Christiane Spiel
Dekanin der Fakultät für Psychologie, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Christiane Spiel :  Wissen und Bildung 
 
Die Implementierung des UG 02 an der Universität Wien
Eine persönliche Zwischenbilanz, Teil 1
 
  Nach einem intensiven Diskurs bei der Gesetzwerdung läuft seit Dezember 2002 der Implementierungsprozess des UG 02 an der Universität Wien. Ich selbst war an manchen Stellen intensiv involviert, an anderen gänzlich unbeteiligt. Auf Anregung von science.ORF.at fasse ich meine Eindrücke und Erfahrungen kurz zusammen. Da eine Entscheidung über die Organisationsstruktur der Universität Wien derzeit noch nicht vorliegt, handelt es sich um eine Zwischenbilanz.  
Der Gründungskonvent:
- Effektive und effiziente Arbeit
Dem Gründungskonvent sind in der ersten Implementierungsphase zweifellos die wichtigsten und auch interessanteste Aufgaben zugekommen. Daher war ich auch gerne bereit, auf einer Wahlliste für den Konvent zu kandidieren. Der Gründungskonvent wurde von Günter Haring (Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Informatik) sehr straff und gut organisiert geleitet, so dass wir ein halbes Jahr früher als offiziell vorgesehen, nämlich bereits Ende Juni 2003 alle Aufgaben erledigt hatten. Darüber hinaus haben wir in einer zweitägigen Klausur Vorschläge für den Entwicklungsplan, die Lehrorganisation und für Qualitätsmanagement und Evaluation erarbeitet.
- Hohe Diskursbereitschaft
Besonders positiv empfand ich die Konfliktkultur im Konvent. Es gab heftige Diskussionen, die jedoch nie zu persönlichen Beleidigungen führten. Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass es bei der Professorenkurie drei Wahllisten gab. Daher war es nicht nötig eine -Scheinharmonie - zu wahren zugunsten eines sinnvollen und wichtigen Diskurses. Interessant ist übrigens, dass kein Mitglied der Professorenkurie des Gründungskonvents eine weitere Funktion angestrebt hat, d.h. Mitglied des Senats wurde.
Die Projektgruppenarbeit:
- Aufgabenstellung
Rektor Winckler hat fünf Mitglieder der Universität Wien - darunter auch mich - im August 2003 gebeten, in Projektgruppen Konzepte für die künftige Organisationsstruktur der Universität Wien zu erarbeiten unter Zugrundelegung von Eckdaten, die das Rektorat vorgegeben hatte. Deadline für die Abgabe der Vorschläge war Anfang Oktober 2003.

Die Besetzung der Gruppen sollte bezogen auf die Fakultäten heterogen sein; sie wurde im Diskurs mit dem Rektorsteam festgelegt. Das Faktum, dass ich zwei der vier weiteren Projektgruppenmitglieder (Ines Breinbauer, Heinz Fassmann, Andreas Kappeler, Bernhard Keppler) nicht bzw. kaum kannte, erschien mir hinsichtlich der gestellten Aufgabe durchaus sinnvoll und auch herausfordernd. Mit erstaunlich schnellem Konsens in den zentralen Punkten haben wir dem Rektorat schließlich folgendes Konzept vorgeschlagen:
Vorschläge unserer Projektgruppe:
1. Kriterien zur Organisationsstruktur
Die neue Struktur soll aus Akzeptanzgründen (es wurde ja auch keine IST-Stand Analyse durchgeführt) zu keinen radikalen Änderungen der bisherigen Struktur führen. Die Organisationseinheiten (diese Bezeichnung steht im UG 02) sollen primär um international akzeptierte Fächer (Studienrichtungen) gruppiert werden.

Dies erleichtert den internationalen Diskurs und vermeidet kurzfristige "Moden". Die Organisationseinheiten (OEs) sollen die Bezeichnung Fakultäten führen. In diesen sollen ausreichend Positionen vorhanden sein (Post-doc-Stellen, Tenure-Track-Positionen, Gastprofessuren), die eine Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, internationalen Austausch und Kontinuität gewährleisten.

Die Organisationsstruktur soll dynamisch sein und Veränderungen sollen kriterienbasiert auf Basis gesicherter Daten erfolgen.
2. Research Centers zur Flexibilisierung und Profilgebung
Research Centers schlagen wir als das flexible Moment der Organisation vor. Sie sind zeitlich befristete Einrichtungen, die transdisziplinäre Forschungsinteressen der disziplinär orientierten OEs bündeln (wobei die Mitglieder weiterhin formal OEs angehören). Die Beantragung eines Research Centers erfolgt beim Rektorat auf Basis bereits vorhandener Leistungen.
3. Zielvereinbarungen zwischen Rektorat und Organisationseinheit
Als zentrale Voraussetzung für den Abschluss von Zielvereinbarungen zwischen Rektorat und Leitung einer OE sind möglichst rasch faire und vergleichbare Bedingungen herzustellen. Dies betrifft im besonderen die quantitative Relation von Lehrenden zu Studierenden (Entlastung der Massenfächer!). Des weiteren sind Möglichkeiten zu schaffen, auch innerhalb von OEs Leistungsanreize zu setzen.
4. Binnenstruktur der Organisationseinheiten
Aufgrund der Größe der Organisationseinheiten hält die Projektgruppe eine Tiefengliederung in Arbeitsbereiche (oder Institute) für notwendig. Die Leitung der OEs soll analog dem Rektorat als Team mit Funktionsdifferenzierung arbeiten, wobei der/die gewählte Leiter/in letztverantwortlich über Budget und Personal entscheidet (siehe Gesetz). Der OE-Leitung soll ein Beratungsgremium zur Seite gestellt werden, dem u.a. die Leiter/innen der Arbeitsbereiche angehören.
5. Professionalisierung des Managements in den Organisationseinheiten
Die effektive und effiziente Verwaltung in den OEs erfordert eine entsprechende Professionalisierung. Zur Entlastung der Wissenschaftler/innen soll es eine/n administrative/n Leiter/in der OE geben für die Bearbeitung der Tagesgeschäfte und das Management der zentralen Verwaltung in der OE. Auch die Drittmittelverwaltung soll reibungslos und, soweit möglich, dezentral erfolgen.
6. Lehrangelegenheiten sind den Organisationseinheiten zugeordnet
Ein ganz zentraler Punkt ist unserer Ansicht nach, dass die Lehrangelegenheiten soweit als möglich den Organisationseinheiten und damit den Fächern zugeordnet bleiben. Eine an manchen ausländischen Universitäten etablierte Matrixstruktur ist aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen nicht direkt auf die Universität Wien übertragbar. Es wären Reibungsverluste und Konfliktfelder zu erwarten.

Teil 2 folgt demnächst.
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