Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Die Illyrer - ein kriegerisches Bergvolk?
Neue archäologische Funde der Eisenzeit aus Albanien
 
  Archäologische Funde der Illyrer bieten den Albanern eine Identität zwischen den griechischen und slawischen Nachbarkulturen - zu sehen im Urgeschichtsmuseum von Asparn (NÖ).  
Albanische Funde in Österreich

Illyrischer Helm,
um 500 v. Chr.
Dem Museum für Urgeschichte des Landes Niederösterreich in Asparn an der Zaya ist es gelungen, archäologische Funde aus Albanien für eine Ausstellung nach Österreich zu bringen.

Durch die guten Kontakte von Prof. Dr. Andreas Lippert vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien und in Zusammenarbeit mit dem Archäogischen Institut der Albanischen Akademie der Wissenschaften in Tirana ist es gelungen, mehr als 350 Originalfundstücke aus albanischen Museen im Museum für Urgeschichte in Asparn/Zaya zu zeigen.

Sowohl das albanische Ministerium für Kultur wie die Botschafterin der Republik Albanien in Wien haben sich für das Zustandekommen der Kooperation eingesetzt. Viele Fundstücke werden das erste Mal außerhalb Albaniens gezeigt.
->   Republik Albanien (www.ausserfern.at)
Illyrer - gefürchtete Krieger und Seeräuber

Illyrischer Helm,
4. Jhdt. v. Chr.
Die Illyrer waren gefürchtete Krieger und ihren Nachbarn, den Makedonen, über Jahrhunderte militärisch zumeist gleichwertig, manchmal sogar überlegen. So fiel Perdikkas II., König der Makedonen, im Jahr 359 v. Chr. in einer Schlacht gegen die Illyrer.

Erst sein Nachfolger, König Philipp II. (359-336 v. Chr.), konnte den Illyrern erfolgreich Widerstand entgegensetzen. Trotz der großartigen Siege Alexander des Großen (336-323 v. Chr.) erhielt die Kultur der Illyrer ihre Eigenständigkeit.

Die Illyrer waren nicht nur gefürchtete Krieger in Illyrien, sondern auch berüchtigte Seeräuber. So unterstellten sich 229 v. Chr. die griechischen Kolonien im adriatischen Küstengebiet und auf den vorgelagerten dalmatinischen Inseln dem Schutz Roms. Im anschließenden 1. Illyrischen Krieg 229-228 v. Chr. errichteten die Römer einen Brückenkopf an der dalmatinischen Küste. Im 2. Illyrischen Krieg (etwa 218-201 v. Chr.) gelangte dann die Region unter römische Herrschaft.
Die Illyrer und ihre archäologischen Wurzeln

Die Entwicklung von einem so genannten wehrhaften Hirtenvolk zu Ackerbauern wird an Hand archäologischer Funde fassbar. Im Rahmen der Ausstellung werden rund 350 Exponate des 13. bis 2. Jhdt. v. Chr. gezeigt. Im 6. Jhdt v. Chr. kam dann das Gebiet der Illyrer durch die Gründung griechischer Kolonien an der Adriaküste verstärkt in die Einflußsphäre Griechenlands. Griechische Luxuswaren wurden Prestigegüter der illyrischen Eliten.

In den großen und reich ausgestatteten Sippengrabhügeln im Mat-Tal (Nordalbanien) oder am Ohrid-See finden sich daher auch zahlreiche griechische Importe.

Die verstärkten griechischen Einflüsse zeigen sich aber auch besonders in der Entstehung und im Ausbau der befestigten Höhensiedlungen zu städtischen Zentralorten.

Das Bild zeigt neben der bronzenen Speerspitze fein gearbeitete Goldbeschläge, die am Gewand im Bereich der Brust angenäht waren. Die Objekte stammen aus verschiedenen Gräbern der Spätbronzezeit (13./12. Jhdt. v. Chr.)
->   Information zur Ausstellung (www.wipa.at)
Reiche Grabfunde
 


In der Sonderausstellung DIE ILLYRER werden mehrere reiche Sippengrabhügel, darunter das Grab des so genannten Fürsten von Belsh präsentiert. Es enthielt einen Bronzehelm, Beinschienen, Schmuck und Geschirr für eine repräsentative Festtafel sowie griechische Importstücke, vermutlich Geschenke, die im Zuge diplomatischer Beziehungen bzw. wirtschaftlicher Kontakte ausgetauscht worden sind. Die befestigte Bergstadt dieses Fürsten lag, wie Prof. Lippert bei der Führung anlässlich der Eröffnung sagte, an der Hauptverkehrsroute, die von der Adria ins nördliche Griechenland führte.

