Christiane Spiel
Dekanin der Fakultät für Psychologie, Universität Wien
 
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Tagung Methoden & Evaluation in Wien - Schwerpunkt PISA  
  Vom 18.-20. September 2003 findet die 6. Tagung Methoden & Evaluation an der Universität Wien statt. Im Rahmen der Tagung wird ein PISA-Workshop abgehalten, in dem methodische Probleme der PISA-Studie diskutiert werden, und der Gustav A. Lienert-Preis verliehen.  
Die Tagung wird von mir und meinen MitarbeiterInnen aus dem Arbeitsbereich Bildungspsychologie und Evaluation organisiert. Im folgenden möchte ich kurz über die Tagung, den PISA-Workshop und einige zentrale Themen und Ergebnisse, die auf der Tagung vorgestellt werden, berichten.
Die Tagung Methoden & Evaluation
Die Tagung wird von der Fachgruppe Methoden und Evaluation der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Kooperation mit dem Verein ECE: Evaluation-Cooperation-Education und dem Arbeitsbereich Bildungspsychologie & Evaluation des Wiener Instituts für Psychologie veranstaltet. Organisiert wird die Tagung von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Arbeitsbereichs Bildungspsychologie und Evaluation.

Die Tagungen der Fachgruppe Methoden und Evaluation finden seit 1993 alle zwei Jahre jeweils an einer anderen deutschen Universitätsstadt statt, die einen ausgewiesenen Forschungsschwerpunkt im Bereich Methoden und Evaluation hat. Wir freuen uns, dass Wien als Austragungsort für die 2003 stattfindende Veranstaltung ausgewählt wurde. Damit findet die Tagung erstmals außerhalb von Deutschland statt. Erwartet werden etwa 180 TeilnehmerInnen.
Die Fachgruppe Methoden und Evaluation
Die Fachgruppe Methoden wurde 1992 gegründet. Sie ist eine von mehreren Fachgruppen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, die WissenschaftlerInnen aus allen deutschsprachigen Ländern zu ihren Mitgliedern zählt. Vor drei Jahren hat die Fachgruppe ihren Aufgabenbereich auf Evaluation erweitert.

Zu den Aufgaben der Fachgruppe Methoden und Evaluation gehören insbesondere Dokumentation und Information über Forschungen in Methoden und Evaluation, Organisation von Fachtagungen, Förderung der Forschung und die Berücksichtigung von Methoden und Evaluation in den Ausbildungsplänen der Universitäten und Fachhochschulen. Sprecher (Präsident) der Fachgruppe ist derzeit Prof. Helfried Moosbrugger (Universität Frankfurt).
Tagungsthemen - Invited Speaker
Die Tagung beschäftigt sich mit Themen, die für Grundlagenforschung und angewandte Forschung, aber auch für die Praxis von hoher Relevanz sind. Es werden Methoden zur Optimierung der Planung, Durchführung und statistischen Analyse wissenschaftlicher Studien präsentiert und diskutiert.

Zusätzlich ist der Evaluationsforschung breiter Raum gewidmet. Auf der Tagung werden sowohl Beiträge präsentiert, die sich mit speziellen methodischen Aspekten von Evaluationen beschäftigen, als auch Beiträge, in denen die Ergebnisse von Evaluationsstudien vorgestellt werden.

Insgesamt werden 89 Beiträge in Form von Postern, Vorträgen und Vorlesungen präsentiert. Prof. Berk (University of California, LA), Prof. von Eye (Michigan State University) und Prof. Arminger (Univ. Wuppertal) halten als Invited Speaker Mittagsvorlesungen.
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Vortragsthemen (Auswahl)
Bestimmung und Testung kausaler Effekte, Meta-Evaluation - ein zukünftiges Forschungsgebiet?, Wachstumskurvenmodelle, Differenzierung zwischen Testwiederholungseffekten und "echten" Entwicklungsveränderungen in Längsschnittstudien, Statistik und Kausalität, Reaktionszeitmodelle im Vergleich, Entscheidungen unter Untersicherheit aus statistischer und kognitiver Sicht, Evaluation und Wissenschaftsdidaktik, Beratung von Hochschullehrenden auf Basis von Evaluationsergebnissen, Evaluation als Instrument der Programmentwicklung am Beispiel E-Learning, Evaluation des Notebookeinsatzes an österreichischen Schulen, u.v.m.
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PISA-Workshop - Intention
Im Rahmen der Tagung findet der Workshop "PISA 2003 - Methodische Grundlagen, Fragen, Perspektiven" statt. Er wird vom Deutschen PISA 2003 Konsortium, der Fachgruppe Methoden & Evaluation der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und der Methodensektion der Deutschen Gesellschaft für Soziologie veranstaltet.

