Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Rot, blau, grün kariert - die Modefarben der Hallstattzeit?
Zum 1. Symposium Hallstatt-Textilien in Hallstatt, OÖ
 
  Am Wochenende werden in Hallstatt die Ergebnisse des Projektes HALLTEX 1 im Rahmen eines internationalen Symposions zu Hallstatt-Textilien vorgestellt und diskutiert.  

Das Ziel dieser unter der Schirmherrschaft der UNESCO stehehenden Tagung ist es, die rund 3.000 Jahre alten Textilien aus dem Salzbergwerk von Hallstatt einer breiten internationalen Gruppe von Experten zugänglich zu machen.
Außerdem soll die Veranstaltung die weiteren Ausgrabungen sowie die Bearbeitung und Konservierung dieser schwierigen Fundgruppe vorantreiben.
Vernachlässigter Bereich Textilkunst
Der Erfahrungsaustausch österreichischer Wissenschaftler mit internationalen Experten hilft international standardisierte Ergebnisse zu entwickeln und soll junge Prähistoriker und Restauratoren anregen, sich verstärkt der Textilkunst zu widmen - ein Bereich, der zumeist stark vernachlässigt wird.

Das 1. Hallstatt-Textilien-Symposium wird von der Gesellschaft zur Förderung der Textil-Kunst-Forschung, der Prähistorische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien und der Universität für Angewandte Kunst Wien, Abteilung Archäometrie, veranstaltet.
Organisches aus dem Berg

Hallstatt, Ostgruppe
Im neuzeitlichen Salzbergwerk Hallstatt (seit 1311) hat man immer wieder Spuren eines älteren, prähistorischen Bergbaus entdeckt. Es handelt sich um drei aufeinander folgende prähistorische Bergwerke, die Nordgruppe (1400-800 v. Chr.), Ostgruppe (800-300 v. Chr., Bild) und Westgruppe (um Christi Geburt).

Eine herausragende Stellung haben die Funde aus dem Bergwerk, da sich hier durch die Konservierung im Salz auch organische Funde wie Textilien, Leder, Fell, Holz usw. erhalten haben. Durch die vorzügliche Erhaltung ist es auch möglich, die Webtechnik und die Färbung der Textilien zu untersuchen.
->   Otto Urban: Hallstatt auf Reisen (7.5.04)
Die Fundstücke

Die freie Rekonstruktion (Bild) gibt eine Vorstellung von der Tracht einer hallstättischen Frau. Der Schnitt der Kleidung ist einer Darstellung der Situlenkunst nachempfunden.
Bereits vor 155 Jahren, bei der ersten archäologischen Untersuchung im Bergwerk, konnten prähistorische Kleidungsreste geborgen werden. Sie erweckten schon damals wegen ihrer technischen Feinheit Aufsehen. Bei den jährlichen, seit 1960 stattfindenden Ausgrabungen, konnten bisher über 240 weitere Textilreste entdeckt werden. Der Großteil datiert in die Hallstattzeit. Aber auch der aktuelle Forschungsschwerpunkt, ein Füllort aus der Bronzezeit, erbringt regelmäßig neue Wollstoffreste.

Bei den Textilien aus dem Hallstätter Bergwerk gibt es eine große Bandbreite von verschiedenen Fadenstärken, Bindungen, Dichten, Muster, Webtechniken, Säumen und Nähten.

Die Fundstücke bestehen fast ausschließlich aus Wolle, es wurden nur wenige Fragmente aus Flachs (bzw. Hanf) gefunden. Sieben verschiedene Bindungsarten sind unter den hallstattzeitlichen Textilfunden dokumentiert: 2/2 Köpergewebe, Leinwandbindung, Panamabindung, Spitzköper, Rips, Fischgratköper und Brettchengewebe.

Fast die Hälfte der Gewebe ist gemustert. Spinnmuster sind die häufigste Mustervariante. Es kommen Muster vor, bei denen unterschiedliche Farben in Kette und Schuß eine Rolle spielen. Besonders beliebt waren Streifen, Karos, aber auch Hahnentritt. Die Textilreste zeigen sich in ihren natürlich vorkommenden Farben, wie auch in olivgrün, grünblau, rotbraun und dunkelblau eingefärbt.
Warum blieben die Textilien im Bergwerk zurück?

Hallstatt
Zahlreiche Fundstücke sind alt geflickt, sie zeigen in verschiedenen Techniken ausgeführte Nähte und Säume. Es ist wahrscheinlich, dass viele Textilien wohl schon als als Lumpen und Fetzen in die Stollen gelangt.

