Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
Zum 60. Todestag von P. Dr. Johann Gruber
Ermordet im KZ Gusen am 7. April 1944
 
  Am Karfreitag 1944 wurde der katholische Priester Dr. Johann Gruber im KZ Gusen brutal ermordet, weil er den Linzer Bischof über die Zustände im KZ informieren wollte. Außerdem organisierte er auch mit Hilfe eines archäologischen Mitarbeiters Medikamente.  
Archäologische Ausgrabungen im KZ Gusen

Die Ausgrabung des spätbronzezeitlichen Urnenfriedhofes von Gusen ist die bisher einzige bekannt gewordene und publizierte archäologische Fundstätte in Österreich, an der KZ-Häftlinge mitarbeiteten.

In der umfassenden Dokumentation Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen von Hans Marsalek (3. Auflage 1995) finden sich in folgenden Passagen Beziehungen zwischen den Ausgrabungen und Papa Gruber, wie Pater Dr. Johann Gruber immer wieder von den Mithäftlingen liebevoll und in Dankbarkeit genannt wurde.
->   KZ Mauthausen-Gusen (www.gusen.org)
Zitat (gekürzt), S. 276:
Am Samstag, dem 16. 11. 1940, sind 27 jüngere polnische Priester mit archäologischen Ausgrabungen (Kommando Spielberg) beauftragt worden, und der Lagerkommandant Karl Chmielewski hat persönlich die Häftlinge über ihre Arbeit informiert, sie aufgefordert langsam und vorsichtig zu arbeiten und die Gefangenen per Sie (!) angesprochen.

Ebenso unerwartet für alle war der am 6.12.1940 erteilte Auftrag, die geistlichen Häftlinge nicht zur Arbeit ausrücken zu lassen.


Fußnote: Die 27 Priester des Arbeitskommandos Spielberg wurden durch polnische Lehrer und Professoren ersetzt. Die erträglichen Lebensverhältnisse der Häftlinge dieses Arbeitskommandos (die Ausgrabungen erfolgten u. a. über Auftrag Himmlers und die Häftlinge kamen mit Zivilisten in Kontakt) trugen wesentlich dazu bei, dass sich in der Folge aus der Gruppe der Archäologen-Häftlinge ein geistiges Zentrum der polnischen Solidarität und des nationalen Widerstandes im Lager Gusen bildete.
Betraut mit archäologischen Funden
Am folgenden Tag, 7.12.1940, wurden fast alle transportfähigen geistlichen Gefangenen aus dem Konzentrationslager Mauthausen (KLM) in Gusen konzentriert. Insgeamt 177 Häftlinge, darunter etwa 152 Geistliche, wurden in das KL Dachau überstellt. Weshalb mehrere transportfähige Geistliche in Mauthausen und Gusen verleiben mussten, konnte bisher nicht ermittelt werden.

So ist u.a. P. Dr. Johann Gruber, Direktor des Blindeninstitutes in Linz/Urfahr im KLM geblieben. Dr. Gruber hat sich als Pfleger im Revier durch Beschaffung von Medikamenten für die kranken Geistlichen Verdienste erworben.

In den Jahren 1942 bis 1944 (in denen er mit der Verwahrung und dem Abtransport von archäologischen Funden in Gusen betraut war) hatte er die systematische Betreuung von Kindern und Jugendlichen organisiert.
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Himmlers SS-Ahnenerbe
Die Ausgrabungen in Gusen wurden von Mitarbeitern der zuständigen Denkmalbehörde durchgeführt, die unter der Leitung des SS-Offiziers Dr. Kurt Willvonseder stand.

SS-Obersturmführer Willvonseder war in Himmlers SS-Ahnenerbe Vertrauensmann vom Reichgeschäftsführer SS-Standartenführer Wolfram Sievers (hingerichtet 1948) und nach dem Krieg, seit 1954, Direktor des Salzburger Museums Carolinum Augusteum. Als er 1968 starb hielt die Salzburger Landesregierung eine Gedenkminute ab.
->   SS-Ahnenerbe (www.shoa.de)
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P. Dr. Johann Gruber - "Papa Gruber"

Im Sommer 2003 stieß ich bei einem Besuch im KZ Mauthausen auf die Gedenkschrift von Wolfgang J. Bandion:

Johann Gruber, Mauthausen-Gusen, 7. April 1944, mit 14 Radierungen von Alfred Hrdlicka, erschienen im WUV-Universitätsverlag 1995.

