Host-Info
Otto H. Urban
Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Universität Wien
 
ORF ON Science :  Otto Urban :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Friedrich Wimmer - vom Landesarchäologen zum Regierungspräsidenten
Den Opfern österreichischer Anhaltelager gewidmet
 
  Vom Niederösterreichischen Landesarchäologen zum Regierungspräsident der Oberpfalz und Niederbayerns - die Spurensuche nach einem weitgehend unbekannt gebliebenen Schreibtischtäter: DDr. Friedrich Wimmer.  
Friedrich Wimmer - eine nationalsozialistische Karriere
 

Der Lebenslauf und die Karriere von Friedrich Wimmer erscheint erschreckend typisch - sie beginnt in der 1. Republik im Amt der NÖ. Landesregierung, führt im Ständestaat zum Bundeskanzleramt und die Landesregierung Seyß-Inquart, dann nach Regensburg - dem Sitz des Regierungspräsidenten von der Oberpfalz - und nach Holland sowie in den Zeugenstand in Nürnberg - und endet in Salzburg.

Eine bisher kaum bekannt Biographie eines geradezu klassischen Schreibtischtäters, der wohl im Windschatten so mancher Kriegsverbrecher "nur seine Pflicht getan hat".
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Prof. J. Strzygowski
Friedrich Wimmer - Studium der Kunstgeschichte
Aus einem nationalen Haushalt stammend, studierte Wimmer zuerst in einem Kreise Gleichgesinnter in Wien Kunstgeschichte bei Prof. Strzygowski, der zwar einerseits den Blick für steppennomadische, byzantinische oder islamische Kunst öffnete, anderseits aber durch eine rassistische und germanophile Weltanschauung geprägt wurde.

Das Thema der Dissertation von Wimmer beschäftigte sich mit einem "germanischen" Thema, der frühen christlichen Steinbaukunst in Schweden (1922).
->   Geschichte der Wiener Kunstgeschichte
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Dr. Friedrich Wimmer - Landesarchäologe von NÖ.
Nach kurzen Tätigkeiten als Assistent am Kunstgeschichtlichen Institut folgte 1928 eine Anstellung als Archäologe am Niederösterreichischen Landesmuseum. Im Rahmen dieser Beschäftigung hatte er Kontakt mit allen namhaften Vertretern der Ur- und Frühgeschichte, wurde Ausschussmitglied in der Wiener Prähistorischen Gesellschaft und führte Ausgrabungen an zahlreichen niederösterreichischen Fundstätten durch (Böheimkirchen, Guntramsdorf, Zeiselmauer etc.).
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Wimmer als Illegaler im Ständestaat
Neben seiner Tätigkeit als Archäologe studierte Wimmer Jus und wurde nach dem Abschluss 1932 der Abteilung 1 des Amts der NÖ. Landesregierung, jene Abteilung, die für die föderativen Fragen zuständig war, zugewiesen.

Im Februar 1934 trat Wimmer der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 6330487) und wirkte als Rechtsberater von Josef Leopold (siehe unten) und seit 1936 von Glaise-Horstenau und Seyß-Inquart.

Daneben machte er aber auch Karriere im Ständestaat, wechselte vom Amt der NÖ. Landesregierung als Landesregierungs-Oberkommissar in die für Verfassungsangelegenheiten zuständige Abteilung 1 des Bundeskanzleramtes.

1936 war der Illegale Wimmer nach dem Amtskalender im Bundeskanzleramt Ministerialsekretär und Träger des Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich.
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Josef Leopold
Josef Leopold (1889 - 1941), 1919 Beitritt zur NSDAP, 1927 Gauleiter für Niederösterreich.

1932 gehörte Leopold als einer der vier Landesräte unter Landeshauptmann Dr. Karl Buresch der NÖ. Landesregierung an und war Leiter des Landesamt V (zuständig für gemeinsame Angelegenheiten von NÖ. und Wien, Siechenanstaltswesen, Verpflegskosteneinbringung, Forstwesen, Verkehr und Theaterangelegenheiten).

Anschließend, ab Juli 1933 bis 1936 mehrmals verhaftet und ab 1935 Landesleiter der illegalen NSDAP in Österreich. 1938, nach innerparteilichen Konflikten, abgesetzt. 1941, als Oberstleutnant während des Einfalls in Rußland gefallen.
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1938: Wimmer Staatssekretär im Kabinett Seyß-Inquart
Zwei Tage nach der Angelobung der Regierung Seyß-Inquart durch den österreichischen Bundespräsidenten Miklas wurde Wimmer neben dem berüchtigten Ernst Kaltenbrunner Staatssekretär im Kabinetts Seyß-Inquart. Wimmer dürfte in diesen Tagen das sog. Anschlussgesetz in Zusammenarbeit mit den Deutschen in der Form formuliert haben, wie es dann von der österreichischen Regierung Seyß-Inquart beschlossen worden ist. Laut Ministerratsprotokoll war Wimmer bei dieser Beschlussfassung am 13. März 1938 anwesend.

Als Staatssekretär führte er seit Mai 1938 im Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheit die Abteilung "Rechtsangleichung", leitete die Neuorganisation der Gemeinde- und Landesordnung und die Anpassung an die Deutschen Strukturen.
->   Das ursprüngliche Kabinett Seyß-Inquart
Wimmer - Mitglied der SS
Während der stürmischen Tage des Anschlusses trat Wimmer am 12. 3. 1938 als Obersturmführer der SS bei. Bereits im Juli 1938 wurde er Sturmbannführer.

 


DDr. Friedrich Wimmer, um 1938.
Bild im Gauakt Wimmer, Österr. Staatsarchiv (AdR).

