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Philipp Steger
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ORF ON Science :  Philipp Steger :  Leben .  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
USA: Bioethik-Kommission des Präsidenten wird aktiv  
  Bereits im November 2001 kreierte George W. Bush per Verfügung eine neue Bioethik-Kommission ("The President's Council on Bioethics") als Beratungsorgan des amerikanischen Staatsoberhauptes in Fragen der Bioethik. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht vorerst das Thema "Klonen": eine heikle Aufgabe für die Kommission, die nun aktiv wird.  
Klingende Namen
Die Positionen des Vorsitzenden und des Geschäftsführers waren bereits 2001 besetzt, über die Identität der weiteren Mitglieder herrschte allerdings Stillschweigen.

Am 16. Jänner war es dann endlich so weit, der amerikanische Präsident verkündete die Namen der Mitglieder der prominent besetzten Kommission.

Unter ihnen befinden sich unter anderem Francis Fukuyama, Stephen Carter, Robert P.George und Charles Krauthammer. Die Tätigkeit der Kommission ist auf vorerst zwei Jahre beschränkt.
Verfügung des Präsidenten vom 28.11.2001, mit der die Bioethik-Kommission ins Leben gerufen wurde:
->   Verfügung des Präsidenten
->   Kurzbiographien der Kommissionsmitglieder
Interdisziplinäres Beratungsorgan
Die neue Bioethik-Kommission ist als primäres Beratungsorgan des amerikanischen Staatsoberhauptes in Fragen der Bioethik quasi die Nachfolgerin der von Clinton eingerichteten "National Bioethics Advisory Commission" (NBAC).

Die Gruppe setzt sich aus Philosophen, Theologen, Juristen, Journalisten und Ärzten zusammen. Den Vorsitz führt der als konservativ geltende Bioethiker Leon Kass, der bereits im August des vergangenen Jahres im Zusammenhang mit Bushs kontroversieller Entscheidung zur Stammzellenforschung nominiert wurde.
Protokoll der Anhörung von Leon Kass im Zuge eines Hearings im Repräsentantenhaus zum Thema "Human Cloning Prohibition Act of 2001":
->   Protokoll der Anhörung
Artikel von Leon Kass in der konservativen Zeitschrift "The New Republic": "Why we should ban human cloning now. Preventing a Brave New World":
->   "Why we should ban ..."
Brennpunkt - Klonen
Die Kommission wird sich mit den ethischen Aspekten rund um das Klonen von Embryonen, die Euthanasie und die Forschung mit embryonalen Stammzellen beschäftigen. Darüber hinaus ersuchte George W. Bush in seiner Verfügung die Kommission, sich auch der Frage der künstlichen Fortpflanzung, vor allem der In-vitro-Befruchtung zu widmen.

Leon Kass hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten kritisch über die In-vitro-Befruchtung ausgesprochen und galt einige Zeit sogar als ausdrücklicher Gegner dieser künstlichen Befruchtungsmethode.

Vorerst werden es jedoch die komplexen Fragen rund um das Klonen menschlicher Embryos sein, die die Aufmerksamkeit der Kommissionsmitglieder in Anspruch nehmen werden. Die Frage, ob die USA ein generelles Verbot menschlichen Klonens einführen oder bloß ein partielles, ist noch nicht ausgestanden.

Das Repräsentantenhaus hat zwar in einem entsprechenden Beschluss sowohl das Klonen zum Zwecke der Fortpflanzung ("reproductive cloning") als auch das Klonen von Embryos zu Forschungszwecken ("therapeutic cloning") verboten, eine Entscheidung des Senats ist jedoch nach wie vor ausständig.
Grenzen der Macht
Als Beratungsorgan kann die Kommission lediglich Empfehlungen abgeben. Die Erfahrungen mit ihrer Vorgängerin, der NBAC, zeigen, dass Reichweite und Einfluss dieser Empfehlungen begrenzt sind - keine einzige der umfangreichen Studien und Empfehlungen wurde je im legislativen Prozess umgesetzt.
->   Archiv der National Bioethics Advisory Commission
Grundtendenz: konservativ
Während der Gruppe in politischer Hinsicht eine gewisse Rechtslastigkeit nachgesagt werden kann, scheinen sich auch die liberalen Kommentatoren einig zu sein, dass die Zusammensetzung wesentlich ausgewogener ist, als weithin erwartet worden war.

Kritisiert wurde bisher allerdings die Besetzung des Postens des Geschäftsführers der Kommission mit Dean Clancy. Clancy ist in Washington kein Unbekannter: er war lange Zeit Mitarbeiter des Abgeordneten Dick Armey (Republikanische Partei) und ist in konservativen christlichen Kreisen wiederholt für eine stärkere Rolle von Religion in amerikanischen Schulen eingetreten, gilt also als besonders konservativ.
Heikle Aufgabe für die Kommission
Die "Washington Post" wies - nicht zu Unrecht - darauf hin, dass die Situation in Hinblick auf menschliches Klonen und die damit zusammenhängenden ethischen Fragen seit der Stammzellenentscheidung im vergangenen Sommer wesentlich komplexer geworden ist.

Auf der einen Seite hat die Nachricht von den ersten geklonten Embryonen im November das Schreckgespenst des geklonten Menschen heraufbeschworen, auf der anderen Seite sollte die den Krieg in Afghanistan begleitende "Kommunikationsstrategie" den Krieg auch als Befreiungskrieg darstellen: die Befreiung eines Landes von religiösen Fanatikern, die ihren Willen einem unterjochtem Volk oktroyieren.

Dadurch ist in den USA eine neue Sensibilität bezüglich der Rolle fundamentalistischer, religiöser Gruppen im politischen System entstanden. George W. Bush und seine Kommission stehen damit vor einer besonders heiklen Herausforderung: einerseits die Angst vor dem geklonten Menschen mit klaren gesetzlichen Regelungen zu beschwichtigen und andererseits den Eindruck zu vermeiden, dass in diesem Gesetzgebungsprozess fundamentalistische religiöse Gruppen einen allzu großen Einfluss haben.
->   Artikel in der Washington Post v. 16.1.2002
 
 
 
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