Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 
Ergebnisse der Grabungen auf dem Mont Lassois in Vix  
  Anlässlich des Kolloquiums Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse des Schwerpunktprogrammes der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) werden die aktuellen Grabungen der Universität Wien im frühkeltischen Zentrum von Vix vorgestellt.  
Das frühkeltische Zentrum von Vix (Burgund)

"Krater von Vix"
Seit 2002 forscht ein Team der Universität Wien im Rahmen eines internationalen Projektes der Universität Dijon auf dem Mont Lassois - einem frühkeltischen Fürstensitz, der sich auf einem isoliert aus dem Talboden herausragenden, zweiteiligen Inselberg erstreckt.

Am Fuße dieser Höhensiedlung wurde nahe dem Seine-Ufer das berühmte und rund 2500 Jahre alte Fürstinnengrab von Vix entdeckt.

Dieses Grab ist weit über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt, da in ihm das größte erhaltene Bronzegefäß der antiken Welt, ein über 1.000 Liter fassendes Mischgefäß (der so genannte Krater von Vix) entdeckt worden ist.
->   Institut für Ur- und Frühgeschichte forscht
(9.10.02)
Der Mont Lassois und seine Umgebung

Fotookumentation mit Hilfe moderner Geräte
Das 2001 initiierte Forschungsprojekt der Universität von Burgund (Dijon) hat zum Ziel, die zu dem Fürstinnengrab gehörende Bergsiedlung auf dem Mont Lassois zu erforschen.

Neben der geophysikalischen Prospektion, die Kollegen aus Stuttgart und Kiel mit sehr großem Erfolg durchführten, erforscht ein Team der Universität Kiel die Siedlungsstrukturen auf dem Mont Lassois. Diese Forschungen werden durch ein Schwerpunktsprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und finanziert. Das Wiener Team widmet sich dagegen seit 2002 - ähnlich wie in Bibracte - dem Befestigungswerk des Fürsten- bzw. Fürstinnensitzes.

Weitere französische Arbeitsgruppen (darunter auch ein französisches Grabungsteam unter der Leitung von T. Perlwieser und I. Ott) erforschen die nähere Umgebung der Höhenbefestigung und die Umwelt des Mont Lassois. Die Koordination vor Ort führt Bruno Chaume (CNRS), wohl der beste Kenner der eisenzeitlichen Funde von Vix, durch; die Gesamtleitung des Forschungsprojektes Le Mont Lassois et son environnement liegt bei Claude Mordant, Professor an der Universität von Burgund (Dijon).
->   Université de Bourgogne,
Archéologie, Cultures et Sociétés

 


Späthallstättischer Hausgrundriss auf dem Mont Lassois. Die Pfosten verdeutlichen die Position der Pfostengruben bzw. Pfostenlöcher (Grabung: B. Chaume).
Die Grabung der Universität Wien

Grabungsszene mit Testsondage entlang des Profils.
Die diesjährige Kampagne der Universität Wien hat die Stratigraphie des Befestigungswerkes auf dem Mont Lassois grundlegend verändert.

Die Ergebnisse der archäologischen Arbeiten im Sommer veränderten aber nicht nur das Bild des Befestigungssystems auf dem Mont Lassois. Sie helfen auch, die unklaren Berichte der Altgrabungen aus dem Jahre 1953 zu verstehen. Diese ersten Testschnitte wurden nämlich nicht, wie heute üblich, bis an den Felsen vorangetrieben und erbrachten daher keine vollständige Stratigraphie.

Die aktuellen Grabungen belegen aber, dass die seinerzeit getätigten Schichtbeschreibungen von René Joffroy durchaus genau durchgeführt worden sind. Dies erscheint für die Bewertung der anderen Altgrabungen, die nicht mehr durch Nachgrabungen verifiziert werden können, von großer Bedeutung.
Befestigungswerk mehrphasig

Einige Stunden später, die Sohle der Terrasse wurde erreicht.
Eines der wichtigsten Ergebnisse ist, kurz gesagt, dass das Befestigungswerk am Mont Lassois mehrphasig ist.

Zuunterst befindet sich eine rund 20 Meter breite und rund 2,5 Meter tiefe, in den anstehenden Felsen eingeschlagene, künstliche Terrassierung auf der zwei Schichtpakete mit vielen Resten von Siedlungsmaterial aufliegen. Die Kleinfunde weisen diese Schichten in die Spätbronze- und Hallstattzeit.