 


Handschriftlicher Lebenslauf von F. Wimmer bis zur "Berufung zum Staatssekretär".
Original: Gauakt
Wimmer als Staatskommissar
Im Juli 1938 wird er Staatskommissar und Leiter der Abteilung I, Rechtsangelegenheiten, Staatsrecht und Verwaltung im Allgemeinen. Als Stellvertreter tritt im übrigen Sektionschef Hugo Jäckl auf, der schon im Ständestaat Leiter der Abteilung 1 und ebenfalls Träger des Großen goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich war.
1939 - 1940: Regierungspräsident der Oberpfalz

Eigenhändige Unterschrift
Im Mai 1939 wird Friedrich Wimmer dann bevor er zum Regierungspräsident der Oberpfalz bestellt wurde für wenige Monate kommissarischer Leiter einer Dienststelle mit dem für Nichtjuristen kaum verständlichen Namen "NS Rechtswahrerbund Gauführung Wien Gaugruppenwalter Verwaltungsrechtswahrer".

Der Regierungssitz Oberpfalz in Regensburg umfasste damals sowohl die Oberpfalz als auch Niederbayern (die beiden Kreise wurden erst 1948 wieder getrennt). Wimmers Vorgänger als Regierungspräsident war Wilhelm Freiherr von Holzschuher (1934-1939) und seine Nachfolger Hermann Edler von Gäßler (1940-1943) bzw. Gerhard Bommel (1943-1945).
1940-45: Generalkommissar in Holland

Seyß-Inquart,
um 1940
5. Juni 1940 bis Mai 1945 ist Friedrich Wimmer dann in den besetzten Niederlanden unter dem Reichskommissar Seyß-Inquart Generalkommissar für Verwaltung und Justiz. Neben ihm war im Reichskommissariat der berüchtigte Kärnter SS-Brigadeführer Hans-Albin Rauter Generalkommissar für öffentliche Sicherheit. Der Generalkommissar für Finanzen und Wirtschaft, Hans Fischböck, stammte ebenso aus Österreicher - er war, wie Wimmer, bereits 1938 Mitglied im Kabinett Seyß-Inquart.
1942: SS-Brigadeführer
Im Zuge dieser Tätigkeiten im Generalkommissariat hatte Wimmer durchaus auch Einblick in die schweren Verbrechen, die insbesondere gegen die jüdische Bevölkerung in Holland gesetzt worden sind. Er dürfte sogar, als für die Verwaltung und Justiz zuständiger Generalkommissar, bei der Schaffung der "legislativen Regelungen für die Behandlung der Judenfrage" aktiv mitgewirkt haben. Im übrigen wurde Wimmer im Mai 1942 SS-Brigadeführer, was in der Wehrmacht dem Rang eines Generalmajors entspräche.

Im Unterschied zu Rauter und Seyß-Inquart, die beide wegen ihrer schweren Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit etc. zum Tode verurteilt worden sind, wurden in Österreich nach der Besatzungszeit die Strafverfahren gegen Fischböck und Wimmer eingestellt.
1946: Zeuge im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher
Als Zeuge der Verteidigung wurde Wimmer am 13. Juni 1946 am Nürnberger Prozess zu den Vorgängen in den Niederlanden vernommen. Danach wurde er - trotz mehrfacher Versuche der amerikanischen Besatzungsbehörden in den Jahren 1948/49 (siehe Belastungskarte unten) und Ausschreibung im staatspolizeilichen Fahndungsblatt - nicht mehr gefunden.

Am 9. 11. 1957 wurde das gerichtliche Verfahren gegen Wimmer eingestellt; kaum zwei Monate später stellt ein Rechtsanwalt aufgrund einer am 2.1.1958 von Wimmer in Salzburg ausgestellten Vollmacht das Ansuchen, den Gerichtsbeschluss auszustellen. Der 1897 in Salzburg geborene Wimmer dürfte sich in seiner Geburtsstadt aufgehalten haben ...

 


Danksagung
Die Anregung für diese kurze Arbeit erhielt ich dankenswerterweise von einem holländischen Zeithistoriker (Dr. Martijn Eickhoff) auf einer Berliner Tagung im Frühjahr dieses Jahres. Originaldokumente verdanke ich dem DÖW, dem AdR und einem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien. Allen Mitarbeitern und Leitern sei für ihre freundliche und kollegiale Unterstützung herzlich gedankt.

Ein ausführlicher Beitrag erscheint im Herbst unter
Otto H. Urban, "... und der deutschnationale Antisemit Dr. Matthäus Much" - der Nestor der Urgeschichte Österreichs? Mit einem Anhang zur Urgeschichte in Wien während der NS-Zeit, 2. Teil, Archaeologia Austriaca 86, Wien 2002, (2003) Verlag der Österr. Akademie der Wissenschaften.
->   Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie (engl.)
Österreichisches Staatsarchiv
->   Archiv der Republik
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
->   DÖW
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Baracke D3
Quelle: DÖW
DEN OPFERN ÖSTERREICHISCHER ANHALTELAGER GEWIDMET
Die Arbeit soll den Opfern der Anhaltelager gewidmet sein, denn vor exakt 70 Jahren, am 23. September 1933, beschloss die österreichische Regierung Dollfuß die Errichtung von "Anhaltelagern" zur Internierung politischer Häftlinge ohne gerichtliches Verfahren.

Auch Hitler hatte kurz zuvor die ersten Konzentrationslager für politische Gegner in Dachau und Oranienburg errichten lassen.

Im Oktober 1933 wurde dann in Wöllersdorf und in Kaisersteinbruch (beide NÖ) die ersten Lager errichtet und zunächst die national- sozialistischen und kommunistischen, nach dem Februar 1934 auch die sozialdemokra- tischen Regierungsgegner eingesperrt.
->   MAHNMAL "Anhaltelager Wöllersdorf 1934"
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