Mit der Veröffentlichung erster Ergebnisse des "Programme for International Student Assessment" (PISA 2000) durch das Deutsche PISA-Konsortium entwickelte sich in der Bundesrepublik Deutschland vom Start weg eine öffentliche und politische Diskussion, die beste Chancen birgt, "PISA 2000" auf Jahre hin zu einer der gesellschaftlich einflussreichsten empirischen Studien heutiger Zeit werden zu lassen.

Auch das rapide Tempo, in dem aus den vorgelegten Auswertungen des Datenmaterials bildungspolitische Konsequenzen gezogen wurden, sowie die angestrebte Nachhaltigkeit entsprechender Reformbemühungen im Bildungssystem lassen das hohe Einflusspotential dieser internationalen Schulleistungsvergleichsstudie erkennen.

Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, im Rahmen der Tagung Methoden und Evaluation in Wien einen wissenschaftlichen Diskurs zu Methodenfragen der PISA-Studie zu führen.
PISA-Workshop - Auswahl von Themen und Ergebnisse
Prof. Prenzel (Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften, Kiel), Leiter des Deutschen PISA Konsortiums, hält einen Einführungsvortrag zu PISA. H. Kreutz berichtet über Analysen der Daten von Migrantenkindern.

Er weist als Analysefehler nach, dass die Tests der Basiskompetenzen nur in einer Sprache erhoben wurden, wodurch zweisprachige Kinder benachteiligt sind. Denn die intellektuellen Kompetenzen zum Erwerb von zwei Sprachen werden damit nicht berücksichtigt.

M. Senkbeil und Kollegen vergleichen die Interpretation von Testergebnissen anhand von Normen und anhand von festgelegten Leistungskriterien.
E. Klieme und K. Schweizer diskutieren, ausgehend von PISA, Aufgaben und Perspektiven der Evaluation im Bildungswesen. H.-G. Hesse und K. Göbel beschäftigen sich mit der Bedeutung der Bildungsevaluation im europäischen und internationalen Vergleich.
Gustav A. Lienert Wissenschaftspreis
Auf der Tagung wird erstmals der vom Wissenschaftsverlag Springer gesponserte Gustav A. Lienert-Preis der Fachgruppe Methoden und Evaluation verliehen. Der Preis geht an den Berliner Psychologen Dr. Florian Schmiedek für seine Dissertation mit dem Titel "The structure of cognitive abilities in old and very old age: On the importance of specific group factors in a dedifferentiated factor space."

Der Preis wird zweijährlich für herausragende wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der psychologischen Methoden- und Evaluationsforschung verliehen.

In seiner Arbeit untersucht der Preisträger Faktoren, mit denen sich das kognitive Leistungspotenzial älterer Menschen erklären lässt. Dabei gelingt ihm der Nachweis, dass wesentliche, in der bisherigen Forschungspraxis verwendete Analyseverfahren zu Fehlschlüssen über die Faktoren führen können, die für die kognitiven Leistungen älterer Menschen verantwortlich gemacht werden.
Neue Wege mit Modellen aus der Intelligenzforschung
Im Gegensatz zu den bisher verwendeten Verfahren zeigt Schmiedek neue Wege mit Modellen auf, die aus dem Bereich der Intelligenzforschung bekannt sind und sich dafür eignen, die Alterszusammenhänge genereller und spezifischer Intelligenzfaktoren darzustellen. Florian Schmiedek ist am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Fachbereich Entwicklungspsychologie, in Berlin tätig.

Der Gustav A. Lienert-Preis ist dem Andenken des 2001 verstorbenen Mediziners und Psychologen Gustav Adolf Lienert gewidmet, einem der renommiertesten Lehrer und Forscher auf dem Gebiet der biostatistischen Methodologie und der differentiellen Pharmakopsychologie. Neben vielen anderen Ehrungen war Gustav A. Lienert auch Ehrendoktor der Universität Wien.
->   Weitere Informationen zur Tagung (Universität Wien)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Christiane Spiel: Universitäten auf dem Weg zu einer Evaluationskultur (18.8.03)
 
 
 
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