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Philipp Steger
Office of Science& Technology
Austrian Embassy, Washington
 
ORF ON Science :  Philipp Steger :  Technologie 
 
Zwangsbeglückung Digital TV
USA verordnen digitales Fernsehen
 
  Digitales Fernsehen - genauer gesagt: die Übertragung digital codierter statt analoger Signale zwischen Sender und Empfänger - ist seit einer rezenten Entscheidung der Federal Communications Commission (FCC) wieder ein heißes Thema. Die FCC verfügte mit 3:1 Stimmen, dass bis Juli 2007 alle in den USA verkauften Fernsehgeräte mit einem digitalen Empfänger ausgestattet sein müssen.  
Diese Entscheidung stellt ein beachtliches Abgehen vom öffentlichen Bekenntnis der gegenwärtigen Regierung zum freien Markt dar und stößt auf entsprechend erbitterten Widerstand.
->   Federal Communications Commission
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Digitales Fernsehen
Digitales Fernsehen bietet eine Vielzahl von technischen Möglichkeiten, bei denen das herkömmliche analoge Fernsehen nicht mithalten kann:

- High Definition TV (HDTV), dessen Bilder DVD-Qualität besitzen.

- Multicasting - die Möglichkeit mehrere Sendungen im Standard Definition TV (SDTV) gleichzeitig zu senden.

- Interactive DTV - die Möglichkeit Web-ähnliche interfaces mit dem Fernsehgerät zu benutzen, was vor allem für ländliche Gegenden, in denen es keinen Internetzugang gibt, von großer Bedeutung sein wird.

Zur Zeit senden einige Kabel- und Satellitenbetreiber sowie Betreiber terrestrischer Fernsehstationen auf den von ihnen belegten Kanälen auch digitale Videosignale. Mangels entsprechend ausgestatteter Fernsehgeräte - so können etwa nicht einmal alle so genannten digitalen Fernsehgeräte die Vorteile von HDTV nutzen - ist die Bildqualität nicht viel besser als jene des analogen Fernsehens.

Voraussetzung dafür, digitale Signale über ein analoges Fernsehgerät empfangen zu können, ist eine so genannte Top-Set-Box (Durchschnittspreis: 450 Dollar), die die digitalen Signale in analoge umwandelt.
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->   Originaltext der FCC Entscheidung
Wirtschaftlicher Druck
Als die drahtlose Telefonie und Telekommunikation in den neunziger Jahren ihren ersten Boom erlebte, entstand in politischen Kreisen ein großes Interesse daran, die bis dahin für das terrestrische Fernsehen reservierten 402 MHz Bandbreite (67 Kanäle mit 6 MHz pro Kanal) zumindestens teilweise für die drahtlose Telekommunikation freizubekommen.

Dieser Umstand und die Tatsache, dass 402 MHz mehr als das Doppelte des für drahtlose Telephonservices in den USA zur Verfügung stehenden Frequenzbereichs sind führte eine Reihe von Lobbyisten dazu, eine drastische Einschränkung des für terrestrisches Fernsehen reservierten Frequenzbereiches zu fordern.

Ihr Hauptargument: das terrestrische Fernsehen hat in den USA schwindende Bedeutung, denn 90 Prozent der amerikanischen Fernsehhaushalte beziehen ihr Fernsehen - sei es nun digital oder analog übermittelt - mittlerweile über Kabel oder Satellit.
Ein Dilemma und seine Lösung
Die Regierung befand sich allerdings in einer schwierigen Situation: es ist Teil des öffentlichen Auftrages, jenen 10 % der amerikanischen Fernsehhaushalte, die mangels Kabel- oder Satellitenalternative noch darauf angewiesen sind, auch in Zukunft den Empfang terrestrischen Fernsehens über die Hausantenne zu ermöglichen.

Der Umstieg auf digitales Fernsehen schien die ideale Lösung für dieses Dilemma zu sein: da ein analoger Sendekanal ca. sechsmal so viel Bandbreite wie ein digitaler Sendekanal braucht, würde der Umstieg zu enormen Einsparungen an notwendiger Bandbreite führen.

Und die auf den terrestrischen Empfang angewiesenen Fernsehhaushalte könnten sich - so sie eine Top-Set Box haben - weiterhin auf die bewährte Hausantenne verlassen.
Praktische Probleme ...
Dem ¿ergang von analogem zu digitalem Fernsehen - der dann 1997 via Gesetz verordnet wurde - standen allerdings von Anfang an einige praktische Probleme entgegen. Zum Einen sind nicht alle Fernsehger¿ in der Lage, digitale Signale zu empfangen, und nicht alle so genannten digitalen Fernsehger¿ sind in der Lage, High Definition TV richtig zu verarbeiten, d.h. auf dem Gebiet der Elektronikger¿ bestand enormer Aufholfbedarf.

