Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Lentos - Lentia - Linz
Archäologische Forschungen zur Stadtgeschichte von Linz
 
  Archäologische Forschungen auf dem Schlossberg ergeben ein neues Bild vom antiken Lentia und dem frühmittelalterlichen Linz rund um die Martinskirche. Außerdem wurde eine napoleonische Schanze vor dem Schloss entdeckt.  

Donaublick
Bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Römerberg in Linz wurde neben Bauresten des spätantiken Lentia der Befestigungsgraben jener napoleonischen Stellung entdeckt, von der Urfahr vor fast 200 Jahren in Schutt und Asche gelegt worden ist.

Mit sechs Kanonen bzw. Haubitzen wurde 1809 vom Schlossberg und von der Frabriksinsel die Umgebung des nördlichen Brückenkopfes beschossen.

Die Ausgrabungen haben nun die genaue Position der Schanze, nur wenige Meter neben dem so genanntem Donaublick (Foto mit Blick auf die Donaubrücke und Urfahr), bestimmen können.
->   Archäologische Forschungen zur Linzer Geschichte (Otto Urban)
Die dritte Invasion Napoleons
Wenige Tage nach dem fluchtartigen Rückzug der österreichischen Truppen vor jenen Napoleons und der strategisch völlig sinnlosen Schlacht bei Ebelsberg am 3. Mai 1809, wo über 12.000 Menschen an einem Tag hingeschlachtet wurden, wurde von dem französischen General Vandamme das Ultimatum gestellt, Urfahr zu übergeben und Boote zur Übersetzung der französischen Truppen über die Donau bereitzustellen.

Feldmarschallleutnants Hiller, welcher eigentlich beauftragt war, den österreichischen Widerstand zu leiten, schaute aus sicherer Entfernung mit seinen Truppen ebenso dem Gemetzel zu, wie die Linzer Bevölkerung, die - um dieses makabere Schauspiel zu beobachten - extra die Höhe des Schlossberges bestieg.
5. Mai 1809, 5.00 früh

Graben der Schanze
am Römerberg
Aus falsch verstandenem Heldenmut übergab der Kreishauptmann von Urfahr, Josef Edler von Sonnenstein, jedoch nicht die Boote den Franzosen, sondern versenkte sie in der Donau. Darüber erzürnt, ordnete der General die im Ultimatum angekündigte Zerstörung von Urfahr an.

Am 5. Mai 1809 begann um 5.00 früh die Beschießung vom Schlossberg und von der Donaulände bzw. der Fabriksinsel aus. Eine Bleistiftzeichnung im Nordico - Museum der Stadt Linz, zeigt das in Brand geschossene Urfahr.

Bereits 1805 - während der zweiten Besetzung von Linz durch Napoleon - wurde ein Warnschuss vom Schlossberg nach Urfahr abgegeben.
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Napoleon in Linz
Die erste Invasion erfolgte im Dezember 1800. Eine zweitägige Waffenruhe ermöglichte den kampflosen Rückzug der unter Erzherzog Karl stehenden österreichischen Truppen, die sich nach Norden über die Donau bzw. nach Osten über die Enns zurückzogen. Nach dem Einmarsch der französischen Truppen am 21. Dezember blieb die Besatzung bis zum 18. März 1801 in Linz.

Die zweite Besetzung erfolgte 1805, nachdem die österreichischen Truppen des Kaisers Franz I. eine Schlacht in Bayern verloren hatten und nach Osten flohen. Napoleon selbst traf mit seiner Garde am 4. November 1805 in Linz ein, wo er für fünf Tage im Landhaus Quartier nahm. Die dritte Invasion erfolgte dann 1809.
->   Führung: "Von Napoleon bis Hitler - Linz im 19. Jhdt."
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Rundblick vom Linzer Schlossberg I
 


Von Joseph Kenner, ~1824, Nordteil
Rundblick vom Linzer Schlossberg II
 


Von Joseph Kenner, ~1824, Südteil

Sepia-Federzeichnung von Joseph Kenner (1794-1868), Linzer Magistratsrat und Dichter, der zum Freundeskreis von Franz Schubert gehörte. Dieser hatte auch mehrere Gedichte von Kenner vertont. Die Zeichnung dürfte um 1824 angefertigt worden sein.
Details mit Napoleonschanze
 


Auf der Federzeichnung sind eine Einfahrt an der Ostseite sowie zwei Erhebungen (in der Südwestecke und an der nördlichen Kante) zu erkennen. Im Hintergrund ist die erstmals 799 genannte Martinskirche zu sehen.