Ob diese massiven Schichten Siedlungsreste oder einen Erdwall, der aus verlagerten Siedlungsmaterial aufgeschüttet worden ist, darstellen, werden die nächstjährigen, weniger in die Tiefe als in die Fläche gehenden Ausgrabungen klären.

Die Befundsituation ermöglicht auf alle Fälle die Herausarbeitung einer eigenen Typologie und Chronologie für die Siedlungskeramik vom Mont Lassois.

 


2,5 Meter tiefe Siedlungsterrasse: Die rechte, horizontal liegende Fluchtstange liegt auf einer Feuerstelle, über der dann die massive Steinsetzung errichtet worden ist.
Zahlreiche Feuerstellen gefunden

Zwei Feuerstellen, links mit einer Lage von Steinen, welche die Hitze reflektierten.
Nach oben zu wird dieses Schichtpaket durch einen Horizont mit zahlreichen Feuerstellen abgeschlossen. In dem nur vier Meter breiten Schnitt wurden allein fünf Feuerstellen entdeckt. Zwei Feuerstellen weisen an der Unterseite eine Lage von Reflektorsteinen auf, welche die Hitze speichern bzw. abstrahlen sollten. Das heißt, dass es sich bei diesen Feuerstellen nicht um Signalfeuer handelt, sondern um Arbeitsstätten, bei denen dem Erhitzen eine vorrangige Bedeutung zukam.

In die Feuerstelle eingebettete, weiß-rot-bemalte Gefäßkeramik datieren diesen Horizont eindeutig in die jüngere Hallstattzeit, also in jene Phase bzw. in jenes Jahrhundert, in das auch das reich ausgestattete Fürstinnengrab gestellt wird.
Die Pfostenschlitzmauer vom Mont Lassois
 


Die acht Meter starke Steinpackung mit Pfostenschlitzmauer, von der Innenseite gesehen.

Überblick mit Innenfront (unten) und zwei Pfostengruben der Vorderfront (oben).
Über dieser Schicht liegt eine massive Steinsetzung, deren Vorder- und Rückseite durch eine so genannte Pfostenschlitzmauer abgeschlossen wird.

Nach vorne zu ist die Frontmauer jedoch praktisch vollständig verstürzt - nach innen zu dagegen noch 80 Zentimeter hoch in situ erhalten (siehe Foto, oben).

Die Lage der Vorderfront kann aber durch die beiden, in den Felsen eingeschlagenen Pfostengruben gut dokumentiert werden (siehe seitliches Foto).

Oberhalb der Steinpackung befindet sich eine etwa 20 Zentimeter starke Erdschicht, in der auffallend viele jüngereisenzeitliche Gefäßfragmente aus dem 2. und 1. Jhdt. v. Chr. stammen. Wahrscheinlich bildet diese Schicht mit der darunter liegenden Steinpackung und den Pfostenschlitzmauern eine gallische Befestigung.

 


Vorderfront der Pfostenschlitzmauer (Altgrabung von R. Joffroy; Foto aus B. Chaume).
Merowingische Holz-Erde-Befestigung

Pfostengräbchen der Palisade mit Steinverkeilung
Die jüngsten Schichten - und dies war bisher völlig unbekannt - datieren in die Merowingerzeit. Am Beginn des Frühmittelalters wurde die Höhe auf dem Mont Lassois durch eine einfache Palisade mit dahinter angeschüttetem Erdwall neuerlich befestigt.

So belegen die Ausgrabungen im Befestigungswerk eine vielphasige Siedlungstätigkeit auf dieser Höhe: Jungsteinzeit, Spätbronzezeit, ältere und jüngere Eisenzeit, Spätantike sowie Frühmittelalter, wobei der Schwerpunkt der Funde eindeutig in die jüngere Hallstattzeit weisen.
Drei-Jahres-Programm 2005-2007
 


Für die nächsten Jahre sind einerseits Erweiterungen geplant, um die in der Befestigung festgestellten Strukturen flächig erfassen und beurteilen zu können. Danach soll innerhalb des bisherigen Schnittes flächig die Felsterrasse freigelegt werden.

