Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
Vor 65 Jahren: "Endgültige" Liquidierung Österreichs
Zum Jubiläumsjahr 2005
 
  Im Jahr 2005 finden zahlreiche Gedenkfeiern statt - wohl die wichtigste ist "50 Jahre Staatsvertrag". Vielleicht sollte man aber auch des 31. März 1940 gedenken - jenen Tages, vor exakt 65 Jahren, an dem das Land Österreich endgültig, d. h. wenn man den weiteren Verlauf der Geschichte berücksichtigt - glücklicherweise für "nur" fünf Jahre, liquidiert und als Rechtsperson zu bestehen aufgehört hat.  
13.-15. März 1938: Österreichische Bundesregierung unter Bundeskanzler Seyß-Inquart
Am 13. März 1938 hatte die Österreichische Bundesregierung unter Seyß-Inquart, er war zwei Tage davor vom Bundespräsidenten der Republik Österreich Dr. Miklas - unwillig, aber der Rechtsordnung des Ständestaates entsprechend - mit der Regierungsbildung beauftragt worden, das Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs in das Deutsche Reich beschlossen. Ein praktisch gleich lautendes Gesetz wurde zur selben Zeit deutsches Reichsgesetz.
->   Heldenplatz (www.wien-vienna.at)
Hitler soll erst während seines Linz-Besuches am 13. März 1938 die endgültige Entscheidung und Liquidierung eines eigenständigen Österreichs getroffen haben.

Am selben Tag flog allerdings bereits Stuckart, Staatssekretär im Reichsministerium des Inneren, mit dem Entwurf des Anschlussgesetzes nach Wien, wo es dann um 17 Uhr vom Ministerrat unter Leitung Bundeskanzlers Seyß-Inquart einstimmig angenommen wurde.
->   Das Anschlussgesetz
...
Friedrich Wimmer
In einem Personal-Fragebogen der NSDAP vom 20. Mai 1938 teilt Friedrich Wimmer mit: "Kurz nach dem Eintritt des Hauptmann Leopold in die nö. Landesregierung wurde ich von diesem zu staatsrechtlichen und staatspolitischer Mitarbeit herangezogen. ... In dieser Zusammenarbeit [u. a. mit Dr. Seyß-Inquart, Erg. O.U.] war ich bei ... wichtigen politischen Aktionen beteiligt, einige dieser Aktionen erfolgten überhaupt auf meine Anregung hin. In der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 arbeitete ich bei der Bildung der nationalsozialistischen Regierung mit, am 13. März war ich unter anderem bei der Verfassung und Beschließung des Gesetzes über die Wiedervereinigung ... erheblich mitbeteiligt."

Eigentlich wäre es interessant zu wissen, wann und von wem die gewählte Form des Anschlussgesetzes entworfen wurde.
->   Friedrich Wimmer,
Staatssekretär im Kabinett Seyß-Inquart
...
15. März bis 23. April 1938: Österreichische Landesregierung unter Reichsstatthalter Seyß-Inquart

www.aeiou.at
Am 15. März 1938 wurde dann die österreichische Bundesregierung auf Erlass Hitlers in eine österreichische Landesregierung unter Wegfall des Bundesministers für Landesverteidigung und Justiz umgewandelt und Seyß-Inquart mit deren Führung beauftragt.

Bürckel sollte die so genannte Volksabstimmung vom 10. April 1938 vorbereiten und forcierte bereits in einem Dossier vom 4. April 1938 die Liquidierung Österreichs ("Die Alpenländer haben sich unter der Herrschaft von Wien nie wohl gefühlt; sie wollen an Wien vorbei, unmittelbar der Reichsgewalt unterstehen").
23. April 1938 bis 1. Mai 1939: Reichskommissar Bürckel und Reichsstatthalter Seyß-Inquart mit österreichischer Landesregierung

www.doew.at
Am 23. April 1938 wurde Bürckel von Hitler zum Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs ernannt und die Österreichische Landesregierung mit Reichsstatthalter Seyß-Inquart unterstellt.

Am 30. April 1938 erfolgte eine Verordnung über das Gesetzgebungsrecht im Lande Österreich, wonach der Reichsstatthalter (Österreichische Landesregierung), soweit nicht Reichsrecht im Lande Österreich gilt, im bisherigen Rahmen die Gesetzgebung ausübt.
Am 30. Mai 1938 wurde dann die österreichische Landesregierung unter Leitung des Reichsstatthalters Seyß-Inquart neuerlich umorganisiert und verkleinert.

Daneben wurde am 31. Mai 1938 die NSDAP neu gegliedert. Diese Neugliederung mit sieben Gauen nahm bereits die Aufteilung Österreichs vorweg, die am 15. Oktober 1938 in Kraft trat.
1. Mai 1939 bis 31. März 1940: Übergabe der Befugnisse des Reichsstatthalters und der Österreichischen Landesregierung an den Reichskommissar

Plakatwand 1939
Am 1. Mai 1939 wurde dann das so genannte Ostmarkgesetz beschlossen, welche die Übertragung der Aufgaben und Befugnisse des Reichsstatthalters in Österreich (Österreichische Landesregierung) an den Reichskommissar Bürckel vorbereiten sollte.

Mit dem Abschluss der Durchführung des Ostmarkgesetzes am 31. März 1940 endete die Rechtspersönlichkeit des Landes Österreich. Die Eigenständigkeit Österreichs, selbst als Teilgebiet des Deutschen Reiches, hat damit - genau vor 65 Jahren - geendet.
Josef Bürckels Funktionen in Österreich
 


- 13.3.1938: Kommissarischer Leiter der NSDAP in Österreich zur Durchführung der Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich.
- 23.4.1938 bis 31.3.1940: Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich.
- 30.1.1939 bis 7.8.1940 Gauleiter von Wien.
Danach kehrte er wieder in die besetzten französischen Gebiete zurück und verübte im September 1944 Selbstmord.

Foto: Seyß-Inquart und Bürckel
(Quelle: http://stonarov.wz.cz/inquart.html)
Alpen- und Donaugaue
Anstelle der Bezeichnung Österreich trat der Begriff Ostmark; doch auch dieser dürfte noch von der Bevölkerung zu stark mit Österreich identifiziert worden sein und so wurde 1942 die Bezeichnung Alpen- und Donaureichsgaue angeordnet.
Referenz und Anregung

Foto: Christine Mitscha-Märheim
Die Anregung für diesen Beitrag entnahm ich dem Werk von Christoph Liud, "Der letzte Jude hat den Tempel verlassen", Juden in Niederösterreich, 1938-1945, Verlag Mandelbaum, 2004, wo im einleitenden Kapitel explizit auf dieses Datum unter Hinweis auf die Arbeit von Emmerich Tálos "Die Etablierung der Reichsgaue der 'Ostmark'", in: "NS-Herrschaft in Österreich", öbv&hpt, Wien 2001, 55-72, im bes. 66-68, verwiesen wird.

Die Abbildung aus dem Werk Liuds (S. 247) zeigt das einzige Denkmal für die 15 zerstörten jüdischen Gemeinden Niederösterreichs. Es steht in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Könnte nicht eine Kopie dieses Denkmales in einem der "8-er" Jahre, welches traditionell in Österreich dem Gedenken und nicht dem Feiern, wie die "5-er" Jahre, gewidmet sind, im Regierungsviertel von St. Pölten aufgestellt werden?
->   Yad Vashem
Weiterführende Links
->   Sebastian Seng, Österreich unterm Hakenkreuz - die Ostmark (www.hausarbeiten.de)
->   Die propagandistische Vorbereitung der Volksabstimmung (www.doew.at)
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Das Jubiläumsjahr 2005 in science.ORF.at
In loser Folge erscheinen in science.ORF.at redaktionelle Texte und Gastbeiträge zu dem Schwerpunkt "Jubiläumsjahr 2005". Bisher erschienen:
Michael John: Neo-Mythologisierung der Zeitgeschichte (18.3.05)
Materieller und geistiger Wiederaufbau Österreichs (16.3.05)
Siegfried Mattl: Beglaubigte Geschichte (9.3.05)
Die ursprünglichen Pläne von "25 Peaces" (28.1.05)
Österreich würdigt Widerstand in der Nazi-Zeit (19.1.05)
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->   oe1.ORF.at-Übersicht zu "Österreich 2005"
 
 
 
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