Christiane Spiel
Dekanin der Fakultät für Psychologie, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Christiane Spiel :  Wissen und Bildung 
 
Universitäten auf dem Weg zu einer Evaluationskultur  
  Die ersten Jahre nach der gesetzlich geforderten Evaluation an Universitäten waren in den deutsprachigen Ländern von Skepsis, Aktionismus, der Konzentration auf Analyse und Bewertung sowie dem Fehlen von Konsequenzen geprägt. Allmählich zeigt sich jedoch ein Wandel hin zur Koordination zwischen Universitätsstandorten und Ländern ab und die Einsicht, dass Evaluationen in Organisationsentwicklungsmaßnahmen einzubetten sind.  
Dies zeigte u.a. der große Andrang zu der von der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft veranstalteten Konferenz "Evaluation von Studium und Lehre auf dem Prüfstand - Zwischenbilanz und Konsequenzen für die Zukunft".

Auf dieser Veranstaltung wurden die Ergebnisse einer Studie (Metaevaluation) vorgestellt, welche die Bewährung und Wirksamkeit der Verfahren der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover (ZEvA) und des Verbundes Norddeutscher Universitäten (VNU) analysiert hatte.

Zweifellos haben auch die bevorstehenden Leistungsvereinbarungen, die Universitäten mit den Ministerien eingehen müssen, einen Anteil an der zunehmenden Akzeptanz von Evaluation und der kritischen Reflexion von Evaluationsergebnissen.
Evaluation an deutsprachigen Universitäten
Legitimations- und Konkurrenzdruck haben zu gesetzlich vorgeschriebenen Evaluationen an Universitäten geführt. In den deutschsprachigen Ländern, die im Gegensatz zu den USA und z.B. den Niederlanden keine Evaluationstradition aufweisen, waren die ersten Evaluationsaktivitäten durch Heterogenität und Aktionismus geprägt.

Reaktives Krisenmanagement dominierte anstelle von aktivem Management. Die Tatsache, dass der Fokus der Evaluation auf Lehre und hier - laut gesetzlichen Bestimmungen - auf der Bewertung von Lehrveranstaltungen durch Studierende lag, hat bewirkt, dass solitäre Maßnahmen überwogen und ganzheitliche Organisationsentwicklungen kaum angegangen wurden.
Konzentration auf Analyse und Bewertung
Die Forderung nach flächendeckender Lehrveranstaltungsbewertung führte zu einer Konzentration der Evaluation auf Analyse und Bewertung und nicht auf konkrete Änderungsmaßnahmen.

Darüber hinaus war die Organisation und Abwicklung der Lehrveranstaltungsbewertung meist - vor allem an größeren Universitäten - so aufwendig, dass sich die Evaluationsmaßnahmen darin erschöpften (zumindest was die Evaluation von Lehre und Studium betraf).
Selten bis gar nicht folgten Konsequenzen
Es ist jedoch evident, dass die Bewertung von Lehrveranstaltungen durch Studierende nur einen sehr kleinen Teil der Lehrevaluation abdecken kann. Konsequenzen aus den Lehrveranstaltungsbewertungen gab es selten bis gar nicht (ein Gespräch mit dem Studiendekan kann ja wohl kaum als Konsequenz bezeichnet werden).
Zunehmend auch Forschungsevaluationen
Neben der Lehrevaluation wurden in den letzten Jahren auch zunehmend Forschungsevaluationen durchgeführt. Evaluationen, welche die Administration und Organisationsmaßnahmen betreffen, haben jedoch Seltenheitswert.
Immer häufiger koordiniert und integriert
Die zunehmende Autonomie der deutsprachigen Universitäten (in Österreich mit dem UG 02) verbunden mit konkreten Leistungsanforderungen, der "Gewöhnungseffekt" an Evaluationen sowie die allmähliche Einsicht, dass "gute" Evaluationen die Möglichkeit zu wissenschaftsgestütztem Lernen liefern, haben in den letzten Jahren Veränderungen bewirkt.

Evaluationsmaßnahmen werden auf Basis vorliegender Befunde und Erfahrungen immer häufiger koordiniert und in Organisationsentwicklungsmaßnahmen integriert.
Evaluation von Studium und Lehre auf dem Prüfstand -Zwischenbilanz und Konsequenzen für die Zukunft
Ein Beispiel für diese Entwicklungen ist die vom Projekt Qualitätssicherung der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz in Auftrag gegebene Metaevaluation, deren Ergebnisse auf einer Tagung im Wissenschaftszentrum Bonn vorgestellt wurden.

Die Metaevaluation sollte die Bewährung und Wirksamkeit der Verfahren der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover (ZEvA) und des Verbundes Norddeutscher Universitäten (VNU) für die Evaluation von Studium und Lehre prüfen.
Empfehlungen für die Evaluation
Im Zentrum der Tagung, die von der Hochschulrektorenkonferenz und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft veranstaltet wurden, standen Empfehlungen für die Ausgestaltung der internen Evaluation, der externen Evaluation und des Follow-Up.

Diese wurden aus den Ergebnissen der Metaevaluation abgeleitet und von den Studienautoren vorgestellt (Studienleiter: Prof. Daniel, Universität Zürich). Jeder dieser Empfehlungsbereiche wurde sowohl von externen EvaluationsexpertInnen aus verschiedenen europäischen Ländern als auch von internen ExpertInnen kommentiert.

Obwohl das Wissenschaftszentrum in Bonn Platz für etwa 230 TeilnehmerInnen bietet, mussten etwa 50 Prozent der InteressentInnen (Rektoren, Präsidenten, Mitarbeiter von Evaluationsabteilungen der Universitäten) abgewiesen werden.

Die Ergebnisse der Metaevaluation wurden nicht nur mündlich präsentiert, sondern auch in Buchform. Zusätzlich werden - aufgrund der vielen Anfragen und Interessensbekundungen - die auf der Tagung präsentierten Referate von der Hochschulrektorenkonferenz publiziert werden.
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Buchtipp: Mittag, S., Bornmann, L. & Daniel, H.-D. (2003). Evaluation von Studium und Lehre an Hochschulen. Handbuch zur Durchführung mehrstufiger Evaluationsverfahren. Münster: Waxmann.
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->   Arbeitsbereich "Bildungspsychologie & Evaluation" der Universität Wien
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Neuer Codex für Forschungs-Evaluierungen (16.5.03)
->   Evaluierung der Lehre: hoher Aufwand, mäßiger Ertrag (28.2.02)
 
 
 
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