Abgesehen davon w¿rden die auf terrestrisches Fernsehen angewiesenen Haushalte zur Investition in eine Top-Set Box oder die Anschaffung eines digitalen Fernsehger¿ gezwungen. Zum Anderen ist die Umwandlung von analogen Videosignalen in digitale und die Produktion digitaler Fernsehsendungen mit zus¿lichen Kosten verbunden, denen sich die meisten TV-Unternehmen nicht aussetzen wollten.

Vor allem, solange nicht sichergestellt ist, dass ein entsprechender Prozentsatz amerikanischer Fernsehhaushalte diese Signale auch empfangen kann. F¿r die Elektronikindustrie, die sich ebenfalls mit massiven Investitionen konfrontiert sah, stellte sich das Dilemma ¿lich dar: Investitionen in die Massenproduktion digitaler Fernsehger¿ w¿rden sich nur auszahlen, wenn sichergestellt w¿, dass es ausreichend digitale Fernsehprogramme gibt.

Um in der Lage zu sein, ihre Videosignale parallel digital und analog verschl¿sselt zu senden, erhielten alle TV Stationen f¿r eine ¿ergangszeit einen zus¿lichen Kanal f¿r das Senden digitaler Videosignale.

Gleichzeitig wurden sie verpflichtet, bis zu einem bestimmten Datum - vorerst 2006 - alle ihre ¿ber den Rundfunk gesendeten Signale in digitale umzuwandeln. Im Mai dieses Jahres lief nun eine erste Deadline ab, zu der alle Fernsehstationen verplichtet gewesen w¿n, zumindestens einen Teil ihrer Sendungen digital zu senden.

70 Prozent der kommerziellen Sender hielten die Deadline nicht ein. Als Erkl¿ng wurde darauf hingewiesen, dass ein verschwindend geringer Prozentsatz der in den USA verkauften TV Ger¿ technisch in der Lage sei, digitale Signale zu empfangen.
... werden durch die FCC Entscheidung aus dem Weg geräumt
Die Verordnung der FCC, in Zukunft alle konventionellen Fernsehgeräte so zu bauen, dass sie digital codierte Sendungen empfangen können - also die Top-Set Box nicht mehr extra dazugekauft werden muss - , tritt phasenweise in Kraft.

Sie gilt ab Juli 2004 für große Fernsehgeräte und dann ab 2007 auch für kleinere Fernsehgeräte. Hinter dem phasenweisen Umstieg auf die neue Norm steckt die Hoffnung, dass die - von den Gegnern mit 250 Dollar prognostizierten - Mehrkosten bis dahin durch die Vorteile der Massenproduktion deutlich reduziert werden.

Die FCC plant, die zur Zeit für analoge Videosignale reservierten Frequenzen für andere Nutzungen zu verkaufen, sobald 85 Prozent der amerikanischen Konsumenten digitales Fernsehen über terrestrische Kanäle empfangen können. Aus dem Verkauf der solcherart freigewordenen Frequenzbereiche erhofft man sich auf Regierungssseite fünf bis zehn Milliarden Dollar.
Marktversagen?
Die nunmehrige Entscheidung des FCC - begleitet im übrigen von einem Eingeständnis des Versagens der Marktkräfte durch FCC Vorsitzenden Michael Powell - trägt unverkennbare interventionistische Züge, die sich mit dem Klischee der USA als Gral der freien und nur minimal regulierten Marktwirtschaft nur schwer vereinbaren lassen:

Die Elektronikindustrie wird gezwungen, einen Standard einzuführen, der nicht das Ergebnis der Marktkräfte, sondern politischer Prioritäten ist.

Mit entsprechend geringem Enthusiasmus wurde denn auch diese FCC-Entscheidung von den VertreterInnen der Elektronikindustrie begrüßt, weshalb in dieser Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, da die Entscheidung der FCC von den betroffenen Unternehmen aus der Elektronikbranche vor Bundesgerichten angefochten werden kann und sich die verschiedenen RepräsentantInnen der Branche diese Option offen gehalten haben.
->   Ausführlicher Artikel über die FCC Entscheidung in der New York Times v. 9.8.2002
->   Artikel im Wall Street Journal v. 6.8.2002
->   Kommentar im Wall Street Journal v. 8.8.2002
->   Information über die Transition des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu DTV
 
 
 
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