Eine Passage gab den Anstoß für folgende Recherchen und Befragung der damaligen Grabungsleitung.
->   Ausführliche Biographie (dioezese-linz.at)
Zitat, S. 24 (gekürzt)
Die französischen Augenzeugenberichte vermuten übereinstimmend, dass Pater Gruber in Wien einen Anwalt bzw. einen Archäologen als Verbindungsmänner hatte, mit deren Hilfe er Zigaretten, aber auch Nachrichten über das Lager in die Außenwelt schmuggelte.

Er wurde zwar oft gewarnt, doch letztlich war es vermutlich weniger der aufgezogene Schwarzmarkt, von dessen Existenz einzelne SS-Männer auch profitierten, sondern sein so genanntes Weißbuch über die tatsächlichen Vorkommnisse im Lager, von dessen Existenz die Lagerleitung erfuhr und das ihm schließlich zum Verhängnis wurde.
Zitat, S. 26 (gekürzt)
Im März 1944 wurde P. Gruber in den Gusener Bunker gesperrt, wochenlang gefoltert und am 7. April 1944, am Karfreitag, durch den Lagerkommandanten ermordet.

Auslösend war der Fund eines an den Linzer Bischof gerichteten Briefes, der in die Hände der Gestapo geriet. In einer Straßenbahn in Linz wurde er "gefunden".
P. Dr. Johann Gruber:
20. Okt. 1889 Grieskirchen - 7. Apr. 1944 Gusen (ermordet)

Das Leben und Wirken von P. Dr. Johann Gruber kann hier nicht ausführlich gewürdigt werden. Bereits als Kind Vollwaise, ermöglichte sein Pfarrer ihm ein Studium im Kollegium Petrinum in Linz. Nach seiner Priesterweihe 1913 folgte eine Lehrerausbildung und ein Geschichtsstudium in Wien.

Neben seiner schulischen Tätigkeit verfasste er auch zwei Schulbücher: Eines, das den Kindern das Mitfeiern der heiligen Messe erleichtern sollte und ein anderes, das die Liebe zur oberösterreichischen Heimat fördern sollte.

P. Gruber war, vielleicht auch entgegen des damals vorherrschenden Zeitgeistes, von der Lebensfähigkeit Österreichs überzeugt, "wie das Beispiel der Schweiz, Dänemarks und anderer Kleinstaaten zeigt." (S. 197)
P. Dr. Grubers wiss. Arbeiten und Druckwerke
 


Ausschnitt aus: Johann Gruber, Oberösterreichs Vergangenheit im Rahmen der österreichischen Geschichte von der Urzeit bis zur Gegenwart. In übersichtlicher Darstellung allen Freunden der Heimatkunde sowie besonders zum Schulgebrauch dargeboten. Pressverein in Komm., Linz 1933, 200 S.

Interessant im Zusammenhang mit der großdeutschen Frage erscheinen die Ausführungen von P. Gruber in seinem Geschichtsbuch über den Einfall der bayrischen Truppen und den oberösterreichischen Abwehrkampf am Anfang des 18. Jhdts. Ein Thema, welches Gruber bereits in der Doktorarbeit ausführlich untersucht hat.

Dissertation (Univ. Wien, 1923): "Bayern in der spanischen Erbfolgefrage und seine Kämpfe auf oberösterreichischen Boden 1702-1704."
Pater Grubers Messbüchlein für Kinder der Unterstufe
 


1. Aufl. 1936. Neubearbeitet v. Josef Fattinger, 3. Aufl., Schärding am Inn, Steinbrenner 1952, 143 S.
Pater Grubers "Kreuzweg" von Garsten nach Dachau bis Mauthausen und Gusen

Bereits kurz nach dem Anschluss wurde P. Gruber auf Grund einer Denunzierung verhaftet und zu zwei Jahren schweren Kerkers verurteilt.

Nach seiner Haft in Garsten wurde er im April 1940 aus politischen Gründen in das KZ Dachau eingeliefert. Bereits im August 1940 erfolgte die Verlegung nach Mauthausen, wo er zuerst als Pfleger im Revier arbeitete und so gut er konnte den Mitgefangenen half.