Die Textilien wurden, nachdem sie nicht mehr für die Kleidung taugten, zerteilt bzw. zerissen und als Schutz gegen Druckstellen, Putzlappen, Schnürmaterial oder zur Umwicklung für Werkzeugstiele und Trageriemen sekundär verwendet und dann als Fetzen (Hadern) im Berg zurückgelassen.
Waren die Textilien gefärbt?

Die neuesten Ergebnisse des Projektes Halltex 1, insgesamt wurden 17 Proben mit Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatographie analysiert, werden vorgestellt. Für die Detektierung jener Elemente, die Einfluss auf die Färbung der Textilien haben, wurde Rasterelektronenmikroskopie angewandt.

Bemerkenswert ist, dass in jeder Probe zumindest ein Farbstoff gefunden wurde. In manchen Textilien, speziell in den blauen, wurden bis zu zehn Farben festgestellt.

Insgesamt konnten 25 Farbstoffe, darunter Indigotin, Indirubin, Luteolin, Apigenin, Quercetin, Ellagsäure und ein roter Farbstoff aus einem Färbe-Insekt, nachgewiesen werden. Weiters enthalten die Textilien Elemente von Kupfer, Eisen und Aluminium.

Das Foto rechts zeigt eine Färbepflanze, das Färberwaid.
Praktische Anwendungen: Färbeexperimente

Die Färbeexperimente sollen Färbeverfahren nachahmen, die für die Hallstattzeit denkbar sind und gleichzeitig auch den hohen Anforderungen der Analytik entsprechen: Die Färbungen sollen also auf standardisiertem Material, nach standardisierten Verfahren und unter Ausschluss von nicht definierbaren Einflüssen (entsprechend den Bedingungen eines Experimentes) stattfinden.

Auf der Tagung werden die Entwicklung der Färbemethoden und die Färbeergebnisse vorgestellt.
Funde in den Funden
Oder: wer oder was ist Pediculus humanus?

Ein eigenes Thema stellt die Kleiderlaus dar, welche in den Textilresten gefunden wurde. Sie ähnelt der Kopflaus, lebt aber bevorzugt an der Innenseite von Kleidungsstücken.

An zwei Textilresten aus dem hallstattzeitlichen Kilbwerk konnten weiters Nissen der Kleiderlaus festgestellt werden. Während die Kopfläuse wieder im Kommen sind, sind Kleiderläuse in Mitteleuropa nur mehr sehr selten. In den vergangenen Jahrhunderten traten sie in erster Linie in Notzeiten auf, als keine Kleiderhygiene betrieben werden konnte.
Konservierung von Textilien außerhalb des Salzes
Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung sind Fragen der Konservierung und Lagerung der empfindlichen Fundstücke. Viele Textilien befinden sich seit über 150 Jahren in der Sammlung der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums und weisen entsprechende Spuren und Verletzungen auf.

Deshalb ist es unerlässlich, neue Techniken zur Konservierung zu entwickeln, um so diese einzigartigen Funde für weitere Generationen von Museumsbesuchern und Wissenschaftlern zu erhalten.
->   Prähistorische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien
Rund um Hallstatt

Die Vorstellung weiterer Experimente rundet das Programm am kommenden Wochenende in Hallstatt ab:

Unter anderem werden Webexperimente nach einem Befund von Gars/Thunau und Spinnexperimente mit Originalspinnwirteln vorgestellt.

Am Samstagvormittag werden die Tagungsteilnehmer die prähistorischen Stollen besichtigen, danach werden Textilien aus anderen Regionen, von Hallein bis zur Altai Region (Skythenfunde) vorgestellt und diskutiert.
Gesellschaft zur Förderung der Textil-Kunst-Forschung
Die Gesellschaft zur Förderung der Textil-Kunst-Forschungwurde vor über 20 Jahren als gemeinnütziger Verein in Wien gegründet. Das Ziel der Gesellschaft ist es, sowohl die Forschung und das Wissen über Textilkunst zu vertiefen, als auch diese Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit bewusst zu machen.

Im Rahmen dieses Aufgabenbereiches wurden in den letzten Jahren zahlreiche Seminare und internationale Konferenzen über ethnologische Textilkunst und Orientteppiche abgehalten, eine Reihe von Publikationen veröffentlicht und einschlägige Projekte von Museen ideell und finanziell unterstützt.
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Allgemeine Informationen zur Tagung
Termin: 4. bis 6. Juni 2004
Ort: Kultur- und Kongresshaus, Hallstatt (Oberösterreich)
->   Tagungsprogramm
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Textvorlage: Gabriela Popa
Alle Fotos: NHM Wien, Praehist. Abt.
->   Otto Urban: Textilfunde aus Hallstatt (7.3.01)
->   Salzwelten Hallstatt (Salzwelten.at)
->   Museum Hallstatt
 
 
 
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