Anita Traninger
Institut für die Wissenschaften vom Menschen
 
ORF ON Science :  Anita Traninger :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
Mord im Elfenbeinturm
10 Jahre danach noch immer ungelöst
 
  Am 21. Mai 1991 wurde Ioan Petru Culianu, rumänisch-stämmiger Religionswissenschaftler und Professor an der Divinity School der University of Chicago, ermordet. 10 Jahre danach ist die rätselhafte Tat noch immer ungeklärt. Sorin Antohi, Professor für Geschichtswissenschaft an der Central European University in Budapest und Gast am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), geht für science.orf.at den Hintergründen nach.  
Kopfschuss von hinten
Vor 10 Jahren wurde Culianu ermordet. Durch einen Kopfschuss, abgefeuert aus allernächster Nähe, in der Toilette neben seinem Büro. Er war sofort tot. Er war 41.
Keine heiße Spur
Zehn Jahre danach ist das Rätsel seines viel zu frühen Todes nach wie vor ungelöst, und der Mörder, oder die Mörder, sind noch immer auf freiem Fuß.
Von Geheimbünden ermordet?
Die örtliche Polizei, das FBI, seine Familie, seine Freunde, der Autor eines Buchs über den rätselhaften Fall sowie viele Journalisten glauben, dass Culianu von der Eisernen Garde bzw. ihren Nachfolgern in Verbindung mit der Securitate bzw. ihren Erben ermordet wurde. Die Eiserne Garde war eine rechtsextreme Bewegung im Rumänien der Zwischenkriegszeit, die Securitate Rumäniens berüchtigte Geheimpolizei. Aber warum?
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Der Mord an Professor Culianu zum Nachlesen
Ted Anton, Eros, Magic, and the Murder of Professor Culianu(Northwestern University Press, 1996)

deutsch:
Der Mord an Professor Culianu (Insel Verlag, 1999)
->   Das Buch
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Mircea Eliade und die Eiserne Garde
Hier blühen die Spekulationen. Eine prominente Argumentationslinie geht davon aus, dass Culianu zum Sündenbock gemacht wurde und seine Ermordung als Warnung gedacht war, weil er ebenso unnachgiebig wie überzeugend auf die personellen Kontinuitäten zwischen den größten Alpträumen Rumäniens aufmerksam machte, von der Eisernen Garde bis zum post-kommunistischen Regime. Culianu scheute auch vor der radikalen Kritik an den hochverehrten Idolen Rumäniens nicht zurück. So hatte er beispielsweise begonnen, die Verbindungen seines Vorbildes, Lehrers und recht widerwilligen Beschützers Mircea Eliade (1907-1986) zur Eisernen Garde aufzudecken.
Fruchtbarer Denker
Ioan Petru Culianu vielfältiges und fruchtbares Erbe lebt hingegen weiter. Es hat auf meine eigenen bescheidenen intellektuellen Unternehmungen einen immensen Einfluss, und das seit 1989, als ich erstmals mit seinen Werken in Berührung kam. Als Ideenhistoriker, Geschichtstheoretiker, Spezialist für Rumänien und als Intellektueller wurde ich von Culianus im besten Sinne originellen Ideen, Erfahrungen und Forschungsprojekten maßgeblich geprägt. Ganz besonders betrifft das seine kritische Neulektüre verschiedener Kanons, von Erkenntnistheorie und Kognitionswissenschaft bis zur Politischen Theorie, von Cultural Studies über Wissenschaftsgeschichte bis zur Religionsgeschichte.
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Eine Auswahl aus Culianus Publikationen
Eros and Magic in the Renaissance (University of Chicago Press, 1987)
Out of This World: Otherworldly Journeys from Gilgamesh to Albert Einstein (Shambhala, 1991)
The Eliade Guide to World Religions (with Mircea Eliade, and the collaboration of Hillary S. Wiesner, HarperCollins, 1991)
The Tree of Gnosis: Gnostic Mythology from Early Christianity to Modern Nihilism (Harper SanFrancisco, 1992)

Auf deutsch sind erschienen:
Handbuch der Religionen (suhrkamp taschenbuch 2386)
Eros und Magie in der Renaissance (Insel, 2001)
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Culianu-Festschrift
Das ist der persönliche Hintergrund meines Projekts einer Culianu-Festschrift, das ich vor einem Jahr begonnen habe, als ich Fellow am Center of Advanced Study in the Behavioral Sciences in Stanford war, und das ich während meines Aufenthalts am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) abschließen konnte.
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Sorin Antohi (ed.)
Religion, Fiction, and History. Essays in Memory of Ioan Petru Culianu (Bukarest: Nemira, 2001)
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Der Band hat mehr als 1.000 Seiten, und es sind de facto zwei Bände. 40 Autoren aus sieben Ländern untersuchen und porträtieren Culianus Leben und Werk: den frühreifen Studenten und den mittellosen Immigranten; den bahnbrechenden Gelehrten und den sehnsüchtigen Schriftsteller; den lächelnden Mentor und den herausfordernden Kollegen; den radikalen politischen Journalisten und den bilderstürmenden Kulturkritiker; den spirituellen Pilger und den allzu menschlichen Mensch. Das Andenken an einen Mann und die Präsenz seines Geistes werden umfassend gewürdigt und kritisch untersucht.
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Der Autor
Sorin Antohi, geboren 1957 in Târgu-Ocna, Rumänien, ist Professor für Geschichtswissenschaft an der Central European University, Budapest. Sein Forschungsinteresse gilt der Wissenschaftsgeschichte und der Geschichtstheorie. Derzeit arbeitet er an mehreren Großprojekten: einer Monographie zum Thema 'Ethnische Ontologie', einer Theorie des Nationalismus, sowie an zwei Sammelbänden zu Theorie und Methode der Geschichtswissenschaft (gemeinsam mit Jörn Rüsen und Hayden White).
->   CV und Publikationsliste von Sorin Antohi
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