Bild: Graphik von Aldo Capri, Häftling im KZ Gusen.
Archäologie in Gusen

Bereits im Februar 1940 wurden erste archäologische Funde beim Bau der Gusener Kommandobaracken getätigt, die ein junger SS-Offizier gesammelt haben soll. Er meldete sie seinem Lehrer Prof. Walter Wüst, damals Rektor der Universität Müchen und gleichzeitig Kurator des SS-Ahnenerbes.

So erfuhr Himmler davon und ordnete - nach Christian Bernandec (Les Sorciers du ciel, châp. 2: L'organisation Gruber, Paris 1969, S. 29-48) - an, dass in allen großen Lagern Museen einzurichten seien.

P. Johann Gruber, der nach seinem Studium kleinere Fundbergungen im Raum Gusen durchgeführt haben sollte, wurde - ich vermute bereits 1941 - mit der Einrichtung des Museums betraut und erhielt so eine gewisse "Freiheit", die es ihm erlaubten dringend benötigte Sachen wie Brot, Zucker und Zigaretten zu organisieren.
Kalender mit Handzeichnungen der Funde

Seit dem April 1941 wurden von einem eigenen Ausgrabungs-Kommando unter der Leitung von Kasimir Gelinek zahlreiche Gräber von den Häftlingen geborgen.

Ende 1941 wurde für die Lagerleitung ein Kalender mit Handzeichnungen der Funde gemacht; einer davon ist in der heutigen Gedenkstätte des Lagers ausgestellt.

Die Mitarbeit an den Kalendern war gefragt, konnten doch die Gefangenen einige Stunden in den geschützten Baracken arbeiten.
Gräber und weitere Fundstellen

Erst im April 1942 erfuhr Prof. Oswald Menghin in Wien von den Funden und verständigte die zuständige Abteilung im Institut für Denkmalpflege (das heutige Bundesdenkmalamt).

Willvonseder wurde daraufhin aktiv und beauftragt im Oktober Mitarbeiter, die Ausgrabungen durchzuführen, die mit Hilfe der Gefangenen 1942 rund 30 Gräber freilegten.

Auch für 1943 wurden wieder durch eine Gruppe von Häftlingen Kalender gefertigt (Bilder). 1943 wurden noch weitere Gräber und Fundstellen geborgen.

Der Kapo des Grabungstrupps war der Pole Kasimir Gelinek; er war der Einzige, mit dem die örtliche Grabungsleitung direkten Kontakt hatte. Mit dem Leiter des Museums-Kommandos, P. Johann Gruber, bestand dagegen keine direkte Kontaktaufnahme.

Alle Grabungsfotos und die Kalenderbilder aus Gerhard Trnka, Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld von Gusen in Oberösterreich, Archaeologia Austriaca 76, 1992, 47-112.
->   Arch. Ausgrabungen (www.gusen.org)
Pater Gruber versucht Hilfe zu erlangen
Bandion (S. 12) schreibt: In der Zeit von 1942 bis 1944 war Gruber mit der Verwahrung und dem Abtransport von archäologischen Funden aus dem Gebiet um das KZ Gusen beschäftigt. Diese Tätigkeit gab ihm auch die Möglichkeit, mit Zivisten einen illegalen Kontakt nach Linz und Wien aufzubauen.
Gespräch mit der damaligen Grabungsleitung
Wie mir die Grabungsleitung in einem Gespräch im Frühherbst 2003 mitteilte, führte den eigentlichen Transport der Funde zur Restaurierung in Wien bzw. zum Rücktransport in die "SS Sammlung Gusen", der Präparator des Bundesdenkmalamtes, Josef Vockenhuber, weitgehend selbständig durch.

Das Verpacken der Fundkisten wurde mit Hilfe der Gefangenen durchgeführt; beim Öffnen der Kisten in Wien war er in der Werkstätte praktisch allein.

Es erscheint sehr wahrscheinlich, dass Vockenhuber - so gut er konnte - Pater Gruber geholfen hatte. Wie die Nachrichten von Wien aus weiter gereicht wurden, erscheint nicht so schwierig: Die drei Räume der provisorischen Werkstätte der Abteilung für Bodenaltertümer des Instituts für Denkmalpflege waren damals im 1. Stock eines Klosters in Wien-Landstraße untergebracht.
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Josef Vockenhuber, 8. 6. 1910 - 24. 10. 1950
Josef Vockenhuber kam aus ärmlichsten Verhältnissen. Er wurde am 8. Juni 1910 in Hallstatt geboren und besuchte die Volksschule in Wolfsegg. Sein Vater hatte getrunken, seine Mutter war ehrlich, aber arm; sie lebten im Salinenhaus.