Das Bild zeigt eine Auswahl verschiedener Prunkgräber der späten Bronzezeit bis beginnenden jüngeren Eisenzeit (13. - 4. Jhdt. v. Chr.), die als Beigaben mitgegeben worden sind.
Die Illyrer - ein eisenzeitliches Volk im Hinterland Griechenlands

Importgefäß aus Durres, 6. Jh. v. Chr.
Die Illyrer sind, trotz ihrer räumlichen Nähe zu mediterranen Hochkulturen, recht wenig bekannt. Die Nachrichten antiker Autoren sind zumeist sehr selektiv - eigenständige Schriften sind, mit Ausnahme zumeist recht kurze Grabinschriften, nicht erhalten. So bilden als Grundlage für eine historische Interpretation, wie zumeist bei frühgeschichtlichen Kulturen, die archäologischen Funde die Hauptquelle.

Dabei werden besonders die wirtschaftlichen Veränderungen sowie die schrittweise Übernahme griechischer Einflüsse deutlich. Diese führen nicht nur zum Import fremder Güter, sondern auch zu lokalen Imitationen und Nachahmungen. Am Ende dieses mehrere Jahrhunderte dauernden kulturellen Prozesses, der den Großteil der jüngeren Eisenzeit prägte, steht eine stark griechisch beeinflusste illyrische Stadtkultur. Es überrascht - und zeigt die starken traditionellen Kräfte - dass sich trotz dieser griechischen und späteren römischen Überprägung innerhalb der Sprache eine gewisse Eigenständigkeit zumindest im südlichen Illyrien (dem Gebiet des heutigen Albaniens und des angrenzenden Kosovo) erhalten hat.

Eine gute und übersichtliche Zusammenschau des derzeitigen Forschungsstandes bietet ein zur Ausstellung herausgegebenes Buch "Die Illyrer", an dem österreichische wie albanische Wissenschaftler beteiligt waren. Neben der eigentlichen Geschichte wird die Kultur, Lebensweise, Wirtschaft und Sprache in eigenen Beiträgen dargestellt.
Illyrer, Illyrien, Illyricum - ein Sprachenbabylon

Unter Illyrien wird die Region entlang der adriatischen Ostküste verstanden, die heute etwa von Kroatien im Norden bis Albanien im Süden reicht.

In Folge der Illyrischen Kriege gelangten große Teile Illyriens unter die Herrschaft Roms. Die Provinz Illyricum konnte allerdings erst nach den Kriegszügen von Oktavian 35-33 v. Chr. eingerichtet werden - endgültig befriedet (unterworfen) wurde dieser Raum erst 9 n. Chr. durch Tiberius. In claudischer Zeit, Mitte des 1. Jhdts. n. Chr., wurde dann die Provinz Illyricum in die Provinzen Pannonien und Dalmatien geteilt. Trotzdem wurden noch Jahrhunderte später, im 3. und 4. Jhdt. n. Chr., die bedeutenden römischen Herrscher Aurelian, Diokletian und Constantinus als "illyrische Kaiser" bezeichnet. Die Periode dieser illyrischen Kaiser, die von 249 bis 337 n. Chr. dauerte, leitete Claudius Gothicus ein.

Auch als Zollbezirk blieb der Name Illyricum noch lange erhalten. Das portorium Illyricum umfasste beispielsweise ursprünglich Teile Norditaliens und das Hinterland der adriatischen Ostküste. Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. wurden dann die Zollbezirke zusammengelegt, um große Wirtschaftsgebiete zur bilden. Der illyrische Zolldistrikt wurde mit dem thrakischen verschmolzen und reichte dann als publicum portorii Illyrici "von der Quelle der Donau bis zum Pontischen Meer", wie Appianus in seiner Illyrica mitteilte, das heißt dem neuen Zollraum der Illyriker gehörten die Provinzen Raetien, Noricum, Pannonien, Moesien, Dacien und natürlich Dalmatien an.

Bild: Tonstatuete in spätarchaischem Stil, vermutlich Göttin Demeter. Apollonia, Anfang 6. Jhdt. v. Chr.
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Sonderausstellung: DIE ILLYRER,
Archäologische Funde der Eisenzeit aus Albanien

Im Museum für Urgeschichte des Landes Niederösterreich,
Asparn an der Zaya,
vom 3. April bis 28. November 2004, täglich außer Montag, von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.
->   Museum für Urgeschichte
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->   Museum für Urgeschichte (science.orf.at)
Illyrischer Einzelfund im Leitharaum

Mannersdorf/Lgb.
Der nördlichste Fundpunkt eines typischen illyrischen Gegenstandes, einer Frauennadel, wurde im Grab 76 eines keltischen Kriegers in Mannersdorf am Leithagebirge entdeckt, wie Peter C. Ramsl im Rahmen eines FWF-Forschungsprojektes feststellen konnte. Das Grab datiert um 300 v. Chr.