Die Perspektive in das Donautal sowie zur Martinskirche ermöglicht die Rekonstruktion des ehemaligen Standortes von Kenner. Bei diesen Versuchen, die Position des Graphikers zu lokalisieren, wurde erkannt, dass der Maler über dem heutigen Niveau, wohl auf einer wallartigen Erhebung, gesessen haben musste.
Ein bisher unbekannter bzw. nicht erkannter Erdwall auf dem Schlossberg
 


In der Tat wurde dieser Wall auch auf einem Bauplan von Nikolaus von Paccassi für einen Ausbau des Schlosses aus dem Jahre 1768 im Schnitt exakt vermessen und dokumentiert.

Der Wall reichte von der nördlichen Geländekante, dem heutigen Donaublick, bis zur Westbastion des Schlosses, auf dem in der Biedermeierzeit - wie die Zeichnung von Kenner zeigt - ein Pavillon stand.
Schutz und Abschnittsbefestigung

Fortifikatorisch bedeutet dies, dass der etwa drei bis vier Meter hohe Erdwall - er entspricht etwa einem Geschoß im Schloss - und der davor liegende Graben jenem Bereich des Römerberges, auf dem das heutige Schloss steht, Schutz boten und eine Abschnittsbefestigung bildeten.

Sowohl das Alter des Burgwalles sowie die exakte Lokalisierung im Gelände bzw. Erhaltung sind zur Zeit offen. Pläne aus dem Jahre 1742 oder um 1835 (Bildausschnitt) geben allerdings gute Hinweise auf die Lage.
Linz vom Pöstlingberg
 


Bild: Ausschnitt des Kupferstiches von Bertius Linz vom Pöstlingberg nach Valkenborch aus dem Jahre 1593. Zwischen der Martinskirche und dem Schloss ist der 1576 im Auftrag Rudolf II. errichtete Fasshanen gartten zu sehen.

Dieses Wissen vorausgesetzt, lassen auch ältere, aus der Zeit des Humanismus stammende Stiche und Darstellungen, eine Wall-Graben-Befestigung, zumeist unter einer Busch- oder Baumgruppe verborgen, undeutlich erkennen.
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Im Bild eine Münze Karl d. Großen, der sich als römischer Imperator darstellen ließ.
Die älteste Urkunde von Linz,
im 32. Jahre des Königs Karl

...hoc est in pago Trungouue , das ist im Traungau, in loco, cui vocabulum est Linze, in dem Ort, dessen Name Linz ist, super magnum flumen Danubium, über dem großen Fluss Donau, id est ecclesia, que constructa (est) in honore sancti ac beatissimi Martini episcopi ..., nämlich die Kirche, die zu Ehren des heiligen und seligsten ... Bischofs Martinus erbaut (ist), com omni pertinentia vel soliditate sua quicquid mit allem Zugehör und Besitz, was immer
ad ipsam ecclesiam vel ad ipsum castrum, in anderer Lesart: ipso castro, zu dieser Kirche und zu dieser Burg, aspicere vel pertinere videtur hinzusehen oder zu gehören scheint, ... (Übersetzung Erich Trinks).
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Karl der Große in Linz
Um 790 dürfte die Burg (Castrum) in Linz für die Ankunft Karls zweckentsprechend hergerichtet worden sein. Als um 790 die Verhandlungen zwischen Karl d. Gr. und den Awaren keine Einigung brachten, begannen die Vorbereitungen für den Feldzug. Als Karl 791 erstmals persönlich nach Linz kam, wurde die dem Hl. Martin geweihte Kapelle gestiftet und an Bischof Angilram von Metz, der sich an dem Feldzug beteiligte, übergeben. Er starb jedoch noch im gleichen Jahr. Daraufhin wurde die Kapelle Rodland, einem Mitglied des Hofes von Karl übergeben.

