Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Der Oberleiserberg - ein Zentrum der Bronzezeit  
  Kontakte und Fernbeziehungen werden wie der Speisezettel, die Herdplatten und Gefäße untersucht. Sie bieten ein vielfältiges Bild des Lebens zur Bronzezeit auf dem Oberleiserberg (NÖ).  
Die frühbronzezeitliche Wall-Graben-Befestigung

Oberleiserberg
Im Rahmen eines FWF-Projektes der ÖAW wird eines der bedeutendsten bronzezeitlichen Zentren Niederösterreichs untersucht. Vor fast 4.000 Jahren entstand auf dem Plateau des Oberleiserbergs eine großflächige Siedlung der Aunjetitzkultur.

Die Siedlung war ursprünglich unbefestigt, wurde dann aber mit einem Graben umgeben. Der Aushub wurde außerhalb des Grabens abgelagert. In dem Wall befand sich aber auch stark mit Keramikbruchstücken durchsetztes Siedlungsmaterial. An der Innenseite dürfte der Wall mit Lehm verstrichen gewesen sein.

Gegen Ende der Aunjetitzkultur, um 1600 v. Chr., wurde die Befestigung zerstört. Teile der verbrannten Wallkonstruktion stürzten in den Graben bzw. wurde der Graben mit dem Material des Walles planiert. Die Keramik wie Knochen zeigen deutliche Spuren einer zwar nicht besonders großen, aber länger andauernden Hitze (siehe Bild mit rosafärbigen Verfüllschichten).
->   Der Oberleiserberg in der Bronzezeit -
ein Projekt der Österr. Akademie der Wissenschaften
(www.oeaw.ac.at)

 


Drei bronzezeitlichen Ofenplatten, Oberleiserberg, Schnitt 53. Alle Grabungsfotos: IUF, Anton Kern 1989.

An Siedlungsspuren haben sich von dieser ehemaligen, sieben Hektar großen Bergsiedlung nur Pfostengruben von Holzbauten sowie zahlreiche Keramikbruchstücke, Bronzen und auch Steingeräte erhalten. Kurz nach dieser Brandkatastrophe dürfte das Zentrum für mehrere Jahrhunderte aufgegeben worden sein.
Handel und Wandel im Laufe der Bronzezeit

Oberleiserberg
Innerhalb der frühbronzezeitlichen Kulturgruppen herrschte ein reger Austausch von Gütern, vor allem von Rohstoffen. So wurde insbesondere auch Feuerstein aus Mähren von den Siedlern auf dem Oberleiserberg zur Herstellung von Klingen und Pfeilspitzen genutzt.

Metallbarren sowie vereinzelt nachgewiesener Bernstein belegen außerdem weite Handelsverbindungen (siehe Bild).
Alle Fundfotos: Dr. Anton Kern (NHM Wien).
Die spätbronzezeitliche Höhenbefestigung

Oberleiserberg
Am Ende der älteren Urnenfelderzeit, vor etwa 3.000 Jahren, wurde der Oberleiserberg erneut besiedelt und vermutlich mit einem am Plateaurand umlaufenden Erdwerk befestigt. Durch die intensive frühgeschichtliche Bautätigkeit wurde der Wall allerdings später stark gestört.

An Siedlungsspuren aus der spätbronzezeitlichen Urnenfelderkultur blieben Pfostengruben von Ständerbauten, eingetiefte Hütten, Siedlungsgruben und Herd- bzw. Ofenplatten erhalten.

Keramikbruchstücke, Webgewichte und Spinnwirtel, Steingeräte wie Reibplatten und Gussformen, Schmuckstücke und Geräte aus Bronze belegen ein reges handwerkliches und handelspolitisches Leben. Die Siedlung endet im Laufe der jüngeren Urnenfelderzeit, etwa dem 9. Jhdt. v. Chr.
Der Oberleiserberg
 


Oberleiserberg mit Aussichtswarte und Resten des Walles. In der Aussichtswarte befindet sich eine kleine, aber sehr informative Grabungsdokumentation.

Der Oberleiserberg ist eine der markantesten Erhebungen im Weinviertel. Dort wurde mit sieben Hektar Fläche eine der größten befestigten Siedlungsflächen der frühen Bronzezeit in Zentraleuropa freigelegt. Die seit 1976 durchgeführten Grabungen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte (Grabungs- und Projektleitung 1976-1990 oUniv.-Prof. Dr. Herwig Friesinger) liefern ein reichhaltiges Spektrum an Funden aus der Bronzezeit, der Spätlatènezeit, der Spätantike und der Zeit der Völkerwanderung.