Die Hintergründe für dieses wohl persönliche Erinnerungsstück des Kelten bleiben naturgemäß im Dunkeln. Er starb, nach Aussagen der Anthropologin, im relativ hohen Alter von über 50 Jahren. Es ist unbekannt, wie lange er dieses Einzelstück getragen hat. Sie belegen allerdings eine direkte Beziehung, wohl zwischen einer Illyrerin und einem Kelten. Damit öffnet die Archäologie ein Fenster, das bisher praktisch völlig geschlossen war: Die Kontakte der Illyrer zu ihren nördlichen Nachbarn.
Der Fund wurde im Zuge archäologischer Rettungsgrabungen des Bundesdenkmalamtes 1979 geborgen. Neben einer Lanze und einem Schwert fand sich im Grab 76 auch das zierliche Schmuckstück einer illyrischen Frau: Eine Doppelnadel mit omegaförmiger Schleife.

Üblicherweise werden diese speziellen Nadeln mit zwei Spitzen von illyrischen Frauen getragen: Den albanischen Archäologen sind aus dem südlichen Balkanraum bereits mehr als zweihundert solcher Nadeln bekannt. Sie werden häufig in illyrischen Frauengräbern gefunden und scheinen als Haarnadeln zur Befestigung eines Schleiers gedient zu haben.
->   Museum Mannersdorf am Leithagebirge (www.mannersdorf-lgb.at)
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Braunsberg
Achtung, alter Forschungsstand:
die illyrische Hallstattkultur in Österreich

Bis etwa 1960 bezeichneten viele Sprachwissenschafter eine ältere und über weite Bereiche Kontinentaleuropas verbreitete Sprachschicht als "Illyrisch"; in der Folge bezeichneten dann die Prähistoriker oftmals die Hallstattkultur irrtümlicherweise als illyrisch. Beides ist heute nicht mehr aufrecht zu erhalten.
Der Hinweis auf die illyrische Urbevölkerung auf einem Gedenkstein auf dem Braunsberg bei Hainburg (Bild) ist daher falsch - er soll allerdings, meines Erachtens, als Zeitzeugnis stehen bleiben.

Eine ethnische Deutung ältereisenzeitlicher archäologischer Kulturen ist nur beim Vorliegen eindeutig lokalisierbarer historischer Volksnamen möglich. Die ehemals als "illyrisch" bezeichnete Sprachschicht wird heute von den Linguisten zumeist als "alteuropäisch" bezeichnet.
->   Braunsberg (science.orf.at)
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Illyrische Sprache, heute
Die illyrische Sprache gehört zu den indogermanischen Sprachen. Mit Ausnahme des albanischen Raumes wurde das Gebiet der Illyrer weitgehend romanisiert. Zum Teil wurden erst in im 19. Jhdt. diese romanischen Sprachen, insbesondere Dalmatisch, durch slawische Sprachen verdrängt.

In der albanischen Sprache haben sich noch kennzeichnende Elemente der illyrischen Sprache erhalten. Die illyrische Sprache ist jedoch nur durch Orts- und Personennamen sowie einigen wenigen hundert kurzen Inschriften, die im heutigen Albanien und den angrenzenden Räumen bis Unteritalien gefunden worden sind, bekannt. Dennoch können sich die heutigen Albanier mit gutem Recht auf die antiken Illyrer zurückleiten.
Danksagung

Berichterstatter möchte Prof. Lippert sowie Kollegen Dr. Ernst Lauermann, Direktor des Urgeschichtsmuseum Asparn (Bild), und Mag. Josef Engelmann (wipa) für diverse Informationen und Bilder danken.

Copyright der Bilder bei www.wipa.at und www.urgeschichte.at ohne Nennung der Urheber (Fotografen)
->   o.Univ.Prof.Dr. Andreas Lippert
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Neue Literatur zu Albanien
ALBANIEN,
Geographie - Historische Anthropologie -
Geschichte - Kultur - Postkommunistische Transformation

Herausgegeben vom Öster. Ost- u. Südosteuropa-Institut
Osthefte, Sonderband 17, Wien 2003.
->   Albanien (www.peterlang.de)
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ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 

 
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