Josef musste bereits mit 14 Jahren in der Wolfsegger Kohlengrube schwer arbeiten und war recht klein. Später, wieder in Hallstatt, erlernte er das Drechslerhandwerk. Seit 1936 arbeitete er bei den Ausgrabungen des Hallstätter Museums und das des Denkmalamtes. So wurde er auf Empfehlung der Grabungsleitung 1940 zum Präparator am Institut für Denkmalpflege bestellt. Neben den Arbeiten in Gusen arbeitete er auch bei den Rettungsgrabungen in Linz-Zizlau mit und leistete nicht nur als Grabungstechniker und Restaurator, sondern auch als Zeichner und Photograph gute Dienste. Im März 1945 wurde Vockenhuber noch in den Deutschen Volkssturm zur Sicherung der Grenzen, wie es damals hieß, einberufen.

Nach dem Krieg heiratete Josef Vockenhuber 1947 Anna Maria Wegscheider, eine Guntramsdorferin. Sie hatten eine Tochter Helene Maria. Doch bereits 1949 erkrankte Vockenhuber an TBC schwer und starb am 24. Oktober 1950. Dazwischen konnte er, trotz der offenen TBC, immer wieder kurz den Dienst antreten und so seinen Dienstvertrag mit dem Bundesdenkmalamt aufrecht erhalten.

(Qulle: Archiv der Republik - ich danke Kollegin Mörtinger-Grohmann für die freundliche Hilfe).
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Gedanken
Der Beitrag führt weit weg von Archäologie, zweifellos in die schlimmste und unmenschlichste Zeit unseres Landes.

Vockenhuber - selber aus ärmlichen Haus - war sicher nur ein kleines Rädchen, welches Pater Johann Gruber bei seinem Widerstand gegen eine heute unvorstellbare Unmenschlichkeit und Barbarei zu helfen versuchte.

Doch gerade diese Zivilcourage, wenn sie nur mehr verbreitet gewesen wäre - nicht Heldenmut und scheinbare Pflichterfüllung - hätte viel Unglück verhindern, zumindest lindern, können.
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Das letzte Wort, ein Augenzeuge: Jerzy Wandel
Dr. Gruber war überzeugter österreichischer Patriot und trat gegen die faschistische Ideologie der NSDAP ein. Im Lager war er Leiter des archäologischen Kommandos von Gusen, wodurch er große Bewegungsfreiheit hatte und seine Hilfsaktionen für die Häftlinge ausbauen konnte. Er knüpfte außerhalb des Lagers Kontakte und Freundschaften. So konnte er sich eine Unmenge Geld ausborgen, für das er Zigaretten kaufte, die im Lager zu Wechselgeld wurden. Er bestach damit SS-Männer und konnte Lebensmittel in den SS-Küchen kaufen, dadurch wurden jeden Abend fast fünfzig todgeweihte Lagerinsassen heimlich verköstigt. Er war ein wahrer Heilsbringer in einer Umgebung, in der das Böse dominierte. Die Häftlinge sagten: "Er war unser Schutzengel, ein Gesandter Gottes in dieser Nazi-Hölle." Papa Gruber sorgte sich jedoch nicht nur um die Nahrung.

Da er voll in ein österreichisches Widerstandsnetz eingebunden war, wusste er auch relativ gut über die Kriegslage und die politische Situation in Europa Bescheid. Mit Frontnachrichten machte er den Häftlingen Mut zum Überleben.

Am 4. April 1944 wurde Dr. Gruber verhaftet und in eine Bunkerzelle eingesperrt. Er wurde gefoltert, da man ihn zwingen wollte, sich zu erhängen. Schließlich hat ihn Kommandant Seidler am Karfreitag 1944 mit den Worten: "Du sollst verrecken wie dein Meister" eigenhändig erwürgt und anschließend mit dem Kopf nach unten aufgehängt.

Die Nachricht von der Verhaftung Dr. Grubers breitete sich sehr schnell im Lager aus, seine Schützlinge weinten und beteten für ihn. Seit einiger Zeit gibt es Bestrebungen zur Seligsprechung dieses Märtyrers von Gusen.
->   Vortrag von Jerzy Wandel
Katholische Hochschulgemeinde Linz (w3.khg-heim.uni-linz.ac.at)
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->   Sämtliche Beiträge von Otto Urban in science.ORF.at
 
 
 
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