
 
 
 
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