Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Läuse-Beleg: Kleidung gab es schon vor 70.000 Jahren  
  DNA-Analysen von Kopf- und Kleiderläusen erbrachten eine Artaufspaltung vor plus/minus 72.000 Jahren. Damit ergibt sich ein indirekter Nachweis für die älteste Kleidung - etwa in jener Zeit, als der Homo sapiens nach Europa vordrang.  
Lebensweise der Kleiderläuse
Kopf- und Kleiderlaus sind streng wirtsspezifisch, sie leben nur vom Blut des Menschen. Die Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis, auch P. humanus humanus, P. humanus vestimentorum und P. vestimenti genannt) lebt, so berichten die Biologen, bevorzugt auf den direkt am Körper anliegenden Kleidungsstücken.

Die weibliche Kleiderlaus saugt durchschnittlich zweimal täglich jeweils etwa 1,2 Milligramm Blut und legt pro Tag zehn Eier. Insgesamt also im Leben etwa dreihundert Eier. Die Eier werden an den Textilfasern angeklebt und sie können nur in einer Temperatur, die etwa jener der Köpertemperatur entspricht, überleben.
Aussehen
Ausgewachsene Kleiderläuse sind etwa 4 mm lang, haben einen abgeplatteten Körper, sechs Beine mit kräftigen Klauen und stechende Mundwerkzeuge.

Während die Kopfläuse wieder öfters in Mitteleuropa auftauchen, sind Kleiderläuse nur mehr sehr selten. Sie treten aber immer wieder in Krisen- und Kriegszeiten, bei fehlender bzw. stark eingeschränkter Köper- und Kleiderhygiene auf.
Kleiderläuse im Salzbergwerk von Hallstatt

Die Untersuchungen der bronze- und eisenzeitlichen Textilien aus dem Salzbergwerk von Hallstatt (OÖ) erbrachten den Nachweis von Eihüllen der Kleidungslaus.

Die Neuentdeckungen führten die Prähistoriker zu den bisher von ihnen noch weitgehend unbeachteten DNA-Analysen.
->   1. Hallstatt-Textilien Symposion (science.orf.at)
Abspaltung der Kleiderlaus von der Kopflaus
Die Kleiderlaus spaltete sich vermutlich von der Kopflaus ab, als die Menschen begannen, regelmäßig Kleidung zu tragen. Vergleichende Untersuchungen der DNA von Kopf- und Kleiderläusen ergab einen Zeitpunkt der Artaufspaltung von 72.000 (+/- 4.200) Jahren.

Dieser Zeitpunkt gibt zumindest einen so genannten Terminus antequem, das heißt einen Zeitpunkt, vor dem etwas geschehen sein musste, in unserem Fall die Erfindung der Kleidung.

Historisch entspricht diese Phase etwa der beginnenden Würm-Eiszeit (Würm I); einer Zeit, in welcher sich der Homo sapiens von Afrika aus in andere Regionen, unter anderem auch nach Europa, ausbreitete.

Es wäre gut vorstellbar, dass durch die Besiedlung des kühleren Lebensraumes die Entstehung der Kleidung einher geht und dies wäre eine Voraussetzung für die Entstehung der Kleiderlaus.
->   Menschenläuse (Univ. Florida)
...
Die älteste Nähnadel Österreichs
Bisher konnte die Kleidung in der Altsteinzeit (Paläolithikum) nur indirekt durch den Fund beinerner Nähnadeln nachgewiesen werden. Ein derartiger Fund ist seit langem aus der Gudenus-Höhle im Waldviertel bekannt und in der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums ausgestellt.

Die Nadel fand sich in einer Nadelbüchse, die aus einem hohlen Ellenknochen eines Adlers gefertigt war. Die Büchse war an der Außenseite durch ein eingeritztes Rentier verziert - einer der ältesten dekorierten Gegenstände der Urgeschichte Österreichs.
->   Prähistorische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien
...
Abrollung der Ritzung
 


Der verzierte Vogelknochen von der Gudenus-Höhle unterhalb der Ruine Hartenstein im Tal der Kleinen Krems mit der Nähnadel im Inneren fand sich in der oberen Kulturschicht der Höhle gemeinsam mit zahlreichen weiteren Stein- und Knochengeräten des so genannten Magdaleniens, einer jungpaläolithischen Kultur, die vor rund 15 bis 20 Jahrtausenden in weiten Teilen Mitteleuropas verbreitet war.
Ausbreitung des Homo sapiens - Aufkommen von Kleidung
Die DNA-Analysen der Kopf- und Kleiderlaus erbrachte eine Abspaltung vor mehr als 70.000 Jahren. Nachdem die Läuse stark wirtsspezifisch sind, erfolgt damit ein direkter Nachweis von ständig am Körper getragener Kleidung - lange vorher, als dies bisher von den Prähistorikern nachgewiesen werden konnte.

Eine Verknüpfung dieser Beobachtung mit der Auswanderung des Homo sapiens von Afrika aus in klimatisch gemäßigtere Zonen ist dagegen nur eine Hypothese, die von anderer Seite her noch verifiziert werden soll.
->   Älteste Nachweise des Homo sapiens aus Äthiopien mit einem Alter von etwa 154-160 Jahrtausenden nach Tim White (University of California) vgl. www.wissenschaft.de
->   Dale Claton's Lab, University of Utah, Evolutionary Biology and Ecology of Lices
->   Sämtliche Beiträge von Otto Urban in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick