Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Neandertaler - keine Rasse
Neues aus der Anthropolgie in Wien
 
  Neue DNA-Analysen belegen keine direkte Verwandtschaft zwischen Homo sapiens und Neandertaler. Der Homo neanderthalensis war wie der Homo sapiens eine Art (Spezies) der Gattung Mensch (Homo), die untereinander anscheinend nicht fortpflanzungsfähig waren.  
Neandertaler - eine eigene Art, die keine (biologischen) Spuren hinterlassen hat

Die DNA des Homo neanderthalensis unterscheidet sich sehr deutlich von jener des heute lebenden Homo sapiens. Die gemeinsame Wurzel dieser beiden Arten dürfte daher auf eine Zeit vor 550.000 bis 690.000 Jahren zurückreichen (neuere Berechnungen weisen mit 365.000 bis 853.000 Jahren eine noch größere Spannbreite auf). In beiden Fällen liegt das Mittel bei rund 609 bzw. 620 Jahrtausenden.

Es zeigte sich bei den Analysen auch keine engere Verwandtschaft des Neandertalers zur europäischen Bevölkerung als zu einer asiatischen, afrikanischen oder australisch-ozeanischen Bevölkerung.

Neben der anthropologischen Analyse der Fossilien des Neandertalers stehen heute die Untersuchungen der Umwelt, der arten- und gruppenspezifischen Verhaltensmerkmale und deren kultureller Niederschlag im Vordergrund der Forschungen.

Grabfunde des Neandertalers belegen ein ausgereiftes Sozialgefüge, das auch die Totenfürsorge umfasste. Dass sich daraus allerdings für diese Jäger und Sammler Hinweise auf religiöse Vorstellungen ablesen lassen, erscheint wenig überzeugend.
Das Aussterben des Neandertalers

Der Neandertaler war in weiten Bereichen des Vorderen Orients, Nordafrikas, Mittel- und Südeuropas verbreitet. Im Laufe der Würm-Eiszeiten verkleinerte sich sein Lebensraum dramatisch. Vermutlich wurde er durch das Vordringen des Homo sapiens in den Westen verdrängt, wo er vor rund 30.000 Jahren ausgestorben ist. Die jüngsten Fossilien stammen von der Pyrenäen-Halbinsel.

Entgegen der Darstellung im "Universum"-Film gibt es jedoch (bisher) keinen Nachweis für eine direkte Konfrontation zwischen Neandertaler und Sapiens. Die Form der Verdrängung und Abwanderung in ein Rückzugsgebiet ist daher nach wie vor offen. Vermutlich geht sie Hand in Hand mit einer Veränderung der lebenswichtigen natürlichen Ressourcen (Jagdtiere).
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Archäologische Biologie und Anthropologie
Die Abteilung für Archäologische Biologie und Anthropologie im Naturhistorischen Museum zeigt zurzeit im Saal XVI anhand der Kopien fossiler Funde die wesentlichsten anatomischen und morphologischen Veränderungen der frühen Hominiden.

In nächster Zukunft soll das Konzept einer neuen Dauerausstellung in den Sälen XVI und XVII abgeschlossen werden, wobei die Hominidenevolution und die paläoökologischen Rahmenbedingungen die zentralen Themen sind.

Lebensbilder des Neandertalers im American Museum of Natural History, oben Diarama, unten Malerei von Jay Matternes.
->   Das Neandertal-Museum
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Rasse - heute ein sozio-historischer Begriff
Der ursprünglich in der biologischen Systematik aufscheinende Begriff der "Rasse" wird heute - mit Ausnahme der bei Haustieren vorkommenden Zuchtrassen - von der Biologie abgelehnt, da er zu ungenau klassifizierbar ist.

Die im normalen Sprachgebrauch verwendete Unterscheidung von Europiden, Mongoliden oder Negriden ist soziologisch und historisch gewachsen, biologisch sind Weiße, Gelbe und Schwarze n i c h t exakt voneinander trennbar.
Das Bild des Neandertalers, gestern und heute
 


Rekonstruktion eines Neandertalers von Elisabeth Daynes auf der Basis des Fundes von La Férrasier (1999), oben.

Unten, seitlich: Rekonstruktion eines Neandertalers von Fritz Fahrwickel auf der Basis des Fundes von La Chapelle aux Saints (um 1940).

Beide ausgestellt im NHM Wien.
Rassismus und NS-Rassenlehre

In den letzten Jahren bemüht sich die neue Wiener Schule der Anthropologie um eine Aufarbeitung der Vorgänge während der nationalsozialistischen Zeit.

So wurden im Februar 2001 mehrere Führungen und Vorträge von Margit Berner zu den Projekten der Anthropologischen Abteilung in den Jahren von 1938 bis 1945 gehalten.

Abteilungsleiterin Maria Teschler-Nicola wird im Rahmen der Tagung "Biologismus - Rassismus - Fremdenfeindlichkeit und Sprachgebrauch" einen Vortrag zur
"Geschichte des Rassismus und der NS-Rassenlehre" halten.
Die Veranstaltung findet vom 22. bis 24. April 2001 im Bildungshaus St. Virgil in Salzburg statt.
Anthropologische Abteilung in der NS-Zeit
Grundlage mit der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist Teil 2 des Senatsberichts der Universität Wien, der von Teschler-Nicola und Margit Berner erarbeitet worden ist:

"Die Anthropologische Abteilung des Naturhistorischen Museums in der NS-Zeit; Berichte und Dokumentation von Forschungs- und Sammlungsaktivitäten 1938-1945."
->   Link zum Herunterladen des Senatsberichts
->   Naturhistorisches Museum Wien
 
 
 
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