Dieses schrittweise Vorgehen ist auch aus Sicherheitsgründen wegen der nicht ausreichenden Stabilität der Profilwände notwendig. Es ermöglicht außerdem die Gewinnung gut stratifizierter Fundmaterialien.
Danksagung
 


Neben den bereits genannten Institutionen und Kollegen möchte ich ganz besonders den immer aktiven und interessierten Studenten und Studentinnen sowie den örtlichen Grabungsleitern - Thomas Pertlwieser (1. Reihe, 2. v. r.) und Mag. Iris Ott (1. Reihe, 1. v. l.) - herzlich für ihren tatkräftigen Einsatz danken. Ohne das Engagement aller wären die Forschungsarbeiten nicht möglich.

Alle Fotos: Thomas Pertlwieser (IUF);
Grabungsbilder aus den 50er Jahren aus Bruno Chaume, Vix et son territoire à l'Age du Fer, 2001.
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Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse
Dabei handelt es sich um ein Schwerpunktsprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit dem Untertitel Zur Genese und Entwicklung frühkeltischer Fürstensitze und ihres territorialen Umlandes.

Im Rahmen des ersten Plenarkolloquiums wurden am 24. und 25. Februar 2005 die neuesten Ergebnisse der Forschungen auf dem Mont Lassois, dem Ipf, dem Glauberg, der Außensiedlung der Heuneburg und dem Umland des Hohenasperg sowie dem Umfeld des Fürstengrabes von Bad Dürkeim mit der Limburg und Heidenmauer vorgestellt.

Außerdem wurde über die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Analysen zur Umwelt frühkeltischer Zentralsiedlungen (Fauna, Flora, Bohrprofile) berichtet.

Neben methodischen Projekten zu Siedlungshierachien und Abgrenzung von Kulturräumen sowie den Möglichkeiten und Strukturen einer Datenbank mit GIS wurde die zweitägige Veranstaltung in Bad Herrenalb, nahe Karlsruhe, durch einen Ausblick in den italischen Raum, einem Projekt zur frühen Stadtwerdung bzw. Entstehung von Zentralorten in der etruskischen Welt, abgeschlossen.

Die einzelnen Projekte werden unter folgendem Link vorgestellt.
->   SPP Fürstensitze
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Anhang:
Die Entdecker und Ausgräber des Fürstinnengrabes von Vix

Maurice Moisson,
1902-1980
Nachdem zu Renè Joffroy kein passender Link gefunden wurde, soll eine kurze stichwortartige Biographie des Ausgräbers dem Beitrag angeschlossen werden.

Der eigentliche Entdecker des Fürstinnengrabes im Jänner 1953 war Maurice Moisson. Er wurde 1980 auf dem Mont Lassois im Dorffriedhof beigesetzt. Das Portrait findet sich auf seinem Grabstein.

Sein Sohn, der als junger Mann bei den Grabungen seinen Vater half, lebt noch in Vix, ist rege an der Archäologie interessiert und besucht die Ausgrabungen regelmäßig.

 


René Joffroy (mit Pfeife) und Maurice Moisson (mit Kappe) bei den Freilegungsarbeiten des riesigen Bronzegefäßes (Foto aus B. Chaume).
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René Joffroy,
1915-1986
René Charles Lois Joffroy, 1915-1986
1940-1953: Professor am Gymnasium (Lycée) von Châtillon/Seine.
Docteur dès Lettres.

Anschließend Generalkonservator für vorgeschichtliche Bodendenkmale der Champagne und seit 1969 bis zur Pensionierung Konservator und Direktor im Nationalen Antikenmuseums in St. Germain-en-Laye.

Hauptwerke (bezüglich Vix):
- La tombe de Vix, 2 Bde, Paris 1954
- L'oppidum de Vix et la civilisation hallstattiene finale dans l'Est de la France, Paris 1960.
- Vix et ses trésors, Paris 1979

Am 10. Juni dieses Jahres jährt sich zum 90mal sein Geburtstag.
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Musée archéologique
 
Grafik: www.iath.virginia.edu

Die Originalfunde des Fürstinnengrabes sind im Musée du Châtillonnais in Châtillon-sur-Seine zu sehen.

[28.2.05]
->   Musée du Châtillonnais
->   Alle Beiträge von Otto Urban in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung 
 

 
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