Bild: Luftbildarchiv, IUF; freigegeben vom BMLV Nr. 13088/074-1.6/98.
->   A. Stuppner, Ein Herrschaftssitz der Völkerwanderungszeit auf dem Oberleiserberg (science.orf.at)
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6.000 Jahre Oberleiser Berg
Grabungsdokumentation im Aussichtsturm.
Erreichbar vom Parkplatz Oberleis durch einen kurzen, ca. 5-10 minütigen Aufstieg auf den Gipfel des Oberleiser Berges.
Eintritt: Erwachsene Euro 1,10, Kinder Euro 0,60
Geöffnet März bis Oktober an Wochenenden, Sa 13 - 18 Uhr, So 10 - 12 Uhr und 13 - 18 Uhr, für Gruppen gegen Voranmeldung unter Tel. 02576/803 58
->   Aussichtsturm Oberleiserberg (www.niederoesterreich.at)
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->   Naturpark Leiserberge (www.naturparke.at)
Scherben, Scherben, Scherben - das tägliche Brot der PrähistorikerInnen

Graphik:
Mag. Andrea Vock
Die frühbronzezeitliche Gefäßkeramik umfasst Schalen, Schüsseln, Tassen und amphorenförmige Gefäße, die auch reiche Verzierung tragen können. Bei den zahlreichen Vorratsgefäßen überwiegen bis zu 50 cm große Töpfe mit partieller Fingerstrichrauung. Einige Details, wie das Einzapfen der Henkel bzw. das Aufkleben von Leisten, geben Hinweis auf die damalige Töpfertechnik.

Das spätbronzezeitliche Typenspektrum der Keramik entspricht weitgehend dem mitteldonauländischen Formenkreis der mittleren und jüngeren Urnenfelderkultur. Feintonige dünnwandige innenverzierte Schalen zeigen die Meisterschaft der damaligen Töpfer bzw. Töpferinnen. Wir wissen nicht, ob Frauen oder/und Männer in der Bronzezeit in den Töpferwerkstätten gearbeitet haben. Die geometrische Verzierung mit Rillen, Winkeln, Rhomben und Halbkreisen, entspricht der aus südmährischen Fundstellen bekannten Keramik.
Sonderformen

Oberleiserberg
Kamm- bzw. handförmige Tonobjekte sind seltsam. Vor allem die handförmigen Gebilde werden gerne als Nachweis für kultische Handlungen angesehen. Die meisten dieser Tonobjekte vom Oberleiserberg unterscheiden sich von den übrigen bekannten Stücken durch die deutlich ausgeprägte Kammform mit einem stark rund gebildeten Rücken, so dass man in diesen Fällen eher an ein Werkzeug als an ein kultisches Objekt denken kann.

Feuerböcke bzw. Mondidole, die schon seit den Ausgrabungen von H. Mitscha-Märheim bekannt sind, werden allerdings zumeist den Ritualgegenständen zugeordnet. In der Frühbronzezeit wie der Urnenfelderzeit stammen die meisten Tierknochen von Rind, Hausschwein, Schaf und Ziege (beide konnten sicher nachgewiesen werden!).
->   Univ.-Prof. Dr. Herbert Mitscha-Märheim (www.alt-hietzinger.at)
Tierknochen - Zeugen des täglichen Lebens
In der Frühbronzezeit ist eine bedeutende Dominanz des Rinds, das auch durch besonders große und schwere Knochen vertreten ist, zu verzeichnen. In der Urnenfelderzeit ist das Verhältnis der Haustier-Hauptarten ausgeglichener. Wildtiere spielten als Ressource jeweils eine konstante, aber nicht allzu große Rolle.

Der Hund - in der Frühbronzezeit nicht nur der Freund des Menschen

Die Anteile der übrigen Haustierarten, wie Hund und Pferd, bleiben mit einer Ausnahme gering. In der Frühbronzezeit erreichen die numerischen Anteile für den Hund nämlich immerhin 14 Prozent der Hauptwirtschaftstierarten und übertreffen damit in den bisher ausgewerteten Proben das Hausschwein. Schnittspuren an den Rippen zeigen außerdem eindeutig, dass zumindest in der Frühbronzezeit der Hund auch einen Teil des Speisezettels bildet.
Ein Projekt des FWF
Die Analyse und Auswertung des Fundmaterials gibt neue Einblicke in die bronzezeitlichen Siedlungsverhältnisse im Donauraum. Der Oberleiserberg war in der Bronzezeit eine Hochburg der Kultur und förderte den Austausch von Kreativität und Innovation - ein Ziel, ganz im Sinne des FWF.

Die Publikation der umfangreichen Dokumentation sowie der Ergebnisse der Auswertung wird in den Mitteilungen der Prähistorischen Kommission veröffentlicht werden. Weiters sollen die Ergebnisse auch in die Neugestaltung der Ausstellung in der Aussichtwarte auf dem Oberleiserberg einfließen und somit einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.

Das ursprünglich auf drei Jahre konzipierte Projekt wurde vom FWF auf zwei Jahre gekürzt, entsprechend wurden die Personal- und Sachmittel reduziert. Einige geplante naturwissenschaftliche Untersuchungen, der Keramik und der Metalle etwa, mussten gestrichen werden; die interessanten Untersuchungen der Steingeräte und Tierknochen konnten aber erfreulicherweise durch Dr. Monika Derndarsky bzw. Dr. G. K. Kunst durchgeführt werden.

Berichterstatter dankt FWF und PR&D - Public Relations for Research & Development sowie besonders Frau Dr. Michaela Lochner, Prähistorische Kommission der ÖAW, für die Zurverfügungstellung der Unterlagen und Fotos.
->   Public Relations for Research & Development (www.prd.at)
->   FWF - der Wissenschaftsfond (www.fwf.ac.at)
->   Prähistorische Kommission, ÖAW
Aktuell (seit Anfang Mai 2004 im Netz)
->   Der Oberleiserberg
 
 
 
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