In den nächsten Jahren erhielt sie dann Bischof Waltrich von Passau. Dies muss vor der Reisbacher Synode (796) stattgefunden haben, da dann in der Synode die Übergabe von königlichen Gütern an die Kirche verboten wurde. In der nun aus dem Jahre 799 erhaltenen Urkunde, wo erstmals Linz genannt wurde, wird nun die Übergabe der Kirche und der Burg von Bischof Waltrich an Graf Gerold gegen Übernahme einer jährlichen Zahlung - interessanterweise 20 Schilling Silber - bezeugt.
->   Das Reich Karl d. Gr. (www.teumer.de)
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Lokalisierung und Alter des Burgwalles

Planausschnitt aus dem Jahre 1742
Die räumliche Nähe zur Martinskirche - rund 70 m trennen den Kirchenbau von dem vermuteten Befestigungswerk - lassen es nicht unwahrscheinlich erscheinen, dass es sich bei dem Burgwall um das von den Historikern so lange gesuchte und zur Martinskirche gehörende castrum handeln könnte.
->   Neues und Altes zur Martinskirche (Otto Urban)
Historische Hypothese und archäologische Verifikation
Die eigentliche Keimzelle von Linz, welche in die Zeit der Agilolfinger zurückreicht, findet sich demnach - so die Arbeitshypothese der in Linz seit den 90er Jahren tätigen Archäologen und Ur- und Frühgeschichtler - in den Ruinen des spätantiken Lentia auf dem Römerberg.

Neu daran - der Kunsthistoriker Karl Oettinger vermutete dies bereits 1953 - ist, dass dieses "bei der Martinskirche" liegende Castrum durch einen vor der gotischen Schlossmauer verlaufenden Erdwall auf Grund der Angaben eines barocken Architektenplanes und eines biedermeierzeitlichen Rundblickes exakt belegt ist.

Eine für das Jahr 2005 projektierte Sondierungsgrabung des in Linz tätigen Teams hat das Ziel, die vorgeschlagene Hypothese zur Lokalisierung der Königsburg (bzw. des unter dem Schutz einer königlichen Burg stehenden Ortes) zu verifizieren.
Mittelalter- und Neuzeitarchäologie - eine historische Hilfswissenschaft?
Das Beispiel zeigt, dass - durch einen Grabungsbefund ausgelöst - eine Bearbeitung des einschlägigen Bild- und Kartenmaterials durch Archäologen bzw. Ur- und Frühgeschichtler wichtige Hinweise zur Lokalisierung bedeutender historischer Bauten und Plätze ergeben kann.

So kann mit Recht die Mittelalter- und Neuzeitarchäologie als historische Hilfswissenschaft angesehen werden.
Analogie aus ottonischer Zeit
Die Befestigung mit Erd- und Grabenwerk entspräche durchaus dem frühmittelalterlichen Siedlungswesen. Die Situation der Martinskirche mit dem dazugehörenden Friedhof und des in rund 70 m Luftlinie entfernten, auf einem natürlich geschützten Geländesporn liegenden Burgwalles erinnert an Deutsch Altenburg (NÖ), wo ebenfalls neben der Kirche die dem Ort den Namen gebende "alte Burg" lag.
->   Der Hütelberg von Deutsch Altenburg (Otto Urban)
Lentos - Lentia - Linz

So reicht der Bogen der diesjährigen Lehrgrabungen der Universitäten Wien und Salzburg von der Spätantike über das Frühmittelalter bis in die Zeit Napoleons I.

Die Ausgrabungen und Arbeiten werden in einem seit 1990 laufenden Forschungsprojekt des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien (Berichterstatter) und des Nordico - Museum der Stadt Linz (Prof. Erwin M. Ruprechtsberger) durchgeführt.
Kontinuitä: Von der Spätantike zum Mittelalter

Sie haben primär das Ziel, archäologische Quellen zur Stadtgeschichte von Linz, zur Siedlungsgenese und -entwicklung von der Urzeit bis in die Neuzeit zu gewinnen, auszuwerten und im Rahmen von Veröffentlichungen und Ausstellungen vorzulegen.

Standen anfänglich die keltischen Wurzeln von Linz (Lentos) im Vordergrund der Arbeiten, so bilden heute die Fragen der Kontinuität von Spätantike (Lentia) zum Mittelalter den Forschungsschwerpunkt.

Das Bild rechts zeigt im Vordergrund einen Steinbau der älteren Kaiserzeit (1.-2. Jh. n. Chr.) und dahinter Spuren von älteren Schwellbalkenbauten. Im Hintergrund der Graben der napoleonischen Schanze.
Spätantiker Heizkanal und Steinsetzung
 


Im Bild links zu sehen ist ein Spätantiker Heizkanal, rechts: Steinsetzung der älteren Kaiserzeit.
Danksagung
Hinweise auf viele Abbildungen werden Franz Gillmayr, dem langjährigen, bewährten Mitarbeiter und Restaurator im Nordico, verdankt.

Text: Erwin M. Ruprechtsberger und Otto H. Urban
->   Nordico - Museum der Stadt Linz
->   Sämtliche Beiträge von Otto Urban in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 

 
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